DIE KOLUMNE: Das millionenschwere Ende jahrelanger Flickschusterei

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Es ist eine seit Jahrzehnten in Leer bekannte Situation: Die Stadt ist finanziell klamm, an vielen Stellen wird das Nötigste an Modernisierungen und Instandhaltungen gemacht. Das gilt auch für die Schulen. Flickschusterei und teilweise auch Augenwischerei waren immer wieder an der Tagesordnung. Die Kreisstadt ist da in der Region – bedauerlicherweise – kein Einzelfall. Immer dann, wenn es nicht mehr anders geht, politische Versprechungen wie aktuell die Schaffung eines Ganztagsangebotes an allen Schulen bis zum Schuljahresbeginn 25/26 oder Fördergelder fließen, wie beispielsweise beim Digitalpakt, wird investiert. Dabei ist es in der Vergangenheit dann auch gelungen, den Eltern und Menschen der Stadt zu vermitteln, dass man „am Ball“ ist. Wer sich allerdings an den Schulen umschaut, mit Lehrern und Eltern spricht, der bekommt neben einem „Wunschkonzert“ auch traurige Fakten präsentiert.

Ein langfristiger Plan mit allen Fakten – voraussichtliche Entwicklung der Schülerzahl, energetischer Zustand, „digitaler“ Zustand, Turnhallenausstattung, Mensa, Schulhof, Barrierefreiheit etc. – Fehlanzeige. Es ist ein gut getarntes „Durchwurschteln“. Bestes Beispiel ist dafür die Hoheellernschule. Das, so hat die Stadtverwaltung – endlich – angekündigt, soll nun anders werden.

Das Ziel ist klar und dem Stadtrat vermittelt: Schluss mit dem Gießkannenprinzip. Bis zum Beginn des neuen Schuljahres im August soll eine komplette Bestandsaufnahme gemacht werden. Dafür werden auch personelle Ressourcen frei geschaufelt – und es soll auch mit einer weiteren Architektenstelle Know-how aufgebaut werden. Bereits jetzt ist – so ist zu hören -absehbar: Es werden 30, 40 oder gar 50 Millionen Euro notwendig sein, um bis 2028 oder 2030 das „Unternehmen Zukunft für Leeraner Kinder“ zu realisieren. Im Klartext: Die nächsten Jahre müssen fast 40 Prozent aller Investitionen der Stadt für Bildung „geblockt“ werden.

Was ist bereits jetzt unstrittig? Die Schule Bingum wird nicht mehr zu „retten“ sein. Sie ist in einem bedauerlichen Zustand. Risse und Asbestbelastung in den Wänden (ärgerlich, aber kein Grund zur gesundheitlichen Sorge), schlechte Fenster und vieles mehr machen einen Neubau alternativlos. Deshalb konnte die Schule auch als einzige in dem Digitalförderpaket des Landes, das an fast allen Schulen in die Endphase der Umsetzung geht, nicht berücksichtigt werden und hat aktuell auch nur eine funktionierende, aber überschaubare Zukunftsausstattung. Ob am aktuellen Standort und in welcher Größe – das ist offen. Hauptsache, es dauert nicht ewig, denn die bisherige Ausstattung reicht nicht einmal mehr dafür aus, Gelder aus dem Förderprogramm für die Digitalisierung zu bekommen.

Spannend wird auch die Frage sein, ob und welche Schule geschlossen werden könnte, weil auf Jahre hinaus kein ausreichender Bedarf für Kinder im Grundschulalter besteht. Auch die Standort- und Kapazitätsfrage will die Stadtverwaltung bis zu Jahresmitte seriös beantworten – ebenso wie den Aspekt, wo in welchen Gebieten der Stadt – es sollen ja Richtung Eisinghausen Bauplätze in großer Menge ausgewiesen werden – ein Neubau notwendig sein wird.

Fazit: Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass Mitte des Jahres bittere Wahrheiten auf den Diskussions-Tisch der Politik kommen. Es wird deutlich werden, was an anderen Stellen aus finanziellen Gründen für die Stadt nicht mehr möglich sein dürfte. Das ist gut so, wenn der Rat möglichst einstimmig dann auch der Entwicklungsstrategie folgt. Aber das dürfte beim Thema Kinder und Bildung ja leichter sein, als die Beschaffung von hoffentlich reichlich Fördergeldern für modernste Schulen.

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Das millionenschwere Ende jahrelanger Flickschusterei