DIE KOLUMNE – Fördern, fördern, fördern: Zuhause im kostspieligen „Aller.Land“

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 Heute zu Beginn ein kleiner Erdkunde-Test: Wissen Sie, wo der Aller-Land liegt? Irgendwo in den Tiefen Mecklenburg-Vorpommerns? Entlang des Flusses Aller bei Verden? Oder etwa in Celle, wo die städtische Wohnungsgesellschaft „allerland“ heißt? Alles falsch: Das gesuchte Aller-Land hat seine Hauptstadt in Berlin, genauer gesagt in diversen Bundesministerien. Denn dort ist das 69,4 Millionen Euro schwere „Aller.Land“ – wie es offiziell geschrieben wird – kreiert worden. Und wen wundert´s? Auch der Kreis Leer hat seine Hut in den Ring geworfen, um zum Aller.Land zu gehören. Als eine der 93 Regionen wirft man im Kreishaus nun die seit Jahrzenten praktizierte „Förderprogramm-Maschine“ an. Projektbüro aufsetzen, Stellen einrichten und los geht´s. Allerdings: Aller.Land hat einige Besonderheiten, „verbrennt“ viel Geld mit Bürokratie und durch Projektbüros und kann für das Kreishaus zu einem Fallstrick werden.

Zu den Fakten: Bis Mitte 2025 erhält der Landkreis 40.000 Euro, um ein vielschichtiges Netzwerk und ein tragfähiges Konzept für „ein beteiligungsorientiertes Kulturvorhaben zu entwickeln“, wie es heißt. Gelingt es dann 2025 eine Jury zu überzeugen, dass gute Ideen entwickelt wurden, ist die Aufnahme in Phase 2 möglich. Bis zu 1,5 Mio. Euro könnten in den Landkreis fließen, um „regionale Konzepte zu erproben und umzusetzen“. Ausgewählt werden 30 Regionen. Macht mathematisch 45 Mio. Euro. Im Klartext: Bis zu 24,4 Mio. Euro der gesamten Fördersumme versickern irgendwo, landen nicht vor Ort.

Dazu kommt, dass dieses Programm – die wievielte „Sau“ dieser Art ist es, die aus Berlin oder Hannover in den vergangenen Jahren mit immer einfallsloseren Namen seit Jahrzehnten durch „die Dörfer getrieben“ wird? – nicht ohne Gelder aus dem Kreishaushalt auskommt. Bereits beschlossen ist, dass bis 2030 insgesamt 150.000 Euro bereitgestellt werden. Das sind die geforderten 10 % Kofinanzierung. Für den Kreis könnte sich diese Kofinanzierung als besonders bitter herausstellen, da es sich um eine freiwillige Leistung handelt. Besagte freiwillige Leistungen stehen bei der Frage, wie hoch die Kreisumlage – das ist das Geld, was der Kreis den Kommunen jährlich abknöpft – besonders im Fokus. Bekanntermaßen protestieren und klagen einige Kommunen gegen die Höhe der Umlage. Übrigens – wie jüngst zu vernehmen ist – auch gegen die Umlage für 2024, Landrat Groote (SPD) scheint es wiederum nicht gelungen zu sein, mit den Kommunen eine tragbare Kompensationslösung ausverhandelt zu haben.

Zurück zu Aller.Land. Die ersten Schritte sind gegangen. Der Kreis Leer wollte zunächst mit einer mobilen „Denkwerkstatt“ einsteigen. Diese sollte ein Bauwagen sein, der zu Orten und Schulen fährt und zum Mitdenken sowie Mitgestalten anregen sollte. Bis jetzt ist es um die Bauwagen-Idee ruhig geworden. Im April gab es hingegen drei Treffen, zu denen Bürger eingeladen wurden. Was dabei an Ergebnissen steht, ist bisher offenbar nicht veröffentlicht. Konkret ist der Ansatz, im Frühsommer 2025 im Schloss Evenburg eine Ausstellung zu zeigen. Bürger sollen dafür Bilder malen, Landschaften fotografieren oder mit Materialen aus der wie Ton, Sand, Torf und Wasser basteln. Zitat aus der Beschreibung: „… auch ein Foto deiner Sandburg ist willkommen.“ Man darf schon jetzt sehr gespannt sein, ob es damit und mit noch nicht bekannten Maßnahmen gelingt, die Jury zu überzeugen.

Ebenso ist mit Spannung zu erwarten, welche Kultur und welche Projekte am Ende gezielt gefördert werden könnten. Eines ist klar und zeigt, wie wenig Gespür für die Landregionen in den Ministerien ist: Die „Kulturhauptstadt“ im Kreis Leer, Leer selbst, ist so gut wie aus dem Rennen. Das Zollhaus oder andere Träger müssten schon sehr genau begründen, wie und warum sie mit Partnern aus dem Umland agieren, um begünstigt zu werden. Leer selbst ist wohl nicht ländlich genug. Fest steht, dass nun erst einmal die Förderprogramm-Mechanismen zuschlagen. Die „Jobmaschine Kreisverwaltung“ schafft in Zeiten des Fachkräftemangels weitere 1,5 Stellen in einen Projektbüro.

All` das macht nachdenklich. Warum muss es immer wieder ein neues Förderprogramm sein? Warum können Bund und Land den Kommunalverwaltungen nicht einfach mehr Geld für Kultur etc. bereitstellen? Es wäre doch hervorragend, wenn dann die vorhandenen Mitarbeiter der Kreisverwaltungs-Behörde mehr Möglichkeiten hätten, zur Kreisgestaltungs-Behörde zu werden. Aber ist wohl zu einfach gedacht. Denn dann könnten sich die zuständigen Minister nicht mehr für ihre Förder-Wohltaten feiern lassen. Und das scheint wichtiger zu sein, als alles andere. Mehr „Kohle“ würde jedenfalls ohne immer wieder neue Förderprogramm dort landen, wo sie gebraucht wird.

Das Poster,  mit dem der Kreis für eine Beteiligung am Projekt „Aller.Land“ wirbt.

Holger HartwigDIE KOLUMNE – Fördern, fördern, fördern: Zuhause im kostspieligen „Aller.Land“

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