DIE KOLUMNE – Zeit ist Geld: Drei kostspielige Beispiele aus dem Kreis Leer

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„Zeit ist Geld“ – diese Erkenntnis teilte Benjamin Fraklin bereits 1748 in seinem Buch „Ratschläge für Kaufleute“ mit. Er machte damit deutlich, dass Zeit so wertvoll wie Geld ist und deshalb sinnvoll genutzt werden sollte. In Anlehnung an Franklin wissen alle, die in den vergangenen Jahren in den Bau oder die Sanierung von Immobilien investiert haben: Zeit kostet – viel – Geld. Seit 2015 sind die Baukosten um 63,3 Prozent angestiegen, sagt der deutschlandweite Baukostenindex. Fast 40 Prozent des Anstiegs fallen dabei auf die letzten drei Jahre. Für Bauherren, die ihre Projekte nicht mit Tempo angegangen sind, ist das bitter. Wie drei Beispiele aus dem Kreis Leer zeigen, wird die Verzögerung manches Mal auch für die Steuerzahler teuer.

Beispiel 1: Das EWE-Gelände in Leer

Der Landkreis hat sich als Käufer bereits ab August 2015 nach und nach die etwa 13.400 Quadratmeter große Fläche (Foto) in bester Innenstadtlage vertraglich für insgesamt 3,75 Mio. Euro gesichert. Bereits 2014 fasste der Leeraner Stadtrat den ersten Aufstellungsbeschluss, dass auf dem Grundstück Bildung Vorrang haben soll. Durch Sanierungsarbeiten auf dem Gelände hat sich der Eigentümerwechsel lange hingezogen. Nun soll er in absehbarer Zeit vorgenommen werden. Seit vielen Jahren ist auf der Fläche baulich nichts passiert, die Häuser an der Ubbo-Emmius-Straße sind zwischenzeitlich sogar verrottet. Nun – endlich – geht es voran. Seit wenigen Wochen läuft – so die Kreisverwaltung – „ein Vergabeverfahren für die Durchführung einer sogenannten ,Phase Null‘ zur Erarbeitung eines Bedarfsplans unter Beteiligung der potenziellen Nutzergruppen“. Im Klartext: Nun wird konkret geschaut, was denn wohl Sinnvolles entstehen könnte, nachdem die Stadt erste Ideen für ein Verwaltungsgebäude „zurückgewiesen“ hat. Fest steht für die Kreisverwaltung: Mit einem Abschluss der Bedarfsplanung ist nicht vor Ende 2025 zu rechnen. Vorher könne auch das Bauleitplanverfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans nicht sinnvoll abgeschlossen werden. Das Verfahren wird dann, so sagen Experten, bis zu zwei Jahre dauern. Bis ist Ende 2027 wird die Fläche dann in Summe mehr als eine Dekade brachliegen. Kurzum: Vielleicht hätte der Landkreis statt „Phase Null“, was ja sowieso schon ein lustiger Titel ist, korrekterweise „Phase minus Neun“ schreiben sollen. Das würde fair dokumentiert, dass eine halbe Ewigkeit planungstechnisch nichts passiert ist. Womit begründet der Kreis sein zögerliche Handeln? Man sei ja noch nicht Eigentümer. Das ist und bleibt Unfug. Überlegungen und Baurecht für ein Grundstück, das einem vertraglich unwiderruflich gehören wird, dürfen – zumal es sich beim Kreis auch noch um eine öffentliche Institution handelt – jederzeit angestellt werden. Nur dauert und dauert es – und jeder Tag kostet Geld.

Beispiel 2: Feuerwehrtechnische Zentrale (FTZ)

Der Neubau der FTZ (das Foto zeigt den aktuellen Standort auf der Nesse in Leer) war ursprünglich im Gewerbe- und Industriegebiet Leer-Nord vorgesehen. Jahrelang wurde geplant. Ende 2021 wurde dann durch die Kreisverwaltung vorgeschlagen, doch lieber an einem Standort in Brinkum auf einem Schulgrundstück zu bauen – und das, obwohl für Leer-Nord sogar schon der Bauantrag gestellt war. Anfang April 2021 erklärte die Kreisverwaltung noch zum FTZ-Neubau in Leer: „Der Baubeginn im ersten Quartal 2022 und die Fertigstellung im dritten Quartal 2023 werden weiterhin anvisiert.“ Begründet wurde dieser nicht nur für die Politik überraschende Sinneswandel u.a. damit, dass in Leer-Nord der Untergrund nicht so tragend sei (was jeder Interessierte seit Jahren weiss) und die Kosten für die Gebäudegründung damit höher ausfallen. Zudem wurde – ganz im Ernst – das Thema „Hochwasserschutz“ genannt. Wenn es zu einem Deichschaden mit Überflutungen kommen würde, würde Brinkum im Gegensatz zu Leer-Nord einige Meter über dem Meeresspiegel. Was das Ergebnis des Sinneswandels ist? Aktuell heißt es aus dem Kreishaus, dass das FTZ im Sommer 2028 fertig sein soll. Das ist wieder ein sattes plus von 12 Monaten im Vergleich zum zuletzt bekanntgegebenen Termin. Warum das so ist? Zitat aus dem Kreishaus: „Das komplette Gelände muss parallel einer archäologischen Untersuchung überlassen werden (…) Die Dauer dieser Ausgrabungen hängt stark von den Befunden ab und kann u. U. bis zu einem halben Jahr währen.“ Geplanter Baustart: 1. Quartal 2025. Wie sich die Kosten entwickeln? Dazu der Kreis: „Aktuell werden die getroffenen Kostenannahmen abgeglichen und angepasst. Konjunkturell bedingte Steigerungen sollen dabei durch Einsparungen z. T. kompensiert werden. Die so ermittelten Kostenstände werden zunächst der Politik vorgestellt.“ Bleibt die Frage, wie einige Jahre lang Leer-Nord beplant werden konnte, um dann kurz vor Torschluss festzustellen, dass dort Überflutung droht und die Bodenverhältnisse schwierig sind. Das sind keine Neuheiten. Das Plus an Zeit im Vergleich zum Standort Leer-Nord: Fünf Jahre. Zeit kostet Geld.

