Können Sie sich vorstellen, Miteigentümer eines Flugplatzes zu sein? Können Sie sich vorstellen, dass Sie bei Investitionen nicht mitbezahlen müssen? Und können Sie sich vorstellen, dass Sie als Miteigentümer auch die jährlichen Verluste von mehreren hundert Tausend Euro nicht mit übernehmen müssen? Wenn Sie sich das nicht vorstellen können, dann lesen Sie weiter…
Zu Beginn müssen wir über 50 Jahre zurückgehen. Auf einer Wiese in Leer-Nüttermoor wird auf private Initiative ein kleiner Flugplatz geschaffen. Es dauert nicht lange, bis deutlich wird, dass ein Flugplatz in privater Hand in Ostfriesland keine Goldgrube ist. Also wird 1970 eines der deutschlandweit wohl ersten Privat-Öffentlichen-Unternehmen – seit einigen Jahren besser bekannt als Privat-Public-Partnership (PPP) – aus der Taufe gehoben. Stadt und Landkreis Leer gründen mit Privatpersonen die Flugplatz Leer-Nüttermoor GmbH, heute Leer-Papenburg. Ihre Aufgabe bis heute: die Förderung des Luftverkehrs und des Flugsports im Landkreis Leer und im nördlichen Emsland.
Öffentliche Hand bezahlt den Ausbau
Die Jahre vergehen, der Flugbetrieb nimmt zu (heute bis zu 20.000 Starts und Landungen pro Jahr) und auch in den Flugplatz, der vom Land, Kreis und Kommunen als Infrastruktur mit öffentlicher Bedeutung gesehen wird, wird investiert. Mehrere Millionen Euro kommen bis heute zusammen, beispielsweise für den Bau einer Nachtbefeuerungsanlage oder die kontinuierliche Start- und Landebahn. Das Besondere daran: Der Ausbau wird mit Fördermitteln und Zuschüssen aus öffentlicher Hand bezahlt…
So vergehen die Jahre – und ab und an ändern sich fernab der öffentlichen Wahrnehmung – auch die Eigentumsverhältnisse hinter den Kulissen. Eines bleibt: die Kombination aus kommunalen Eigentümern, Privatleuten und privaten Unternehmen. Alle Beteiligten freuen sich, dass der Flugplatz über die Jahre moderner wird und der Flugbetrieb konstant stattfinden kann.
Ein Flugplatz mit 13 Eigentümern
Wer sind also aktuell die Eigentümer? Zuallererst der Landkreis Leer, die Stadt Leer sowie aus dem Emsland die Stadt Papenburg und der Kreis Emsland. Letztere sind erst in den 1990er Jahren dazu gestoßen, da der Flugplatz stark von den großen Unternehmen aus dem Emsland (z.B. Meyer Werft) genutzt wird.
Nachfolgend die Übersicht der Gesellschafter der GmbH (Daten: Stand Jahresabschluss 2018):
Landkreis Leer: 104.175,72 Euro / 42,89 Prozent
Stadt Leer: 66.148,39 Euro / 27,24 Prozent
Sparkasse LeerWittmund: 28.121,05 Euro / 11,58 Prozent
NH Beteiligungen GmbH: 14.060,53 Euro / 5,79 Prozent
Herr Enno Poets: 7.030,26 Euro / 2,89 Prozent
CEKA Centralkaufhaus: 3.515,13 Euro / 1,45 Prozent
Hartema GmbH: 3.515,13 Euro / 1,45 Prozent
Herr Hinrich Schmidt: 3.515,13 Euro / 1,45 Prozent
Herr Hermann Brandt: 2.556,46 Euro / 1,05 Prozent
Landkreis Emsland: 2.556,46 Euro / 1,05 Prozent
Herr Harald Holtz: 2.556,46 Euro / 1,05 Prozent
Fa. modern optic (bzw. Rechtsnachfolger): 2.556,46 Euro / 1,05 Prozent
Stadt Papenburg: 2.556,46 Euro / 1,05 Prozent
Stammkapital 242.863,64 Euro / 100,0 Prozent
Hinweis: Die Anteile der Firma modern optic sind zwischenzeitlich aufgrund eines ausgeschlagenen Erbes an das Land Niedersachsen gefallen.
Keine Gelddruckmaschine, sondern Minusgeschäft
Nun ist es so, dass ein Flugplatz alles andere als eine „Gelddruckmaschine“ ist. Nein, es werden durch die GmbH kontinuierlich Verluste produziert:
2014: minus 183.389 Euro
2015: minus 137.000 Euro
2016: minus 117.000 Euro
2017: minus 208.000 Euro
2018: minus 414.000 Euro
Ok, denken Sie. Wenn ich an einem Flugplatz beteiligt bin, der jedes Jahr aus dem laufenden Betrieb nur Verluste bringt, dann ist das keine gute Beteiligung. Stimmt. Gäbe es da nicht eine Regelung in der Gesellschaft, die für die privaten Anteilseigner einen großen Vorteil hat.
