{"id":1144,"date":"2021-05-23T09:02:57","date_gmt":"2021-05-23T07:02:57","guid":{"rendered":"https:\/\/hartwig-am-sonntag.de\/?p=1144"},"modified":"2021-05-23T09:02:10","modified_gmt":"2021-05-23T07:02:10","slug":"von-piontek-zoelibat-und-truemmern-in-dresden","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/hartwig-am-sonntag.de\/startseite\/von-piontek-zoelibat-und-truemmern-in-dresden\/","title":{"rendered":"Von Piontek, Z\u00f6libat und Tr\u00fcmmern in Dresden"},"content":{"rendered":"
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Bis heute gibt es eine journalistische Form, die mein absoluter Favorit ist: das Interview. Dieser direkte und pers\u00f6nliche Kontakt ist immer eine Herausforderung. Das f\u00e4ngt bei der Vorbereitung an, weil sehr viele Gespr\u00e4chspartner vorweg am liebsten immer alle Fragen \u00fcbersandt haben wollen. Dann sage ich meist: \u201eDann lassen wir das, denn ein gutes Interview lebt von der Spontanit\u00e4t und dem Austausch \u2013 und meistens geht es dann doch irgendwie.\u201c Wenn der Gespr\u00e4chspartner darauf besteht, dann habe ich auch schon so manches Interview ausfallen lassen. Manches Mal sehr schade, aber immer noch besser als ein langweiliges, bereits vorweg vorformuliert und damit k\u00fcnstliches Gespr\u00e4ch, das abgedruckt werden muss.<\/p>\n

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Gerne erinnere ich mich an mein allererstes l\u00e4ngeres Interview am Neujahrstag (!) 1990 zur\u00fcck. Mein Chefredakteur Uke Meyer hat eingef\u00e4delt, dass wir f\u00fcr den SonntagsReport den ber\u00fchmtesten Leeraner Fu\u00dfballspieler, Sepp Piontek, treffen. Ich freue mich, dass mich mein Chef mitnimmt und ich dabei sein darf. Kurz bevor wir dann bei einer Tasse Tee in der Wohnung von Pionteks Eltern sitzen, kommt eine klare Ansage meines Chefs: \u201eHolger, mach` Du mal das Interview. Ich halte mich zur\u00fcck.\u201c Vorbereitungszeit \u2013 null. Zeit f\u00fcr Nervosit\u00e4t \u2013 fast null. Ich denke: Gut, dass ich mich mit Fu\u00dfball auskenne. Vorweg hatte ich lediglich kurz dar\u00fcber nachgedacht, dass uns Piontek, der elf Jahre lang die d\u00e4nische Nationalelf mit erstmaliger Teilnahme an EM und WM erfolgreich trainiert hat, im Idealfall verr\u00e4t, wo er als n\u00e4chstes als Coach aufschlagen will. Die Antwort bleibt er uns schuldig (wahrscheinlich wusste er damals wirklich noch nicht, dass er f\u00fcr drei Jahre das Team der T\u00fcrkei trainieren wird), aber dieses erste Interview (siehe Abfotografie) behalte ich in guter Erinnerung. Und eine Man\u00f6verkritik meines Chefs gibt es sp\u00e4ter auch nicht, ebenso wie kein Lob. Erst sp\u00e4ter\u00a0 habe ich bemerkt: Keine Kritik meines durchaus sehr kritischen Ausbilders ist das h\u00f6chste Kompliment.<\/p>\n

In Erinnerung ist mir auch ein Interview mit Bischof Franz Bode aus Osnabr\u00fcck geblieben. Wir treffen uns 1996 im Pfarrhaus der St. Michael-Gemeinde im Beisein von Pfarrer Paul Durschlag, mit dem ich als junger Mensch oft aneinander gerasselt bin. Ich habe mir vorgenommen, viele Themen anzusprechen und war mir nicht sicher, ob ich wirklich frage, wie den der Bischof mit dem Z\u00f6libat und menschlichen Bed\u00fcrfnissen der k\u00f6rperlichen N\u00e4he \u2013 er ist ja auch \u201enur\u201c ein Mann \u2013 umgeht. Das Gespr\u00e4ch verl\u00e4uft gut. Also stelle ich die Frage. Der Bischof reagiert ruhig und gibt eine umfassende und nachvollziehbare Antwort. In Erinnerung ist mir bis heute aber mehr das Gesicht des Pfarrers geblieben, als er meine Frage h\u00f6rte. Ach ja, Bischof Bode hat dann das Interview ohne \u00c4nderungen autorisiert und sich f\u00fcr die spannenden Fragen bedankt…<\/p>\n

