Von Holger Hartwig*
Macht es einen Unterschied, etwas verstanden oder begriffen zu haben? Auf den ersten Blick sicher nicht… Nicht ohne Grund sagen wir dennoch: „Ich verstehe jedes einzelne Wort, aber ich begreife nicht, was Du mir damit sagen willst.“
Etwas zu ‚verstehen‘ bedeutet also, die Aussage eines anderen vom Verstand her aufzunehmen. Etwas zu „begreifen“, ermöglicht hingegen den praktischen Umgang mit einem Thema oder einer Sache. Alles klar? Zur Verdeutlichung ein einfaches Beispiel: Versuchen Sie einmal, einem Kind mit einem iPad einen Ball zu erklären. Es wird verstehen, dass es sich um etwas Rundes handelt, dass man durch die Luft werfen oder schießen kann. Um zu begreifen, was ein Ball ist, wird es unumgänglich sein, einen richtigen Ball zu besorgen und dem Kind den Ball zu zu werfen. Dann wird es den Ball GREIFEN und BEGREIFEN und vor allem fest verinnerlichen, was ein Ball ist. Es wird lernen, wie man nach einem Ball greift – und verstehen, warum es praktisch ist, dass ein Ball rund ist
Für unseren Umgang mit Informationen und Worten hat das Begreifen einen weiteren Aspekt. Etwas zu verstehen, ist oft auch nur der Aspekt, ob eine Nachricht akustisch bei dem anderen angekommen ist. „Hast Du mich verstanden?“ ist beispielsweise oft nur die Nachfrage, ob der andere zugehört hat… manchmal auch die Drohung. Je nachdem, in welchem Ton und mit welcher Mimik die Wörter gesagt werden.
Wie kann ich selbst dafür sorgen, dass ich etwas nicht nur verstehe, sondern begreife? Hilfreich ist, sich immer die Frage zu stellen, ob es möglich ist, das Wort mit einer Tat zu verknüpfen, sozusagen eine zweite Ebene des Wahrnehmens zu schaffen. Wenn es beispielsweise um Wissen und Erfahrungen oder Situationen im Leben geht, denn nehmen Sie einen Stift zur Hand und schreiben Ihre Gedanken auf Papier auf. Ihre Gedanken werden dann für Sie und Ihren Körper spürbar. Sie werden feststellen, dass sich Ihre Gedanken verfestigen oder auch ordnen.
Dazu noch ein letzter Gedanken. Kennen Sie das Sprichwort „Wer nicht hören will, muss fühlen?“ Sicherlich. Auch hier geht es darum, die Worte mit einer zweiten Ebene zu versehen, die „durch den Körper geht“. Kinder verzichten auf diese zweiten Ebene lieber, wenn es mit den Eltern mal rauscht. Für Erwachsene hingegen ist es hilfreich, in vielen Situationen zu schauen, wie sie etwas Gesagtes oder Gedachtes für sich „fühlbar“ machen können
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.
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