Zitat gefällig: „Die Gesellschaft benötigt zur Verfolgung des Unternehmensgegenstandes regelmäßig Zuwendungen ihrer Gesellschafter. Dies liegt in der Eigenart des Geschäftes begründet. Die Gesellschaft erfüllt zu einem erheblichen Teil verkehrliche Infrastrukturförderung. Die Zuschüsse zu den laufenden Aufwendungen und den verbleibenden Investitionskosten der Gesellschaft werden von den Gesellschaftern Landkreis Leer (45 %), Landkreis Emsland (12,5 %) sowie von den Städten Leer (30 %) und Papenburg (12,5 %) aufgebracht.“
Das bedeutet im Klartext: Die Verluste der GmbH werden ausschließlich durch die öffentliche Hand getragen. Die Privateigentümer werden nicht zur Kasse gebeten.
Ok. Und wie sieht es denn mit dem Wert der Anteile aus? Dazu lohnt es sich, in die Bilanz der Flugplatz GmbH zu schauen. Die Bilanzsumme beläuft sich auf 863.000 Euro (Stand 31.12.2018). Die Eigenkapitalquote betrug Ende 2018 satte 84,13 Prozent. Das Anlagevermögen wird mit knapp 553.000 Euro ausgewiesen. Zur Erinnerung: 1,05 Prozent der risikofreien Beteiligung (weil man ja von allem, was kostet, freigestellt ist) werden mit 2.556 Euro Einlage beziffert. Was der Flugplatz, in den letzten Jahrzehnten etwa drei Millionen Euro an (Fördergeld)-Investitionen, tatsächlich wert ist? Rein spekulativ. Auch ist rein spekulativ, was die Unternehmer – teilweise in Personalunion – dafür gezahlt haben, dass sie selbst auf Grundstücken in Nüttermoor im Umfeld des Flughafens investieren durften. Manches Geschäft soll ja auch erst richtig interessant sein, wenn man das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet (aber auch das ist rein spekulativ).
Unternehmer investieren am Standort
So verlegte das Unternehmen Flugwerft Hangar-1 Ende April 2020 seinen Hauptsitz vom Flugplatz Oldenburg-Hatten in eine Halle am Flugplatz. In Nüttermoor zieht es in eine von zwei neuen Hangar-Hallen ein, die Investor Helmuth Sandersfeld neben dem Flugplatz geschaffen hat. Ein siebenstelliger Betrag wird nach Sandersfelds Angaben auf dem 2,3 Hektar großen Gelände neben dem Flugplatz in die Hand genommen. Neben der Flugwerft sollen dort Stellplätze geschaffen werden. Unternehmer Sandersfeld, selbst Hobby-Pilot, sagte damals in den Medien: „Es gibt Interessenten aus ganz Ostfriesland, aus Wilhelmshaven und sogar aus Nordhorn.“ Einen modernen Hangar baut ein Unternehmer jedenfalls bestimmt nicht (nur) in Nüttermoor, weil er zu viel Geld hat (Anmerkung am Rande: Der Bau der Halle hat durch die Lkw, die die Baustoffe geliefert haben, zur Begeisterung der Anlieger nebenbei die Zufahrtstraße „zerlegt“).
Zurück zu den Gesellschafterstrukturen und Anteilsverkäufen. Rein spekulativ ist, welchen Wert ein einprozentiger Anteil an der Flugplatz GmbH kostet, wenn man ihn kaufen will. Denn: In den zurückliegenden Jahren gab es zwar Verkäufe von Anteilen, aber die erfolgten immer – formulieren wir es mal so – „unter Ausschluss der Öffentlichkeit innerhalb der vorhandenen Gesellschafter“. Dabei hat der Kreis Leer gerne zugegriffen, ursprünglich waren noch mehr Gesellschafter. Oder haben Sie jemals eine Verkaufsanzeige gelesen?
Neuer Gesellschaftervertrag in Arbeit
Soweit zu der Historie und den „Rahmenbedingungen“ dieses Oldies eines privat-öffentlichen Unternehmens. Und was ist aktuell das Thema? Die Stadt Leer möchte nicht mehr einer der großen Gesellschafter bleiben und – noch viel wichtiger – auch nicht mehr zu 30 Prozent die jährlichen Verluste tragen. Angestrebt wird, den Anteil auf 1,05 Prozent zu reduzieren. Die große Frage lautet nun: Zu welchem Preis wird dann an wen verkauft?
