DIE KOLUMNE: Halbzeit-Bilanz für den „Leer kann mehr“-Bürgermeister

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Halbzeit für den „Leer kann mehr“-Bürgermeister: Der „Manager“ der Stadt Leer, Claus-Peter Horst („CPH“), hat die Hälfte seines Fünf-Jahres-Vertrages bereits hinter sich. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen: Was hat in der ersten Hälfte gut funktioniert? Was waren Fehlschüsse oder gar Eigentore? Was bringt die zweite Halbzeit? Wie stehen die Chancen auf eine „Vertragsverlängerung“?

Was hat gut funktioniert?

Zusammenarbeit mit Aufsichtsrat und Mitarbeitenden: Um das Rathaus ist es ruhig geworden. Infos dringen nur noch selten an die Öffentlichkeit, bevor die Entscheidungsprozesse abgeschlossen sind. Die Arbeit des Aufsichtsrates (Stadtrat) untereinander und mit dem Rathaus ist wieder von Vertrauen geprägt und sehr sachorientiert. Teilweise wurden Strukturen neu geordnet, um effizienter zu werden.

Infrastruktur: Zentrale Baustellen der Infrastruktur wurden angegangen. Leer bekommt – mit einer großen Millionenförderung durch das Land – wieder neue Gewerbeflächen an der Autobahn und in Leer-Nord. Dort können sich Firmen Mitarbeiter einstellen und zu Steuerzahlern werden. Zudem ist es gelungen, neue Wohngebiete (NLG-Projekt Richtung Eisinghausen) und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum (ca. 50 neue Wohnungen will die städtische KWL in den nächsten Jahren bauen) auf den Weg zu bringen.

Finanzen: Das Versprechen, die Finanzlage zu sortieren, wird eingelöst. Fehlten jahrelang Jahresabschlüsse (seit 2014) und damit eine fundierte Basis, werden jetzt jährlich zwei Abschlüsse vorgenommen. Mit der Entscheidung, erstmals einen Doppelhaushalt für 2023/24 zu verabschieden, besteht mehr Planungssicherheit. Bei der Ausgabenpolitik ist mehr Realismus eingezogen (z.B. Reduzierung der Planungen Feuerwehrhaus Nüttermoor, Rückgabe einer Förderung durch das Land für die Ledastraße).

Nachwuchsförderung: Seit dem Amtsantritt wurde die Situation der Nachwuchsförderung in den Fokus gestellt. Mit einer ganzheitlichen Bestandsaufnahme der „Leistungszentren“ ist eine umfänglichen Schulbauoffensive auf den Weg gebracht worden.

Umfeld: Die Kommunikation rund um das Rathaus mit Wirtschaft, Vereinen und Verbänden wurde intensiviert. Das Zusammenspiel vor allem mit Blick auf Aktivitäten in der Leeraner Innenstadt hat sich verbessert.

Was hat nicht funktioniert?

 Neueinkäufe: Der größte Flop ist die Verpflichtung des als Leistungsträger gedachten, mittlerweile „freigestellten“ Stadtbaurats Rainer Kleylein-Klein. Sein langfristiger Vertrag wird die Stadt einen Millionenbetrag kosten. Das war ein klassisches Eigentor.

Zusammenarbeit mit Partnern: Das Miteinander mit dem Landkreis Leer als einem der wichtigsten Partner ist weiterhin weitgehend gestört. Die „Chemie“ auf Sachebene scheint mit Landrat Matthias Groote (SPD) nicht zu stimmen. Eine Klage wegen der Kreisumlage läuft, beim EWE-Gelände ist wenig Vorankommen zu sehen, bei Leer-Nord tritt Groote ohne Rücksprache als Geschäftsführer zurück.

Klimaanpassung: Im Wahlkampf hat Horst vollmundig angekündigt, dass „Leer sich beim Klimaschutz ehrgeizigere Ziele setzen muss, um bis 2035 eine klimaneutrale Stadt zu sein“. Klima war eines seiner Top 3 Themen. Passiert ist bisher (fast) nichts. Hier scheint die Realität das Wunschdenken eingeholt zu haben.

Mikromanagement: Viele eher kleinere Themen, die Horst anpacken wollte, sind bisher liegen geblieben, sei es eine neue Struktur für den ÖPNV der Stadt oder das Konzept für den regionalen Fahrradverkehr. Auch könnte die Bürgernähe des Rathauses noch etwas Schwung vertragen. Wer ein Anliegen hat, benötigt für fast alles einen vorab (langfristig) vereinbarten Termin und viele Bereiche haben nur noch begrenzte telefonische Sprechzeiten. Das ist zwar der Trend bei den Behörden, macht es aber nicht besser.

Was ist in Hälfte Zwei zu erwarten?

Um die zweite Hälfte mit einer positiven „Titelsammlung“ abzuschließen, muss die erneute Baurat-Suche ein Erfolg werden. Zudem rücken viele Klima-Themen verstärkt auf die Tagesordnung. Wie sieht die Wärmeplanung aus, die für alle Leeraner mit Blick auf die ihr Zuhause bedeutsam ist, und wie gelingt es, die städtischen Immobilien klimaneutral zu machen? Wie lässt sich die Innenstadt durch Einbindung der Eigentümer und noch intensiveres Standortmarketing attraktiv halten? Wie kann bei dem EWE-Gelände Tempo aufgenommen werden? Wie ist es zu schaffen, bei zu erwartenden geringeren Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen, die Finanzen im Griff zu halten?

 

Fazit: Leer kann mehr und wird noch mehr können. Gute Aussichten für den „Manager“ auf eine Vertragsverlängerung durch die Ledastädter im Herbst 2026 sind gegeben. Zu selbstverständlich sollte es aber nicht sein, dass CPH (Foto)  eine Verlängerung seinerseits anstrebt. Vor allem, weil es durch die Folgen der Pandemie und des Ukraine-Krieges mit den Flüchtlingen sowie dadurch weniger Einnahmen nicht leichter wird, die Stadt aktiv zu gestalten. Allerdings darf CPH darauf hoffen, dass es bis 2031 wieder eine wirtschaftliche Aufschwungphase gibt. Dann ist die planerische Vorratspolitik an Gewerbe- und Wohnflächen ein Joker. Zurecht sieht der „Manager“ großes Potenzial, wenn es um die Energiewende geht. Tennet ist bereits fest unter Vertrag, für die Umwandlung des Offshore-Stroms beispielsweise zu Wasserstoff hat Leer mit den Gaskavernen eine Option. Zudem dürften dann auch viele der Großprojekte von Investoren, die im Moment ob der wirtschaftlichen Gesamtlage „auf Eis“ gelegt sind, realisiert werden. Diese „Titel“ wird CPH mitnehmen wollen.

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Halbzeit-Bilanz für den „Leer kann mehr“-Bürgermeister