{"id":3728,"date":"2023-04-30T09:00:25","date_gmt":"2023-04-30T07:00:25","guid":{"rendered":"https:\/\/hartwig-am-sonntag.de\/?p=3728"},"modified":"2023-04-29T12:49:01","modified_gmt":"2023-04-29T10:49:01","slug":"die-kolumne-leeraner-wohnraumkonzept-sieht-fehlentwicklungen-und-hat-lustige-empfehlungen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/hartwig-am-sonntag.de\/startseite\/die-kolumne-leeraner-wohnraumkonzept-sieht-fehlentwicklungen-und-hat-lustige-empfehlungen\/","title":{"rendered":"DIE KOLUMNE: Leeraner Wohnraumkonzept sieht Fehlentwicklungen und hat \u201elustige\u201c Empfehlungen"},"content":{"rendered":"

Papier ist bekanntlich geduldig. Dennoch sind es vor allem Zukunftskonzepte, die gerne erstellt und gelesen werden. Vor allem, wenn es dabei um ein Gut geht, das jeder Mensch ben\u00f6tigt: eine Wohnung. In Leer ist nun das neue \u201eWohnraumversorgungskonzept\u201c durch den Stadtrat verabschiedet worden. Allerdings stellt sich die Frage: Hat es die Politik wirklich gelesen und was l\u00e4sst sich damit anfangen?<\/p>\n

Die insgesamt 46 Seiten des Bremer Fachb\u00fcro protze + theiling GbR sind zun\u00e4chst einmal eines: ein Sammelsurium zahlreicher Daten und Studien zum Wohnungsmarkt allgemein und zur Entwicklung in der Stadt Leer insgesamt. Manches ist nicht nur mit Blick auf das Wohnen interessant. So ist die Bev\u00f6lkerungszunahme vor allem auf Zuzug von Menschen ohne deutschen Pass, die zudem deutlich j\u00fcnger sind als der Durchschnitt, stattgefunden hat und der Ausl\u00e4nderanteil \u00fcberdurchschnittlich gestiegen ist.<\/p>\n

Was f\u00fcr den Wohnungsmarkt erwartet wird, f\u00fcllt einige Seiten. So werde die Zahl der kleineren Haushalte st\u00e4rker zunehmen als die der gr\u00f6\u00dferen. Das wird ma\u00dfgeblich auf den prognostizierten Anstieg der Altersgruppen ab 60 Jahren (\u201eempty nest\u201c-Haushalte, d.h. die Kinder sind ausgezogen) zur\u00fcckgef\u00fchrt. Insgesamt wird f\u00fcr die Kreisstadt ein Bedarf von etwa 435 Wohnungen bis 2025 und 355 Wohnungen von 2026 bis 2030 gesehen. Davon sollten zus\u00e4tzlich zu den aktuell fehlenden 300 Sozialwohnungen mehr als ein Viertel mit Preisbindungen sein.<\/p>\n

So richtig spannend sollte es bei den Handlungsempfehlungen werden. Hier ist der Wert eines Konzeptes feststellbar. Im vorliegenden Fall sind es viele Allgemeinpl\u00e4tze, die auch auf andere Kommunen zutreffen oder die mit den \u00dcberlegungen f\u00fcr Leer nicht abgeglichen wurden. So wird an keiner Stelle der Ansatz des Stadtbaurates Rainer Kleylein-Klein <\/strong>erw\u00e4hnt, dass die Kreisstadt in die H\u00f6he wachsen solle. Ebenso sind die Planungen, Richtung Eisinghausen in den kommenden Jahren auf fremdem Grundst\u00fcck massiv neue Baufl\u00e4chen \u2013 so gro\u00df wie 90 Fu\u00dfballfelder \u2013 auszuweisen, an keiner Stelle aufgenommen. Stattdessen hei\u00dft es sogar, man solle \u201eden Bau auf der gr\u00fcnen Wiese reduzieren\u201c.<\/p>\n

