Aufgeschnappt – 31. Oktober 2021

Artikel teilen

Von der Königin

„Der König ist tot, es lebe der König!“ – dieser Satz war einer der ersten, den Beatrix Kuhl, bis heute um Mitternacht noch Bürgermeisterin der Stadt Leer, am Abend ihrer Wahlniederlage zu ihrem Nachfolger Claus-Peter Horst sagte. In den vergangenen Tagen ist nun deutlich geworden, was die CDU-Politikerin damit gemeint haben könnte. Sie hat sich wie eine Königin verhalten.

Beispiele gefällig? Auf dem Facebook-Account der Stadt wurde eine Meldung veröffentlicht, die sich auf ein Interview von Kuhl in der örtlichen Tageszeitung (Überschrift: Ich wurde nicht abgestraft) bezog. Leider war dieses Interview dann auch noch hinter einer Bezahlschranke. Ein Nutzer des sozialen Netzwerkes kommentierte die Aussagen der Noch-Bürgermeisterin sehr eindeutig und ablehnend in Richtung der abgewählten Rathauschefin. Eine Zeit lang war der Post zu sehen, dann fiel er wohl der Zensur zum Opfer. Noch-Ratsherr Michael Runden (LWG) wollte wissen, wer für die Zensur im Rathaus verantwortlich ist – Antwort aus dem Rathaus: Fehlanzeige. Auf die Anfrage von Hartwig am Sonntag, wer für den Account und die Zensur verantwortlich ist, antworte die Bürgermeisterin dann am Freitag um kurz nach 14 Uhr: die Pressestelle! Schlimm, wenn a. eine Bürgermeisterin so etwas der eigenen Pressestelle in die Schuhe schiebt und b. dieses Vorgehen das Verständnis von Öffentlichkeitarbeit ist, wie es eine Bürgermeisterin ihren Mitarbeitenden schließlich auch vorgibt. Und noch schlimmer ist es, wenn zutrifft – was natürlich nie öffentlich bestätigt würde – , was aus dem Rathaus zu hören ist. Danach hat die Bürgermeisterin zuletzt gerne selbst Facebook-Posts verfasst und dann auch bearbeitet. Das würde auch erklären, warum es nicht – wie zuvor üblich – dazu auch parallel offizielle Medienmitteilungen aus dem Rathaus gegeben hat und in den vergangenen Wochen auch immer am Wochenende gepostet wurde, was für eine Verwaltung eher ungewöhnlich ist.

Zweites Beispiel: Wenige Tage vor Ende der Amtszeit veröffentlicht die Stadt eine Pressemitteilung mit Foto der Bürgermeisterin. Inhalt: die städtischen Finanzen. Die Mitteilung geht dann u.a. auch darauf ein, was denn 2022 alles auf die Stadt zukomme. Da ist Frau Kuhl aber längst nicht mehr im Amt und die neuen Ratsmitglieder werden den Haushalt mit allen Herausforderungen diskutieren. Die Mitteilung war garniert damit, dass die Politik an der letzten Sitzung zum Thema Finanzen ja nicht teilgenommen habe. Klar, die Ratsherren wollten das lieber den neuen Ratsmitgliedern überlassen, die ja auch die Verantwortung für alles tragen, was ab morgen geschieht. Sie hatten nämlich auch abgelehnt, an terminierten Sitzung mit der Bürgermeisterin noch teilzunehmen. Klar, eine Bürgermeisterin darf jederzeit und bis zur letzten Sekunde agieren. Es ist ihr gutes Recht. Aber nicht alles, was Recht ist, ist auch anständig.

