HARTWIG am MITTWOCH ist eine Kolumne, die immer zuerst mittwochs in der Ostfriesland-Ausgabe der Nordwestzeitung und der Emder-Zeitung erscheint.
Geschichte wiederholt sich – auch in Leer. Nachdem zur Jahrtausendwende die Firma Bünting von Leer nach Nortmoor umgezogen ist, hat in diesen Tagen ein weiteres erfolgreiches Traditionsunternehmen verkündet, die Kreisstadt zu verlassen. Die Remarc wird in Jübberde neu bauen. 40 Mitarbeiter und das entsprechende Gewerbesteueraufkommen ziehen um. Am neuen Standort wird zudem ein neuer Geschäftsbereich aufgebaut. Weitere Mitarbeiter und mehr Steuern, über die sich die Gemeinde Uplengen freuen darf.
Remarc sagt Ihnen nichts? Dann lesen Sie das Wort einmal von hinten. Das ist die Nachfolgefirma der Maschinenfabrik Cramer, deren Wurzeln bis 1835 zurückgehen. Der Produktionsbetrieb für Gartengeräte wird über sechs Generationen erfolgreich inhabergeführt. 2012 hat Andreas Bruns die Leitung übernommen, gemeinsam mit seiner Frau ist er seit Juni 2021 zu hundert Prozent Eigentümer. Wäre er gerne mit dem Unternehmen in Leer geblieben? Ja, sagt er. Aber es gibt bekanntermaßen in der Kreisstadt für ihn keine Flächen, auf denen er sich hätte ansiedeln können. Die Fläche für das Gewerbegebiet Benzstraße liegt seit Jahren vor sich hin. Nun wird geprüft, was möglich ist. Andere Planungen – Fehlanzeige. Ein Dutzend Unternehmen will laut Stadtverwaltung zwar nach Leer, aber es wird Jahre dauern, bis wieder Platz angeboten werden kann.
Was noch mehr überrascht, ist die Bruns Aussage, dass er noch nie Kontakt mit dem Rathaus bzw. der Wirtschaftsförderung hatte. Dabei liegt der heutige Firmensitz an der Reimerstraße unmittelbar an der sozialen Oststadt. Es war schon zu Beginn der 2000er Jahre ein politisches Thema, wie die Flächen dort langfristig genutzt werden könnten. Da sollte nun das Gespräch mit dem Grundstückseigentümer gesucht werden. Vielleicht ist der Weg für eine ganz neue attraktive Nutzung frei.
Remarc befindet sich übrigens in bester Gesellschaft. So ist in diesem Jahr auch die Firma NL-Verpackungen – sie hat vor Jahren einen Teilbereich der M. Neemann OHG, besser bekannt als „Pütje Neemann“ übernommen – vom Ostermeedlandweg nahe der Bundeswehr-Kaserne endgültig nach Apen gegangen. Auch ihr fehlten wohl die Perspektiven in Leer. Und zum Theme Kommunikation: Auch Folkmar Ukena bemängelt schon seit langer Zeit, dass es zu wenig Austausch zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft in der Kreisstadt gibt. Ukena muss es wissen. Er ist seit 30 Jahren der „Macher“ der Leda-Werke, der früheren Eisengießerei Boekhoff. Er hat über seine Tätigkeit im Unternehmerverband Nordmetall und als Aufsichtsratschef der Ostfriesischen Volksbank beste und vielfältige Kontakte in der Wirtschaft und wird wissen, wovon er spricht.
Fest steht: Die Förderung der Wirtschaft braucht in Leer neuen Schwung, ganz gleich, wie allgemeingültig die geübte Kritik ist. Für die Chefetage im Rathaus und den neuen Rat müssen die Themen Gewerbeflächen, Hafenentwicklung und Bestandsmanagement oben auf der Agenda stehen. Es bedarf neuer Ideen, Vorgehensweisen und vielleicht auch einer neuen Struktur. Die Stadt Emden macht es seit Anfang 2021 vor. Dort weht in der Wirtschaftsförderung und im Stadtmarketing frischer Wind. Ein Vorbild für Leer?
(Symbolfoto: Rondae/PEXELS)