Auch an andereren Stelle liest es sich \u201elustig\u201c. Bekannterma\u00dfen ist die Stadt Leer finanziell \u201eschwach\u201c auf der Brust. Da ist es dann verwunderlich, dass die Experten als kurzfristige L\u00f6sung vorschlagen, Mietbindungen f\u00fcr preisgebundenen Wohnungen zu erwerben. Oder es ma\u00dft sich komisch an, wenn eine Stadt, die mit dem Bahndamm-Grundst\u00fcck \u2013 hier hat \u00fcbrigens das Konsortium Bauverein Leer\/Real Immobilien Moormerland den Vorzug vor der vom Baurat favorisierten Stiftung erhalten \u2013 nur noch eine eigene Fl\u00e4che hat, \u201epreisd\u00e4mpfende Ma\u00dfnahmen f\u00fcr den Bodenmarkt umsetzen durch revolvierende Fonds f\u00fcr Baulanderwerb, Konzeptvergaben, oder Erbbaurechte (ca. 10 % Kostenreduzierung m\u00f6glich)\u201c empfohlen werden. Zudem solle die Stadt bei Bestandswohnungen des Bauverein Leer \u201enach M\u00f6glichkeit darauf hinwirken, dass die Mieten g\u00fcnstig bleiben, wenn Wohnungen aus der Bindung herausfallen\u201c. Zur Erinnerung: Der Bauverein ist kein Unternehmen der Stadt, sondern eine Genossenschaft. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass aus betriebswirtschaftlichen Gr\u00fcnden die Kaltmieten um 5,5 Prozent steigen.<\/p>\n

Was sagt nun die Stadt zu den Vorschl\u00e4gen? Die Chefin des st\u00e4dtischen Wohnungsbetriebes KVL, Elke Hinrichs, antwortet auf die Nachfrage, inwieweit Teile der Handlungsempfehlungen unrealistisch seien: Ein solches Konzept m\u00fcsse \u201everpflichtend vorliegen\u201c, um die F\u00f6rderprogramme der NBank in Anspruch nehmen zu k\u00f6nnen\u201c. F\u00fcr die Politik und auch f\u00fcr alle anderen Akteure sei \u201edieses nicht verpflichtend, sondern es wird lediglich empfohlen, die Handlungsempfehlungen bei entsprechenden Entscheidungen zu ber\u00fccksichtigen\u201c.<\/p>\n

Um so mehr verwundert es, dass der aktuelle Stadtratsbeschluss die Empfehlung hat, das Konzept den privaten Akteuren des Wohnungsmarktes als Informations- und Handlungsgrundlage zur Verf\u00fcgung zu stellen. Das ist selten in einem kommunalen Beschluss zu lesen. Aber vielleicht muss das so sein, weil die Fortschreibung des Konzeptes f\u00fcr die aktuell 18.250 Wohnungen im Stadtgebiet etwa 15.000 Euro \u201everschlungen\u201c hat. Seit 2016 hatte die Fachfirma f\u00fcr das Zusammenstellen der Daten und Fakten aus den unterschiedlichsten Quellen und ihren Empfehlungen bisher bereits 27.000 Euro bekommen.<\/p>\n

Ob das Papier das Geld wert ist? Die Akteure des Leeraner Immobilienmarktes werden das kritisch begleiten und am besten beurteilen k\u00f6nnen. Zumal sie in dem Konzept auch lesen durften, dass ihre Investitionen \u2013 Zitat \u2013 \u201ef\u00fcr eine Fehlentwicklung mit neuem hochpreisigem Wohnraum und steigende Mietpreise\u201c stehen. Zwar wurden seit 2018 etwa 500 neue Wohnungen gebaut, aber eben nicht die, f\u00fcr die das Konzept wirklich Bedarf sieht. Vermietet sind die meisten trotzdem. Man darf also gespannt sein, wer wie den prognostizierten erforderlichen kleine Bedarf an kleinen Wohnungen bedient. Fest steht: Die Stadt und ihre KVL werden das nicht leisten k\u00f6nnen.<\/p>\n

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So sehen die modernisierte Wohnungen der KVL am Hermann-Tempel in Leer von hinten mit den Balkonen (oberes Bild) und von vorne mit den Eing\u00e4ngen aus.<\/strong><\/em><\/p>\n

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