Von Holger Hartwig*
Derzeit ist die Welt in Unruhe. Die Sprache verändert sich. Um so mehr kommt es darauf an, sich bewusst zu werden, wie durch die Wahl der Worte Wirkungen erzeugt wird. Nehmen wir einfache, aber traurige Beispiele dieser Tage. Es geht um Menschen, die mit Waffen Auseinandersetzungen führen. Wie werden diese Menschen in den Medien genannt? Sind es Widerstandskämpfer oder Separatisten? Sind es Rebellen oder Aufständische? Am Ende sind es immer dieselben, die kämpfen. Nur: Verbinden wir mit den vier genannten Bezeichnungen die gleichen Assoziationen? Eben nicht…
Nein, ich spare mir jetzt, weiter auf die Kriegsrhetorik einzugehen, denn dort lassen sich in diesen Tagen noch viel menschenverachtendere Formulierungen finden, die das Ziel haben, Bilder in den Köpfen der Leser, Zuhörer oder Zuschauer zu „erwecken“. Denn es sind eben diese Bilder, die unsere Gedanken und Einstellungen prägen.
Stattdessen ist es sinnvoll, sich zu fragen, wie jeder für sich mit den Berichterstattungen über Katastrophen und Kriege in dieser Welt umgeht. Weit bevor der Krieg mit allen seinen furchtbaren Bildern über das Fernsehen, das Handy, den Computer etc. zu uns kamen, stellte sich die Frage: Warum soll ich in der Tagesschau oder bei heute einen Beitrag sehen, bei dem aus einem Ort in Südamerika, denn ich nicht kenne, bei dem ich nicht weiß, wo er liegt und zu dem ich überhaupt keinen Bezug habe, dokumentiert wird, dass ein Bus mit so und soviel Insassen verunglückt ist? Warum soll ich mir ansehen, dass in Afrika in einem mir ebenfalls bis dahin nicht im Ansatz bekannten Ort mehrere hundert Menschen ein schweres Schicksal bei einer Explosion erlitten haben?
Ok, bis die Digitalisierung kam, gab es in der Regel einmal am Tag die Nachrichten mit diesen schrecklichen Bildern. Heute ist eine „Rund um die Uhr“-Versorgung sichergestellt. Seien wir ehrlich: Wie oft stellen wir uns noch die Frage, was mir das Wissen, dass ich durch die Bilder bekomme, nützt? Nein, wir konsumieren. Dabei merken nur wenige, dass diese permanenten Bilder auf´s Gemüt schlagen (müssen). Vor allem auch deshalb, weil das Fernsehen oder das Handy nur eine Kommunikationsrichtung kennen: sie „beschallen“ mich und ich habe nicht einmal die Chance, auch nur eine Nachfrage zu stellen.
Gibt es eine Lösung für den Umgang mit Informationen im Zeitalter der digitalen „Rundum-Versorgung“? Ja, aber es ist eine Herausforderung. Jeder für sich darf sich fragen: Was bringen mir die Informationen? Was mache ich mit den Informationen? Was machen die Informationen mit mir?
Ein guter Weg kann sein, sich selbst Regeln aufzuerlegen.
Erster Gedanke: Wenn wirklich etwas wichtiges passiert, dann verpasse ich es sowieso nicht, selbst, wenn ich einmal einen Tag keine Nachrichten verfolgt habe. Mein persönliches Umfeld wird mich früher oder später sowieso darauf ansprechen.
Zweiter Gedanke: Reduzieren des „Nachrichten-KONSUMS“ (wobei Konsum hier treffend beschreibt, dass die vielen Informationen eben nicht mehr reflektiert werden). Für jeden interessierten Menschen reicht es aus, einmal am Morgen (im Radio oder in der Zeitung) und einmal am Abend (vorzugsweise im TV) ein persönliches Update vorzunehmen.
Dritter Gedanke: Schubladendenken. Wenn Sie Informationen konsumieren, versuchen Sie, die Bilder und Texte gleich in die richtige Schublade zu legen. Was brauche ich für meinen Alltag? Was nützt mir? Oder auf was hätte ich verzichten können, wenn ich die Nachrichten selbst hätte zusammen stellen können.
Vierter Gedanke: Achten Sie einmal darauf, worüber Sie sich in der Familie, am Arbeitsplatz oder im Verein unterhalten. Wollen wir wetten: Auch das sind zum größten Teil die negativen Dinge, die im Fokus stehen. Kein Wunder also, dass die Laune bei allen oft alles andere als bestens ist. Den gesamten Tag immer das unbewusste Fokussieren auf das Negative kann nicht folgenlos bleiben. Vielleicht hilft es, sich gegenseitig die Frage zu stellen: Und, was gibt´s Schönes, Gutes, Angenehmes bei Dir, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?
Letzter Gedanke: Nutzen Sie die gewonnene Zeit durch den reduzierten Medienkonsum. Wann haben Sie sich zuletzt auf eine Bank gesetzt an der frischen Luft und dem Gezwitscher der Vögel zu gehört? Da kommen einem oft ganz kluge Gedanken, die für den Alltag tatsächlich einen Nutzen haben. Nicht nur für sich selbst, sondern sehr oft auch für die Menschen, die einem etwas bedeuten.
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.
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