Beispiel 3: Kfz-Zulassungsstelle/Straßenverkehrsamt

Seit Jahren ist die Rede von einem Umbau oder einem Neubau der Kfz-Zulassungsstelle/Straßenverkehrsamt an der Ringstraße in Leer (Foto unten). Hier hat die Politik bereits vor mehr als fünf Jahren für das Haushaltsjahr 2019 Planungskosten von 250.000 Euro beschlossen und eine Verpflichtungsermächtigung über 2,25 Millionen Euro gegeben. Passiert ist bisher hinsichtlich Entwurfsplanungen nichts. Ganz aktuell – so pfeifen es die Spatzen vom Kreishausdach – soll aus Kostengründen auf einen Neubau verzichtet werden. Hier zeigt sich: Zeit kostet Geld, die internen Kreishausberechnungen gehen davon aus, dass ein Neubau insgesamt fast 7 Mio. Euro für 1.500 Quadratmeter Nutzfläche kosten würde. Bei den hohen Kosten sollte wohl ein richtig schickes Gebäude werden.

Der Kreis will nun aber stattdessen, das ergeben die Recherchen, im Stadtgebiet ein Gebäude anmieten. Sehr konkrete Verhandlungen laufen wohl bereits. Auch dabei geht es am Ende um viel Geld, denn langfristige Mietverträge haben ihren Preis. Das Gelände an der Ringstraße hingegen könnte nach dem Umzug dann für andere Zwecke genutzt werden, so z.B. ist der Neubau einer Rettungswache im Gespräch. Wie der derzeitige Stand ist? Dazu wollte sich das Kreishaus nicht äußern, „da die Anfrage zur Zulassungsstelle und der Rettungswache ein laufendes / schwebendes Verfahren tangieren, welches eine entsprechende Diskretion erfordert“.

Hinter den Kulissen wird von der Verwaltung in Richtung Politik wohl auch argumentiert, dass diese angedachte Lösung sinnvoll ist, da es schwierig sei, in der Stadt für beide Objekte passende Grundstücke zu finden. Ob die Stadt Leer bei der Suche einbezogen wurde und z.B. der Dorfplatz vor dem Sportheim des VfR Heisfelde – Porsche baut dort ja nicht – diskutiert wurde? Die weiteren, bestimmt dann auch öffentlichen Diskussionen, werden es ans Tageslicht bringen. Hauptsache, es werden dann schnell sinnvolle, durchdachte Entscheidungen vorbereitet und beschlossen.

 

Drei Beispiele – eine Erkenntnis:

Zeit kostet immer – und manchmal auch sehr viel – Geld. Wäre das Kreishaus ein Unternehmen, würde der Geschäftsführer von seinen Gesellschaftern bzw. seinem Aufsichtsrat wegen der Zeit- bzw. Kostenaspekte „auf den Pott“ gesetzt werden, weil Projekte unter seiner Führung lange dauern und immer wieder die Richtung gewechselt wird. Wäre der Geschäftsführer an seinem Job und daran interessiert, für sein Unternehmen jeden Tag das Beste zu leisten, würde er seine verantwortlichen Mitarbeitenden im Bereich Bauen/Immobilien auf Trab bringen oder sich ggf. von ihnen trennen. Sein klares Ziel wäre: Bei Projekten mit Bedeutung Tempo aufnehmen. Aber der Kreis ist nun mal kein Unternehmen. Es gibt keinen Geschäftsführer, sondern den von den Bürgern gewählten Landrat Matthias Groote (SPD). Zudem gibt es auch keinen angestellten Bereichsleiter, sondern die von der Politik auf Zeit gewählte Baurätin Jenny Daun. Beide stehen in den nächsten zweieinhalb Jahren zur Wiederwahl an.

Holger HartwigDIE KOLUMNE – Zeit ist Geld: Drei kostspielige Beispiele aus dem Kreis Leer