Manchmal geht ein Gespr\u00e4ch f\u00fcr einen Interviewten aber auch so richtig nach hinten los. So frage ich den gescheiterten Interessenten f\u00fcr das Bundespr\u00e4sidentenamt, Steffen Heitmann, was er machen w\u00fcrde, wenn er noch einmal ein Kind w\u00e4re. Wir haben uns in Dresden getroffen \u2013 und was antwortet der CDU-Politiker? \u201eIch m\u00f6chte wieder in den Tr\u00fcmmern Dresdens spielen d\u00fcrfen\u201c. Seine PR-Abteilung bekommt den Text zur Freigabe \u2013 und gibt das ok. Die Antwort wird wenige Tage sp\u00e4ter so abgedruckt. Gut, dass es damals noch keine sozialen Medien gibt. Auch so ist der \u201eShitstorm\u201c, wie es heute hei\u00dft, riesengro\u00df. \u00dcberegionale Medien greifen das Zitat auf und \u2013 das ist auch keine Seltenheit \u2013 nat\u00fcrlich wird versucht, die \u201eSchuld\u201c f\u00fcr diese Aussage, die ja nie so gesagt wurde, beim Journalisten abzuladen. So sei das ja nicht gemeint gewesen… Gut, dass ich damals das Fax mit den Anmerkungen und der Freigabe schwarz auf wei\u00df als Ausdruck hatte. Das hat mir immerhin hausintern viel \u00c4rger erspart…<\/p>\n

Na und dann gibt es auch die Interviews, bei denen sich der Autor nach der Autorisierung durch den Gespr\u00e4chspartner(in) fragt, ob er bei einer anderen Veranstaltung gewesen ist. Hier ist mir eine Politikerin als absolute \u201eExpertin\u201c in Erinnerung geblieben. Wir haben uns fast drei Stunden unterhalten, das Diktierger\u00e4t hat alles aufgezeichnet und ich bringe es in kompakter und lesbarer Form zu Papier. Es dauert etwas, bis die R\u00fcckmeldung kommt und ich traue meinen Augen nicht. Etwa 70 Prozent aller Antworten haben rein gar nichts mehr gemeinsam mit den Aussagen, die Tage zuvor bei einem Kaffee gefallen waren. Leider ist der Text f\u00fcr den n\u00e4chsten Tag bereits eingeplant, so dass das \u201eSo war es dann in der Realit\u00e4t doch nicht\u201c-Interview erscheint. Seitdem weise ich in jedem Interview daraufhin, dass ich davon ausgehen, dass das gesprochen Wort Bestand hat. Man wei\u00df ja nie. Mit der Politikerin habe ich \u2013 auch wenn Sie damals p\u00fcnktlich zum Termin kam, was nicht immer selbstvers\u00e4ndlich ist – danach bis heute auf ein weiteres Interview verzichtet. An diese Kultur bei Interviews will ich mich bis heute nicht gew\u00f6hnen…<\/p>\n

Besonders spannend ist es auch, wenn ein Gespr\u00e4chspartner f\u00fcr eine pers\u00f6nliche Begegnung erst gar nicht zur Verf\u00fcgung steht und stattdessen alle Fragen haben m\u00f6chte. Manchmal bleibt einem Redakteur dann nichts anderes \u00fcbrig, als sich darauf einzulassen, wenn das Thema und die Fragen eine gewisse Brisanz haben. Hier f\u00e4llt mir als erstes der Skandal um die Finanzen der VHS in Papenburg ein. B\u00fcrgermeister Jan-Peter Bechtluft ist Chef des Aufsichtsgremiums und damit dann auch der Ansprechpartner f\u00fcr alle zentralen Fragen. Sein Pressesprecher l\u00e4sst mir ausrichten, dass ich meine Fragen dann gerne schriftlich einreichen m\u00f6ge. OK \u2013 geht nicht anders. Dann muss ich halt die Fragen sehr genau formulieren, um interessante Antworten zu bekommen. Ich habe viel recherchiert \u2013 und bin schon sehr gespannt, wie die Antworten auf die wirklich heiklen Fragen ausfallen werden. Irgendwie zweifle ich, ob ich wirklich Antworten bekommen werde. Nach mehr als zwei Tagen hei\u00dft es dann aus dem Rathaus: Der B\u00fcrgermeister beantwortet die Fragen nicht. Immerhin wird meinem Wunsch, dass es daf\u00fcr eine Begr\u00fcndung geben m\u00f6ge, nachgekommen. Und was machst Du dann in einer solchen Situation, wenn die aus deiner Sicht berechtigten Fragen unbeantwortet bleiben? Ganz einfach: Die Begr\u00fcndung, warum nicht geantwortet wird, im Original-Wortlaut ver\u00f6ffentlichen \u2013 und daneben ebenso im Original-Wortlaut die Fragen abdrucken. Bis heute ist das in \u00fcber 30 Jahren einmalig geblieben \u2013 und trotzdem, so die R\u00fcckkoppelung durch die Leser damals, hat das gescheiterte Interview viele Antworten geliefert…<\/p>\n<\/div>\n


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