Fest steht: Das jahrzehntelange Motto „Leer – die Einkaufstadt Nr. 1“ gilt trotz der Veränderungen im Einzelhandel durch das Online-Geschäft weiterhin. Fest steht aber auch: Die Entwicklung des Handels raus aus den Innenstädten ins Internet wird weitergehen. Auch Leer wird in den nächsten Jahren neue Konzepte und Ideen benötigen, um dafür zu sorgen, dass „der Laden weiterläuft“. Die Chancen, dass der Wandel vom Handel hin zu einer Innenstadt mit attraktiven Wohn- und Freizeitangebot gelingt, stehen – trotz Krisen hier, Krisen da – sehr gut..
Warum? Gerade am Freitag hat die Johann Bunte Bauunternehmung SE & Co. KG aus Papenburg mit der Veröffentlichung ihres Konzeptes für die Neugestaltung auf der 8.000 Quadratmeter großen Fläche der Post in der Nähe zum Bahnhof signalisiert: Wir sind überzeugt vom Wohn- und Lebensstandort Leer. Entstehen sollen nach Abriss Gebäude mit Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss – etwa 2.500 Quadratmeter für Gewerbe und Dienstleistungen inklusive Büros und Praxen an der Georgstraße – und 100 bis 150 Eigentumswohnungen in den Obergeschossen. Bunte verspricht, dass „das neue Quartier die charakteristische Architektur der Stadt Leer in eine moderne Formensprache übersetzt“. Angestrebt wird dabei eine Energieversorgung ohne fossile Brennstoffe. Das Vorhaben gilt städtebaulich als das letzte Puzzlestück, um den Bereich zwischen Mühlenplatz und Bahnhof aufzuwerten. Zu welchen Preisen sie verkauft werden sollen – billig wird es sicherlich nicht angesichts der Lage – hat das Unternehmen noch nicht veröffentlicht. Dazu ist das Projekt noch zu sehr in der Anfangsphase.
Bunte investiert also in der Ledastadt. Und das, obwohl bekannt ist, dass am Hafenkopf ein weiteres Projekt mit attraktivem, hochpreisigem Wohnraum – der Quadratmeterpreis für die Eigentumswohnungen dürfte auch hier bei 5.000 Euro liegen – vorgesehen ist. Dort geht es aber seit einiger Zeit trotz vorliegender Genehmigungen aus Kostenanstiegsgründen und damit der Unsicherheit, ob sich Wohnungen am Ende verkaufen lassen, nicht voran. Für Leeraner hört sich der Preis sehr hoch an, in Großstadtlagen ist er mehr als Standard. Was die Investoren antreibt? Der Faktor, dass die Ledastadt für gut betuchte Rückkehrer und Menschen, die einen neuen Standort für ihr Leben suchen, weiterhin „hoch im Kurs“ steht. Jedenfalls berichten das Kenner der Leeraner Immobilienszene hinter vorgehaltener Hand. Gute Lagen lassen sich in Leer weiterhin gut vermarkten. Die Nachfrage auch aus weiterer Entfernung sei – Zitat – „zwar nicht mehr so stark wie vor der Zinswende und der Baukostensteigerung, aber weiterhin spürbar“.
Wann es bei dem Bunte-Projekt losgeht, ist noch offen. Ebenso, wie lange es noch dauert, bis beim Hafenkopf die Bagger anrollen. Aber: Die Wahrscheinlichkeit, dass 2025 etwas passiert, steigt, denn die Investoren können wieder kalkulieren. Die Lohnkostenentwicklung ist durch die Tarifabschlüsse absehbar, die Baukosten stabilisieren sich auf – hohem – Niveau. Bei den Zinsen geht es leicht abwärts. Die besten Vorzeichen, dass hochwertiges Wohnen in Leer doch realisiert werden kann.
Neben den großen Bauprojekten wird es auf die vielen kleinen Dinge ankommen, die in Leer angeschoben werden. Dabei stellt sich auch die Frage: Was ist aus den Ergebnissen der Bürgerbeteiligungs-Workshops geworden ist. Einige Anregungen der Dialoge aus November 2023 und zu Beginn 2024 werden umgesetzt. Stichwort Brunnenstraße: Die wird in etwa zwei Wochen zu einem „verkehrsberuhigten Geschäftsbereich“, wie es im Amtsdeutsch heißt, „umgewandelt. Im Klartext: Es soll mehr Aufenthaltsqualität geschaffen werden. Parkplätze verschwinden, die Außenbereiche vor den Geschäften und Cafès sollen attraktiv, z.B. mit Sitzmöglichkeiten, gestaltet werden.
Stichwort Aufenthaltsqualität. Die soll auch – selbst wenn die Stadt die Fördermittel für eine große Lösung zurückgegeben hat – auf dem Ernst-Reuter—Platz verbessert werden. Der Unternehmer hat ab 1. Juli – endlich – die Erlaubnis, für drei Jahre am Hafen eine „mobile Gastronomie“ anzubieten.
Ja und dann gehört zum angenehmen Wohnen und Leben in der Innenstadt auch die gute Versorgung mit Lebensmitteln. Das, was seit Jahren der Wunsch ist, scheint jetzt in Kürze Realität zu werden. In der Mühlenstraße wird noch in diesem Jahr ein Nahversorger eine Immobilie beziehen.
Reichen diese guten Entwicklungen aus? Können sich die Stadtverwaltung, die Immobilieneigentümer – sie leben auch von guter Vermietbarkeit, Projektentwickler zurücklehnen? Definitiv nein. Es muss und wird noch mehr kommen, damit die Leben- und Wohnqualität im Innenstadtkern – jahrzehntelang war eher die Wohnflucht in die Randgebiete Leers feststellbar – weiter steigt. Die Verwaltungsspitze im Rathaus denkt dem Vernehmen nach über ein aktiveres Leerstandsmanagement für Immobilien nach. Gemeinsam mit der Werbegemeinschaft als Partner wird zudem angestrebt, im zweiten Halbjahr 2024 – nennen wir es mal so – „Innovationsveranstaltungen“ anzuschieben, Sie sollen dazu da sein, gemeinsam mit Eigentümern, Händlern, Gastronomen und anderen Akteuren weitere Perspektiven für Investitionen in Aufenthaltsqualität zu finden.
Fazit: In Leer entsteht offenbar – trotz der allgemeinen Krise in der Wirtschat – eine Aufbruchstimmung. Die Schaffung neuer Gewerbefläche oder bereits feststehende Ansiedlungen, z.B. Tennet, waren die ersten Signale dafür. Projekte mit hochpreisigen Eigentumswohnungen sind ein weiteres. Es bleibt spannend, was in der Ledastadt als nächstes kommt.
In direktem Anschluss an das Zollhaus (links) will die Firma Bunte aus Papenburg auf der Fläche Bahnhofsring/Georgstraße ein Quartier mit vier- und fünfgeschossigen Häusern mit Eigentumswohnungen und Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss bauen.
Grafiken: JOHANN BUNTE Bauunternehmung SE & Co. KG