Die Stadt Leer steht unter Zugzwang – bei einem Thema, dass keinem Ratsmitglied und am Ende auch den Menschen der Stadt „schmecken“ dürfte. Nachdem in der zurückliegenden Woche der Doppelhaushalt 2023/24 mit prognostiziertem Minus von 4,13 Mio.Euro in 2023 und 5,82 Mio. in 2024 beschlossen wurde, macht die Niedersächsische Kommunalverfassung eine gnadenlose Vorgabe: Es muss einerseits gespart, andererseits aber auch die Einnahmenseite verbessert werden. Im Klartext: Weniger Geld für sinnvolle Ausgaben, höhere Kosten bzw. Gebühren für die Bürger für Leistungen, die sie von der Stadt in Anspruch nehmen. Kaum ein Bürger wird die angedachten Einschnitte nicht zu spüren bekommen.
Im Behördendeutsch heißt das Maßnahmenpaket, über das nun die Politik diskutiert, „Haushaltssicherungskonzept“. Es verfolgt drei Ziele: eine klare Festlegung, bis wann die Stadt kein laufendes Minus mehr produzieren will, wie das „Loch“ abgebaut werden kann und wie erreicht wird, dass ab 2025 die Schulden nicht weiter ansteigen. In Zahlen bedeutet das: Bis 2028 sollen die jährlichen Einnahmen von 283.000 Euro in 2023 auf 7,3 Mio. Euro (!) erhöht werden. Die Ausgaben sollen im gleichen Zeitraum um 193.000 Euro in diesem Jahr bis 1,77 Mio. Euro in fünf Jahren reduziert werden. Was sind das für Summen, die da vor allem aus den Portemonnaies der Unternehmen und Bürger zusätzlich kommen sollen?
Der Blick in die Details zeigt auf, wo mehr zur Kasse gebeten wird. Diverse Steuern werden angehoben oder sogar neue eingeführt. So ist die Anhebung der Realsteuersätze (ab 2024 + 300.000 Euro jährlich, ab 2026 + 600.000 Euro p.a.) und der Vergnügungssteuer (+ 90.000 Euro) denkbar, die Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer (+ 25.000 Euro) und einer Übernachtungssteuer wie in großen Städten (bis zu 250.000 Euro) vorgesehen und die Hundesteuer wird erhöht (+ 30.000 Euro). Auch bei den Gebühren soll sich etwas tun. Das Parken in der Innenstadt soll mehr kosten (Anstieg um 11 Prozent, Mehreinnahmen 100.000 Euro), die Gebühr für die Schleuse soll um 25 Prozent steigen (+ 8.000 Euro) und die Beschicker der Märkte sollen bis zu 34.000 Euro pro Jahr zahlen. Einen großen Batzen „Geld“ (bis zu 450.000 Euro) soll das „Plytje“ bringen. Die Institutionen, die das Bad nutzen – u.a. auch Vereine – sollen mehr zahlen und von den Umlandgemeinden soll Geld eingeworben werden, da auch dortige Bürger nach Leer zum Schwimmen kommen.
Was sich bei den Ausgaben verändern soll? Für die Vereine und Institutionen viel. Die Vereinsförderung soll pro Jahr um 30.000 Euro weniger werden (beim Heimatverein steht sogar eine Kürzung der Zuwendung um knapp 30 Prozent an) und bei den freiwilligen Ausgaben für Kultur, Jugend etc. könnte um 50.000 Euro gekürzt werden. Außerdem soll der Zuschuss an die VHS fast halbiert werden (30.000 Euro weniger).
Es stehen nicht nur Maßnahmen mit „Bürgerbezug“ zur Debatte. Die Verwaltung will unter anderem durch zentrales Controlling, ein verbessertes Versicherungsportfolio, Digitalisierung beitragen (rund 75.000 Euro), die Politik durch die Auflösung der seit 2017 bestehenden Hauhaltsicherungskommission (50.000 Euro). Zudem sollen Wartungskosten für Gebäude gesenkt werden, nicht genutzte Gebäude oder Grundtücke verkauft werden (2028 soll das allein 950.000 Euro „bringen“). Außerdem sollen diverse Energiesparmaßnahmen durch Sanierungen und Veränderungen bei der Straßenbeleuchtung etc. Ausgaben reduzieren. Eine lange Liste, mit insgesamt 28 Punkten – darunter übrigens auch ein Projekt mit der Stadt als Spendensammler: mit Crowdfunding sollen für freiwillige Leistungen Spenden gesammelt werden, so erstmals für das 200-jährige Stadtjubiläum.
Ob das alles so kommt? Die Vergangenheit lehrt bei dieser Art von Konzepten, dass viel Wasser die Ems und Leda hinunterfließt. Auch wenn das Haushaltsrecht in diesem Punkt eigentlich gnadenlos ist, wurde von höherer Stelle bisher nicht eine Konsolidierung der Finanzen „auf Biegen und Brechen“ eingefordert. Es hat ja schließlich auch bisher irgendwie trotz schlechter Kassenlage „funktioniert“…
Übrigens: Bürgermeister Claus-Peter Horst stellte in der Sitzungsvorlage bereits fest: „Rat und Verwaltung haben in der Vergangenheit bereits viel umgesetzt. Vor diesem Hintergrund ist es äußerst ambitioniert, wirklich gehaltvolle neue Haushaltssicherungs-Maßnahmen zu konzipieren.“ Vieles sei bereits in der Vergangenheit diskutiert worden und müsse nun neu beraten werden. Und dann spielt er den Ball der Politik zu: Möglicherweise gibt es auch noch weitere Ideen aus den Reihen der Politik fürs Sparen und Geldeinnehmen. Mal sehen, wie einfallsreich die Parteien am Ende sind und wie clever die Maßnahmen dann verkauft werden. Fest steht: Die Bürgerinnen und Bürger sowie Firmen werden es wie immer zahlen – über Steuern und Gebühren, reduzierte Angebote und Mehrkosten für Vereinsmitgliedschaften.
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