Ja und dann als Drittes der Hinweis: Normalerweise ist es ja üblich, dass es eine Amtsübergabe von dem Ex- zum neuen Chef gibt. Gehört sich so, auch wenn das ja – menschlich nachvollziehbar – für diejenige, die abgewählt wurde, kein schöner Termin ist. Es wird fast überall und in der Wirtschaft sowieso so gehandhabt. Das ist eine Frage des Stils. In Leer gab keinen Übergabetermin von „Königin zu König“. Antwort von Frau Kuhl auf die entsprechende Anfrage zu einer Amtsübergabe am Freitag: „Dem neuen Bürgermeister stehen am Montag, 1. November alle MitarbeiterInnen mit ihrem Fach- und Projektwissen zur Verfügung und werden den neuen Bürgermeister vollumfänglich und fachkundig informieren über alle Projekte und Verwaltungsangelegenheiten – so wie vor 7 Jahren.“ Es mag jeder selbst die dargestellten Beispiele bewertet. Sie könnten ein wenig Fingerzeig sein, warum es viele Beschäftigte in der Verwaltung und in der Politik gibt, die sich auf den morgigen Tag freuen.

Eines steht fest: Leer braucht weder eine Königin, noch einen König, der mit entsprechendem Selbstverständnis auftritt. Leer braucht – wie jede Kommune – an der Spitze Macher, die das Miteinander moderieren und die Stadt in finanziell schwierigen Zeiten in eine gute Zukunft führen. Und dabei kann man sich für die Zukunft – egal, wie man politisch zu dem neuen Bürgermeister oder seiner abgewählten Vorgängerin steht – nur eines wünschen: Gutes Gelingen, Herr Bürgermeister Horst! Denn davon wird jede Leeranerin und jeder Leeraner profitieren.

Von der kleinen Meise

Donnerstagabend in der Fußgängerzone: Die Leeraner Feuerwehr ist mit sechs Mann ausgerückt. Was ist passiert? Eine Anwohnerin – wohl aus einer Ferienwohnung – hat entdeckt, dass eine kleine Meise sich durch ein Oberlichtfenster in eine Bäckerei verirrt hat. Die Helfer rücken aus und stehen vor der Frage, was sie machen sollen. Scheibe einschlagen und hoffen, dass die Meise rausfliegt? Tür aufbrechen und den Vogel heraustreiben? Bevor diese schwere Entscheidung eines überflüssigen Einsatzes (der Vogel hätte die Nacht wohl locker überlebt) getroffen werden muss, kommt Grünen-Ratsherr Ferhat Özdemir mit seinen Kindern zufällig vorbei. Er kennt den Eigentümer. Ein Telefonat – und wenig später ist klar, dass jemand mit einem Schlüssel kommt, um den Vogel zu befreien. Hätte es der Zufall nicht so gewollt, wäre noch Folgendes passiert: Bevor die Feuerwehr entscheidet, was sie macht, muss die Polizei hinzugezogen werden. Die hat dann festzulegen, wie weiter zu agieren ist. Merke: Manchmal sollte man einen Moment länger überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, die Feuerwehr zu rufen. Die Kameradinnen und Kameraden leisten in ihrer Freizeit wertvolle Arbeit. Auf die Idee zu kommen, dass sie einen Vogel aus einer Bäckerei retten, muss man erst einmal kommen. Bleibt nur zu hoffen, dass der Eigentümer nun nicht noch eine große Rechnung für den „Einsatz“ bekommt.

