DIE KOLUMNE – Der Corona-Hammer: Heftige Strafbefehle gegen Leeraner Unternehmer und Steuerberater

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Sie denken, dass Unternehmen landauf landab hinter die schwierige Corona-Zeit einen Haken machen können? Falsch gedacht. Mindestens eine Handvoll Soloselbständiger, Unternehmen und deren Steuerberater haben in den zurückliegenden Wochen allein im Kreis Leer Strafbefehle erhalten, die alle der Vorwurf eint: Vorsätzlicher Subventionsbetrug. Es geht um teilweise nur geringe Summen, die außerdem von den Unternehmen und Soloselbstständigen längst freiwillig an die die Subventionen vergebende NBank zurückgezahlt wurden. Wer nun nicht gegen den Strafbefehl vorgeht, muss mehrere tausend Euro Strafe zahlen oder geht hinter „schwedische Gardinen“.

Was steckt dahinter? In nicht „Juristen-Deutsch“ und etwas verkürzt lässt es sich so zusammenfassen: Durch die Pandemie-Anordnungen des Staates (Lockdown etc.) 2020/2021 bangen Unternehmer um ihre Existenz. Sie freuen sich darüber, dass Land und Bund zur Unterstützung Förderprogramme im großen Stil aufsetzen. Um in den Genuss der Hilfen zu kommen, müssen die Betroffenen mit ihren Steuerberatern viel Papier bearbeiten und Anträge stellen. Es ist die Zeit, in der die Förderbedingungen fast täglich an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden, teilweise – das zeigt ein Fall – sogar über Nacht. Die Unternehmer stellen die Anträge und erhalten von der NBank – nach Prüfung derer Richtigkeit – Geld. Teilweise werden Anträge berichtigt und neu gestellt, erteilte Bescheide werden korrigiert, angepasst oder gar zurückgenommen. Kurzum: Viel „Hin und Her“ kennzeichnet diese unsichere, existenzangstauslösende Zeit. Der „Papierkram“ ist für alle Beteiligten eine Herausforderung. Zunächst ist alles gut. Steuerberater und Unternehmen freuen sich, dass diese nackte Existenzangst, die den Alltag fast aller Menschen im Land beherrscht, durch die Hilfsgelder etwas reduziert wird. Dann geht die Pandemie zu Ende. Vieles ist bessser gekommen, als befürchtet. Jahre später wird dann von der NBank – das ist der verlängerte Arm der Niedersächsischen Landesregierung für die Wirtschaftsförderung – geprüft, ob die Auszahlungen berechtigt waren. Gut so! Wer betrügt, muss auch zur Rechenschaft gezogen werden.

Kurz vor Weihnachten 2024 kommt dann in den vorliegenden Fällen für Unternehmer und Steuerberater im Kreis Leer der „Hammer“: Die NBank hat – auf wessen Veranlassung auch immer – die Informationen über Rückzahlungen bei Pandemie-Geldern an die Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Diese – in diesem Fall Staatsanwaltschaft Aurich – haben Überprüfungen der Fakten der längst erfolgten Rückzahlungen der Corona-Hilfen vorgenommen. Nachdem auch die Polizei ermittelt hat und „Täter“ angehört wurden, steht für die Staatsanwaltschaft fest: Vorsätzlicher Subventionsbetrug. Auf Anklagen wird verzichtet. Stattdessen werden beim zuständigen Amtsgericht Anträge auf Strafbefehle gestellt. Nun obliegt es den jeweils zuständigen Richtern, zu entscheiden, ob sie die „Tatbestände“ als ausreichend ansehen. In den vorliegenden Fällen haben die Richter entschieden, dass Unternehmer vorsätzlichen Subventionsbetrug begangen haben, und haben Strafbefehle erteilt. Das Ergebnis dieser „Ermittlungen“ ist allerdings befremdlich.