Hinter den Kulissen geht es seit einigen Monaten zur Sache. Der jetzige Geschäftsführer Dieter Backer (bis zu seinem Ruhestand vor kurzem Leiter des Landratsbüros und Kreispressesprecher – jetzt macht er das als Mini-Job) versucht, die Dinge zu regeln und für den Flugplatz eine langfristige Lösung zu finden. Dafür ist vor allem eines zu regeln (hat man fast 50 Jahre lang nicht auf dem Schirm gehabt): Wer kann zu welchem Preis Anteile kaufen? Bisher soll es üblich gewesen sein, dass – intern – die Anteile zu dem so genannten Nennwert (das sind dann die etwa 2.500 Euro pro Prozent) weiterverkauft wurden. Das war allerdings kein Muss.
Stadt will Anteile und Verlustübernahme „verkaufen“
Der Geschäftsführer – er hat das Amt 2018 von August Klosse übernommen, der früher ebenfalls beim Landkreis war – hat sich auf den Weg gemacht, den Gesellschaftervertrag neu formulieren zu lassen. Der muss von der Gesellschafterversammlung – darin vom Landkreis als Vertreter Landrat Matthias Groote, Beate Stammwitz und Eldert Sleeboom – abgesegnet werden. Darin sollen Vorkaufsrechte, Verkauf zum Nennwert etc. geregelt werden. Problem dabei: Der Vertrag liegt nach Backers Worten bei einem Leeraner Notar in der Mühlenstraße, könnte bald unterschrieben werden, wird er aber derzeit nicht. Die Stadt Leer will ja verkaufen…
Aus dem Rathaus in Leer heißt es von Bürgermeisterin Beatrix Kuhl auf Anfrage, dass man den eigenen Anteil gerne an die Landkreis Emsland und die Stadt Papenburg weitergeben möchte (inklusive mehr Verlustübernahme). Die Stadt möchte dann, so sieht es die politische Willensbildung der Parteien vor, nur noch 1,05 Prozent der Anteile behalten. Als Begründung wird unter anderem angeführt, dass der Anteil der Meyer-Werft und anderer emsländischer Unternehmen am Gesamtfluggeschehen extrem hoch sei. Das Ansinnen der Stadt hat im ersten Schritt bereits dazu geführt, dass die Höhe der Verlustübernahmen neu geregelt wurden. Die Stadt übernimmt seit 2019 „nur“ noch 30 statt bisher 37 Prozent. Die Stadt Papenburg und der Landkreis Emsland nun jeweils 12,5 Prozent (vormals 10 Prozent). Zur Erinnerung: 1 Prozent Verlustübernahme entsprachen 2018 etwa 4.140 Euro – also fast das Doppelte des Nennwertes. Wie die Lösung aussieht? Im Moment laufen die Gespräche…
Es wird Zeit, dass die Eigentumsverhältnisse inklusive aller Verlust- und Investitionsbeteiligungen neu und eindeutig geregelt werden. Dabei ist auch die politische Frage zu klären, ob ein Flugplatz in der Region ein öffentlich notwendiges Infrastrukturgut sein soll bzw. muss (z.B. gemäß § 136 Abs. 1 NKomVG). Wer weiß, vielleicht finden sich ja auch Unternehmen, die an Grund und Boden und der Infrastruktur Interesse haben? Natürlich zum Nennwert und am besten mit dem Umstand, dass die Kommunen die Verluste weiter tragen…
Nächste Investitionen in Flugplatz stehen an
Ach ja, die nächsten Investitionen in den Flugplatz, der sich auf Grund und Boden befindet, das Eigentum der GmbH ist, gepachtet ist oder über Erbpachtverträge genutzt wird, sind bereits in der Pipeline. Allerdings keine so profitabel, wie der Neubau der Kerosin-Tankstelle vor nicht einmal zwei Jahren. Denn diese Investition war richtig. Mit dem Spritverkauf lässt sich das Defizit erheblich senken. Dem Vernehmen nach ist der Kraftstoff in Leer auch etwas günstiger als auf anderen Flugplätzen. Das sichert Start- und Landezahlen…
Etwas mehr als eine Million Euro könnten schon bald ausgegeben werden für die Verbreiterung der Start- und Landebahn. Auch wird sich die Frage stellen, wie der Flugplatz auf der Straße erreicht werden kann – die jetzige Zufahrt durch die Allee ist keine Lösung, es gibt Bestrebungen der Stadt, eine Zufahrt vom Gewerbegebiet („Poco“) zu schaffen. Auch das wird Geld kosten. Wer das alles bezahlen wird? Die öffentliche Hand durch Fördergelder und durch die beteiligten Kommunen bzw. Landkreise.
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