Von den Taschendieben

Leute, passt in Leer auf Eure Portemonnaies und Taschen auf. Die Diebe gehen um. Die Pressestelle der Polizei hat auf Anfrage bestätigt, dass es seit sechs bis acht Wochen vermehrt zu Raubdelikten kommt. Dabei werden die Geldbörsen sowohl direkt am Körper (beispielsweise aus der hinteren Hosentasche), als auch aus abgelegten Taschen (z.B. im Einkaufswagen) entwendet. Über die Anzahl der Taten schweigt die Polizei ebenso wie über Erkenntnisse zu den Tätern. Die laufende Ermittlungsverfahren sind die Begründung. Also dann hier die Erkenntnisse der Recherchen: Es sind zuletzt um die 30 Menschen „beklaut“ worden. Orte, an denen es sich besonders lohnt, auf seine Wertsachen zu achten sind die Fußgängerzone, das Areal um den Bahnhof und auch die  Supermärkte der Stadt. Was die Polizei empfiehlt? Wertgegenstände eng am Körper tragen – die hintere Hosentasche ist kein guter Platz für eine Geldbörse, lieber die vordere Hosentasche nutzen; Handtaschen verschließen, die Geldbörse am besten in einer Innentasche der Handtasche mit zusätzlichem Reißverschluss ablegen; Wertgegenstände niemals unbeaufsichtigt im Einkaufswagen, Fahrradkorb oder am Kinderwagen ablegen. Und wer trotzdem beklaut wurde: Diebstahl unbedingt anzeigen, sofort die Kreditkarten sperren lassen und – sofern die Tat umgehend bemerkt wurde – selbst „ermitteln“ und Umstehende um Hilfe bitten und fragen, ob jemand etwas beobachtet hat. Vielleicht können die Beobachtungen dann dazu beitragen, dass die Polizei dann auch mal „Ross und Reiter“ hinsichtlich Aussehen und Alter der Täter nennen kann und will.

Von der Geschlossenheit

Na, da seien wir doch mal gespannt, was in den nächsten Tagen und Wochen noch für Nachrichten und Schlagzeilen aus der neue CDU-Stadtratsfraktion kommen werden. Die personellen Entscheidungen (siehe dazu Bericht auf dieser Seite vom Dienstag) sind dem Vernehmen nach auch mit bewussten Falschinformationen und am Ende auch mit „Wenn, dann….“-Drohungen versehen gewesen. Auf jeden Fall steht fest: Noch nix geleistet in der neuen Wahlperiode und schon Stress miteinander. Das bleibt spannend und es laufen auch bereits Wetten bei der politischen Konkurrenz, wie lange Ursel Nimmrich Vorsitzende der sich selbst zwei Lager zerlegten Fraktion bleibt. Und manch ein Beobachter fragt bereits: Treten einzelne Mitglieder das Mandat gar nicht an oder treten sie gleich aus der Fraktion aus, um als Einzelkämpfer oder mit „Anschluss“ an eine andere Gruppierung im Rat weiter zu machen? Glauben wir mal an das Gute: Alle acht CDUler werden sich bewusst, dass es nicht um sie persönlich geht, sondern um das Wohl der Stadt. Alle werden sich bewusst, dass sie die Stimmen der Wählerinnen und Wähler bekommen haben, um sich nicht zu „fetzen“, sondern mit ihrem breiten Wissen zur Weiterentwicklung Leer beizutragen. Aber mit dem Glauben ist das ja so eine Sache…

Digitaltipp zum Sonntag: Schloss Evenburg

Die Allee zur Schloss Evenburg ist ein gern genommenes Fotomotiv. Ab dem 12. November findet in dem Schloss in Loga bis Januar 2022 eine Sonderausstellung mit dem Titel „Land der Alleen – die schönsten und wertvollsten Alleen in Niedersachsen vom Niedersächsischen Heimatbund“ statt. Die Ausstellung zeigt Alleen in all‘ ihrer Vielfalt. Neben der historischen Entwicklung wird vor allem die Bedeutung von Alleen für den Naturschutz und für den Erhalt der niedersächsischen Kulturlandschaften beleuchtet. Ein Grund mehr, einen Abstecher zum Schloss und seinem Park zu machen. Wer sich über Führungen und Öffnungszeiten informieren will – ein Klick hier genügt.

https://evenburg.landkreis-leer.de/Schloss-Park-Evenburg/Ausstellungen/Sonderausstellung/

Schönen besonders langen Sonntag (wegen der Zeitumstellung) wünscht HH

Holger HartwigAufgeschnappt – 31. Oktober 2021