Von Holger Hartwig*
Was macht Lebensqualität aus? Unzählige Bücher und Ratgeber sind dazu erschienen, damit Menschen ihre Lebensqualität definieren und nach Möglichkeit steigern. Dabei ist es ganz einfach: Lebensqualität ist die perfekte Mischung aus einer ergebnis- und erlebnisorientierten Gestaltung des Alltags.
Was ist damit gemeint? Der Alltag des Menschen lässt sich in zwei Bereiche aufteilen: die Arbeits- und die Sozialwelt. In der Arbeitswelt ist die Gleichung einfach: Alles, was in dieser Welt am Arbeitsplatz passiert, ist ergebnisorientiert. Stimmt das Ergebnis der Arbeit, stimmt die Bezahlung (meistens). Arbeiten dient der Absicherung und der Möglichkeit, den zweiten Teil des Lebens, die Sozialwelt zu gestalten.
Beim Blick auf den zweiten Teil – der Sozialwelt – sieht die Betrachtung im Idealfall anders aus. Hier stehen nicht Ergebnisse oder das Erreichen von Zielen im Vordergrund, sondern das Erleben. Das Ziel ist, die Zeit gesund, vielseitig, erholsam und zur Zufriedenheit zu gestalten bzw. Genuss zu erleben. Stimmt die Balance zwischen Arbeits- und Sozialwelt, dann „stimmt“ auch die Lebensqualität.
Doch wie ist bei sehr vielen Menschen die Realität? Das ergebnis- bzw. erfolgsorientierte Handeln – man könnte auch Funktionieren sagen – wird nicht nur in der Arbeitswelt praktiziert, sondern zu gerne auch in allen anderen Lebensbereichen. Das Funktionieren in fast allen Lebenslagen führt sehr oft zu „Stress“ und zunehmend mehr auch gerne mal zum Burn-Out, der ja nichts anderes ist als ein Erschöpfungssyndrom.
Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, wie viel bzw. wenig Sie im Alltag erlebnisorientiert machen? Einfach genießen, ohne den Druck, ein Ziel bzw. Ergebnis zu erreichen? Der permanente (Zeit)Druck, der durch die Digitalisierung mit allen ihren Facetten weiter zunimmt, führt dazu, dass immer weniger erlebnisorientiertes Handeln stattfindet. Fast alles muss einen Sinn machen, muss ein Ergebnis liefern. Nur mal so die freie Zeit erleben, aktiv sein ohne für sich oder für andere „abliefern“ zu müssen – für manche Menschen ist das vom Aufstehen bis ins Bett gehen gar kein Gedanke mehr.
Die Lösung? Die kann nur jeder für sich finden. Helfen kann, sich bewusst zu werden, dass es einen großen Unterschied zwischen Arbeitswelt und Sozialwelt gibt. Helfen kann, sich bewusst jeden Tag Zeiten für sich und das persönliche Erlebnis zu „gönnen“. Und helfen kann, dass es für das erfolgreiche Über-Leben in der „Ergebniswelt“ mehr als erforderlich ist, sich Erlebnisse zu gönnen. Das Angebot an diesen Erlebnisse ist heute so groß wie nie zuvor. Und in dem direkten Umfeld mit den Menschen, die einem nahe stehen, anzufangen, gibt viel Kraft, Freude und Lebensfreude.
Also: Lebst Du oder lieferst du nur noch? Es ist nie zu spät, nicht mehr ausschließlich ergebnisorientiert zu funktionieren.
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.