„Auf einen Tee mit …“ – Heute Oliver Freise, Leiter des Heimatmuseums Leer
LEER Seit fast einem Jahr ist Oliver Freise der Chef des Heimatmuseums in Leer. Der 49-jährige Historiker, der in seiner Freizeit gerne mit seinem Rennrad unterwegs ist, spricht in unserer Rubrik „Auf einen Tee mit…“ über seine Eindrücke von der Ledastadt und die Besonderheiten der Stadtgeschichte, erklärt, was ein gutes Museum ausmacht und beschreibt, was er in den kommenden Jahren unternehmen will, um sein Haus in der Stadtgesellschaft noch präsenter zu platzieren und digital präsenter zuwerden.
Ein Museum macht Spaß, wenn …
… wenn Geschichte Besucher jeden Alters attraktiv und spannend vermittelt wird. Für mich ist es eine abwechslungsreiche Mischung aus beeindruckenden Objekten, Texten, Filmbeiträgen, Hör- und Hands-On-Stationen sowie der Einsatz digitaler Medien. Wichtig für die museale Arbeit wird es aber bleiben – egal welche Formen der Vermittlung wir nutzen – die Inhalte historisch-wissenschaftlich richtig und unterhaltsam sowie manchmal auch spielerisch nahe zu bringen.
Die größte Überraschung seit meinem Antritt als Leiter des Heimatmuseums vor fast einem Jahr war…
… die schwierige Suche nach einer Bleibe. Es hat etwas gedauert, bis ich für mich und meine Frau das passende Zuhause gefunden habe.
Nachts in einem Museum zu sein, kann …
… spannend, gruselig, aber auch aufregend sein.
Mein Lieblingsexponat in unserem Haus ist …
… die Tjalk, die mich immer wieder beeindruckt.
Mein Vorhaben, das Heimatmuseum digitaler zu machen, ist …
… auf einem guten Wege. Wir haben einige Förderanträge gestellt, um die IT-Infrastruktur zu modernisieren. Wir werden auch eine neue responsive Website aufbauen, die auf allen jeweils genutzten Endgeräten funktioniert. Wir hoffen damit Ende 2023 online gehen zu können.
Mein Ziel, das Museum noch stärker in die Stadtgesellschaft zu integrieren, …
… werde ich aktiv vorantreiben. Wir sind mit verschiedenen Partnern der Stadtgesellschaft im Kontakt. Zudem entsteht ein immer aktiveres Kulturnetzwerk, das neue Perspektiven bietet. Wir sind dabei, neue Formate der Präsentation neben der klassischen Museumsdarstellung zu entwickeln, um so mehr Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum zu bekommen. Es ist Kreativität gefragt, die haben mein Team und ich.
Wenn einer sagt „Was hat die Stadtgeschichte von Leer schon spannendes zu bieten“, dann antworte ich, dass …
… Leer viele interessante Wege, Irrungen und Wirrungen erlebt hat, die so auf den ersten Blick nicht wahrgenommen werden. Die Leeraner Geschichte biete viele Nuancen, beispielhaft denke ich an den Aspekt, dass die Stadt außergewöhnlich spät die Stadtrechte erhalten hat. Leer als Stadt wird ja im nächsten Jahr 200 Jahre alt. Da waren andere Städte viel früher dran. Auch die Religions- und Migrationsgeschichte Leers ist unfassbar interessant.
Die größte Herausforderung der kommenden Jahre ist für unser Haus…
… die Modernisierung der Gebäude – vor allem die energetische Sanierung –, aber auch die Modernisierung der Dauerausstellung während des laufenden Betriebes wird eine große Herausforderung sein. Zudem werden wir weiterhin auf die Unterstützung von ehrenamtlich Tätigen angewiesen sein. In diesem Bereich genügend Nachwuchs zu finden, ist ebenso wichtig wie herausfordernd.
Kinder und Jugendliche will ich für die Stadtgeschichte begeistern, in dem ich…
… wir möglichst Angebote schaffen, die nicht nur auf passiven Konsum herauslaufen. Ziel ist es, dass sich junge Menschen durch aktives Agieren historische Aspekte der Geschichte vor ihrer Haustür selbst aneignen, um diese dann aus ihrem Blickwinkel in das Museum zu bringen oder sogar eine eigene Ausstellung zu entwickeln.
Die Stadtgeschichte digital recherchierbar zu machen, ist wichtig, weil …
… die meiste Kommunikation heute über digitale Medien passiert. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Das können auch Historiker nicht ignorieren.
Plattdeutsch ist für mich …
… noch eine fremde Sprache.
Meine Familie ist für mich
… Ruhepol, Diskussionsort, Rückhalt.
Mein Lieblingsplatz in Leer ist…
… im Moment unser neues Zuhause, weil wir einen schönen Garten haben. Im öffentlichen Raum mag ich den Platz vor der Waage und unseren Museumsgarten.
Ich kann mich so richtig aufregen über…
Das passiert selten. Manchmal macht mich die Fahrweise von Autos oder E-Bike-Fahrern in der Neuen Straße vor unserem Museum wütend. Ich wundere mich dann immer, dass es bisher nicht zu schweren Unfällen gekommen ist.
Ich kann mich so richtig freuen über …
…gelungene Aktionen im Rahmen der Museumsarbeit, viele Besucher, die erste Sonderausstellung, die wir im März nach der Corona-Pause eröffnen konnten und die gut angekommen ist, das nach wie vor große Engagement der Ehrenamtlichen sowie das wir im September mit der Sanierung der zweiten Museumsfassade beginnen können, da wir nun die notwendigen Fördergelder zusammen bekommen haben.
Mein Rennrad ist für mich…
… die Möglichkeit abzuschalten, Herausforderung und Überwindung des inneren Schweinehundes.
Mein größter Fehler ist, dass …
… ich manchmal zu ungeduldig bin.
Wenn ich einen Tag lang in meinem Leben ein anderer sein könnte, dann wäre ich gerne…
… einmal James Bond, um einen Aston Martin DB5 fahren zu dürfen.
Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann…
… wünsche ich mir für meine Familie und mich, gesund zu bleiben, und beruflich, dass ich als Museumsleiter lange das Heimatmuseum leiten kann, um es gemeinsam mit dem gesamten Team eines Tages zu einem möglichst barrierearmen und sogar klimaneutralen grünen Museum mit einer attraktiven und modernen Dauerausstellung zu machen. Und, dass das Museum ein Ort ist, der selbstverständlich für die Freizeitgestaltung der Menschen ist, den sie gerne besuchen, der unterhält, Spaß macht und nebenbei bildet. Motto: „Nicht alles für alle, aber für jede/n etwas“!
Oliver Freise ist seit September 2021 Leiter des Heimatmuseums in Leer. Foto: Privat