DIE KOLUME – Muuhh: Ein stilisierter Pin schickt „Elsa“ aufs Altenteil

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Kennen Sie Elsa? Wenn Sie im Kreis Leer groß geworden sind, dann kennen sie vielleicht nicht den Namen, aber das Aussehen. Elsa ist die wohl berühmteste und zugleich älteste Kuh Ostfrieslands. Vor 39 Jahren (!) erblickte die schwarzbunte Kuh das Licht der Welt – und steht seitdem als das Logo-Wappentier vor grün-blauem Hintergrund mit einer Teetasse in den Klauen für die Ferienregion „Südliches Ostfriesland“ – für Radfahren, Wassersport, Urlaub bzw. schlichtweg Erlebnis und Erholung im Kreis Leer. Nun hat es Elsa nach fast vier Jahrzehnten erwischt – sie hat als „Logo“ das letzte „Muh“ gegeben. Sie muss einem modernen „Etwas“ weichen.

Dabei hätte es die Tourismus-Region mit den zehn Kommunen des Kreises und dem Landkreis gar nicht nötig, sich optisch zu modernisieren. Umsätze und Übernachtungszahlen kennen – bis auf kleine Ausnahmen – nur eine Richtung: Sie steigen und steigen. Nun soll ein – Zitat aus der Mitteilung der Kreisverwaltung Leer – „stilisierter Pin die Heimat in zeitgemäßen Farben und Grafiken symbolisieren: das Grün steht für Deiche und Weiden, das Blau für Wasser und Himmel, während das „S“ für Wasser sowie (Rad)wege steht“. Dazu sollen der Name und der Schriftzug „Erholsame Weite“ für eine zeitgemäße Darstellung und ein neues Corporate Design sorgen. Darauf ein kräftiges Muuuhhhh…

Zurück zu den Erfolgen: Die Umsätze der Tourismus-GmbH werden sich 2024 im Vergleich zu 2019 fast verdoppeln. Buchungen im Wert von etwa 2,5 Mio. Euro für Übernachtungsanbieter werden erreicht. Das ist ein neuer Spitzenwert. Insgesamt hat die Zahl der Übernachtungen im Nordsee-Hinterland in allen Unterkünften etwa eine Million erreicht. Diese Entwicklung verdient Respekt. Wer hätte Mitte der 1980er Jahre gedacht, dass Leer und Umgebung einmal so attraktiv werden. Der Erfolg ist hausgemacht. Bei der Qualität des Buchungssystems – das Motto lautete bereits weit vor dem heutigen App-Zeitalter „Buchen statt Suchen“ – war man anderen Regionen stets eine Länge voraus. Die Experten hatten vor langer Zeit den richtigen Riecher. Mit den Fahrradrouten – sie lassen sich heute kaum noch aufzählen, am bekanntesten sind die Fehn- und Dollartroute – wurde ein Trend erahnt, der voll eingeschlagen hat. Die Zahl der Radfahrer an einer der Messstellen im Kreis in Soltborg hat sich seit 2014 verdoppelt. Seit 10 Jahren sorgt nun auch der Friesland-Krimi im ZDF dafür, dass so manche Schön- und Besonderheit aus dem Kreis Leer Fremde neugierig macht. Jeder Gast gibt pro Übernachtung – so ermitteln die Statistiker – etwas mehr als 70 Euro aus. Wenn die Friesenbrücke und die Eisenbahn-Wunderlinie bald wieder „funktionieren“, ergeben sich sicher auch weitere Möglichkeiten. Die größten Risiken? Am ehesten der Fachkräftemangel und die Frage, ob „auf dem Land“ entlang der Fahrradstrecken die gastronomische Versorgung gesichert bleiben kann. Hier werden clevere Ideen gefragt sein.

Blicken wir noch einmal auf die traurige Elsa, die ab 2025 nicht mehr alle Prospekte und vieles mehr an zentraler Stelle zieren wird. Neue Akzente haben eine Chance verdient. Wie lange wohl wird die neue „Wort-Bild-Marke“ mit dem marketingtechnisch perfekt begründeten und in der digitalen Welt gut nutzbarem „S“ modern bleiben? Vier Jahrzehnte – so wie die Elsa – bestimmt nicht. Dazu ist das neue Logo doch zu sehr verwechselbar und Allerwelts-Allerlei. Und was bleibt Elsa als Trost? Ein Teil-Abschied auf´s Altenteil? Der Chef der Tourismus-GmbH, Kurt Radtke, macht etwas Hoffnung. Es werde dieser Tage nicht das letzte „Muh“ der Traditionskuh sein. Sie soll „auf jeden Fall“ weiter eingesetzt werden, zumal sie auch bei Kindern immer sehr beliebt gewesen ist. Wo wird sie wohl auftauchen, um mit dem – sorry – eher langweiligen „S“ gemeinsame Sache zu machen? Nichts Genaues weiß man. Aber vielleicht ist ja genau das wieder ein cleverer Marketing-Schachzug.

Holger HartwigDIE KOLUME – Muuhh: Ein stilisierter Pin schickt „Elsa“ aufs Altenteil