HARTWIG am MITTWOCH ist eine Kolumne, die immer zuerst mittwochs in der Ostfriesland-Ausgabe der Nordwestzeitung und der Emder-Zeitung erscheint.
Im Kreis Leer und speziell in der Kreisstadt wird an vielen Stellen gebaut. Ab Donnerstag steht auf den Straßen mit dem Schulstart der ultimative Stresstest für Autofahrer durch die Sperrungen der zentralen Kreuzung am Bummert – mit zwei Gymnasien im Umfeld – und Teilen des Stadtrings an. Mal sehen, was das wird…
Auch im Hochbau ist seit langem landauf landab „der Bär los“. So sind in Leer viele Millionen-Projekte kurz vor oder in der Umsetzung (z.B. Hafenkopf-Bebauung im Handelshafen, Baugebiet Groninger Straße), andere in der Planung und zahlreiche in der Genehmigung (z.B. Scheltenweg, Hajo-Unken-Straße/Ecke Ubbo-Emmius-Straße, ehemalige Synagoge Heisfelder Straße). Bei Investoren, Generalunternehmern, Handwerksbetrieben und in der Politik steht dabei immer wieder im Fokus: die Arbeitsweise der Bauämter. Der gerne geäußerte Vorwurf: langwierige und damit kostenintensive Genehmigungsverfahren. Die am Bau interessierten Akteure meckern und mosern allerdings fast immer hinter vorgehaltener Hand. Auf den Hinweis des Redakteurs „Mach das doch mal öffentlich“ kommt als Standardantwort „Dann dauert es noch länger. Die sitzen am längeren Hebel“.
„Butter bei die Fische“ kommt nun von der Kreishandwerkerschaft Leer-Wittmund. Der dortige Geschäftsführer Bastian Wehr hat das Dilemma, dass Offenheit im Umgang manchmal das Problem ist, erkannt und deshalb seit Anfang Juli die Innungsbetriebe und weitere Unternehmen befragt, welche Erfahrungen sie in der Region mit den Bauämtern und Bauordnungsämtern machen. Sein Ziel: Keine allgemeine Kritik, sondern eine Bestandsaufnahme mit konkreten Vorschlägen für Verbesserungen. Er erhoffte sich, dass durch die Anonymität ehrliche Antworten kommen. An die große mediale Glocke gehängt hat er die Umfrage ganz bewusst nicht und auch die Ergebnisse will er nicht als eine publikumswirksame Schelte veröffentlichen. Nur auf Nachfrage gibt er Infos, die Details möchte er lieber lösungsorientiert im direkten Kontakt mit den Behörden besprechen. Nur so viel sagt er: Viele Unternehmen haben reagiert und die Kritik an der Arbeitsweise sei nicht zu überlesen. Oft würde eine ausreichende Kommunikation und Transparenz seitens der Behörden bemängelt und zudem nicht eindeutig genug gesagt, was noch an Unterlagen benötigt wird für eine „Freigabe“ des Baustarts. Zudem würden die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht zeitgemäß ausgeschöpft, zu oft müssen noch „Körbe mit allen Akten“ ins Amt geschleppt werden. Weiterhin bestehe in dem Zusammenspiel zwischen den einzelnen Behörden im Genehmigungsverfahren Optimierungspotenzial. Fazit: Die Bauämter in der Region sind selbst „große Baustellen“.
Dabei den Rückschluss zu ziehen, dass die Mitarbeitenden in den Bauämtern, „Schuld“ an den Einschätzungen der Handwerksbetriebe sind, ist zu kurz gesprungen. Die Personalausstattung in den Ämtern ist in dem seit Jahren anhaltenden Bauboom meist nicht ausreichend. Eine Gesetzes- und Auflagenflut in den vergangenen Jahrzehnten hat dafür gesorgt, dass Genehmigungen immer komplexer werden. Und: Die Klagebereitschaft von Nachbarn oder anderen Dritten ist gestiegen, so dass selbst kleinste Dinge, die nicht bis ins Detail geprüft und dokumentiert wurden, zum Bumerang werden können.
Was zu tun ist? Geschäftsführer Wehr hofft, dass die Kreishandwerkerschaft mit den Erkenntnissen als Vermittler zwischen Unternehmen und Baubehörden fungieren kann. Er ist gespannt, wer den offenen Dialog wünscht bzw. sucht. Denn eines steht fest: Es muss besser laufen im Baubereich. So wie auch der Verkehr in Leer nach der Fertigstellung des Bummert und des Stadtrings.
(Symbolfoto: Rudolfo Quiros, pexels.com)