Fest steht: Das, was da durch die Staatsanwaltschaft ins Rollen gebracht wurde, hat eine gewisse Tragik. In einem der Fälle hatten bereits die Mitarbeiter der Förderbank in der eigenen Akte vermerkt, dass es sich aus ihrer Sicht nicht um einen Subventionsbetrug handelte. Trotzdem kam es zum Strafbefehl. Es ist schwer nachzuvollziehen, was da aktuell passiert. Mit nur etwas gesundem Menschenverstand müsste doch eigentlich erkennbar sein, dass in sehr vielen Fällen nicht „mit Vorsatz betrogen“ wurde, sondern schlichtweg die Anträge auf Corona-Hilfen zu undurchsichtig (z.B. sollte ein Kreuzchen bei „Dezemberhilfe“ und nicht bei „Überbrückungshilfe „gemacht werden), zu häufig geändert und dann auch noch durch die NBank falsch beschieden wurden. Dass der „Staatsapparat“ dann das „Durcheinander“ dieser verrückten Pandemie-Zeit jetzt so unsäglich fortsetzt, ist mehr als erschreckend. Hält das Gericht wirklich für erwiesen, dass ein Steuerberater seine Zulassung aufs Spiel setzt, um für seinen Mandaten eine Subvention etwas mehr als 1.000 Euro zu erschleichen? Gleiches gilt für die betroffenen Unternehmer – sollen sie tatsächlich ihre Steuerberater angewiesen haben, vorsätzlich falsche Angaben zu machen, um Beträge in geringer Höhe zu bekommen?

Offenbar konnte, wollte oder sollte nicht erkannt werden, dass die besondere „Pandemie-Lage“ hinter den oft aus schierer Existenzangst übereilt gestellten Anträgen auf Hilfsgelder gesteckt hat. Für die Unternehmer, Soloselbständige und vor allem für ihre Steuerberater haben die Strafbefehle – in einem der vorliegenden Fälle mit Fehlern in Anrede, Namen, Adresse und Grammatik – jedoch ganz gravierende Folgen. Sie müssen Widerspruch einlegen und vielleicht langwierigen Gerichtsverhandlungen entgegensehen. Ohne Widerspruch gilt der Strafbefehl akzeptiert – mit allen sich daraus ergebenden Folgen für den beruflichen und privaten Werdegang der Betroffenen.

Die Bekanntgabe der „Pandemie-Antrags-Betrugs-Rückzahlungs-Fälle“ durch die NBank löste einen Tsunami aus. Auch wenn derzeit noch nicht klar ist, wie viele der beschriebenen Fälle es landesweit gibt: Jeder der „nicht-vorsätzlichen“ Fälle ist einer zu viel. Die, die aus Existenzangst heraus Anträge auf Hilfen gestellt, und Gelder nach der ersten Aufforderung sofort zurückgezahlt haben, werden nun als „Straftäter“ angesehen, und sollen hohe Geldstrafen zahlen oder gar ins Gefängnis gehen. Es ist an der Zeit, dass nachjustiert wird. Die für die aktuelle Situation Verantwortlichen – die NBank, das Land Niedersachsen, die Staatsanwaltschaften und allem voran die zur Entscheidung berufenen Gerichte – sollten in sich gehen und nach Wegen suchen, wie dieser Irrsinn gestoppt werden kann.

Was auf jeden Fall erreicht ist? Kopfschütteln nicht nur bei denen, die zu „vorbestraften Betrügern“ gemacht werden sollen. In absehbarer Zeit stehen nun mündliche Verhandlungen an den Amtsgerichten an und es kommt dann – hoffentlich – in den beschriebenen Fällen zur Rücknahme der Strafbefehle, weil der gesunde Menschenverstand sich durchsetzt. Fest steht auch: Jeder Unternehmer wird sich künftig dreimal überlegen, ob er Förderanträge auf Staatshilfen stellt.

Symbolfoto: www.pexels.com

Holger HartwigDIE KOLUMNE – Der Corona-Hammer: Heftige Strafbefehle gegen Leeraner Unternehmer und Steuerberater