Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Ein Kolumnist hat die Aufgabe, Beiträge zu verfassen, die einen sachlichen Hintergrund haben. Dabei muss eine Einordnung dieser Sachverhalte vorgenommen werden. In der Regel führen derartige Beiträge zu Diskussionen – und das ist auch durchaus so gewollt, so wie es auch bei einem Kommentar der Fall ist.
Die Kolumne mit dem Titel „Stadt sagt Nein zu Verträgen: Tennet-Ansiedlung droht das Aus“, die am 14. Dezember 2024 in der Nordwest-Zeitung und am 15. Dezember 2024 bei „Hartwig am Sonntag“ erschienen ist, hat zu einer Reaktion seitens des Landkreises Leer mit der Aufforderung einer Richtigstellung „falscher Tatsachenbehauptungen“ geführt (den gesamten Wortlaut können Sie aufrufen über einen Klick in der Navigatinonsleiste).
Zudem hat auch die örtliche Tageszeitung am 16. Januar 2025 die besagte Kolumne zum Thema gemacht.
Der Kolumnist hat nach den Vorwürfen seitens der Kreisverwaltung den Bürgermeister der Stadt Leer, Claus-Peter Horst, gebeten, sich schriftlich zu den Umständen, die zu den Inhalten der besagten Kolumne führten, zu äußern (den gesamten Wortlaut können Sie aufrufen über einen Klick in der Navigatinonsleiste).
Aus Sicht des Autors ergibt sich nach den Darstellungen des Landkreises Leer und der Stadt Leer folgendes Gesamtbild:
Fakt ist, dass:
- es am 11. Dezember 2024 eine Sondersitzung des städtischen Verwaltungsausschusses gegeben hat
- dieser Verwaltungsausschuss mehrheitlich beschlossen hat, den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Vertragsentwürfen für die Gesellschafterversammlung der Leer-Nord GmbH nicht zuzustimmen, weil „Änderungen dringend erforderlich waren, um nicht gewünschte wirtschaftliche Folgen für die Stadt Leer zu vermeiden“
- die Verträge, für die der Weisungsbeschluss getroffen wurde, im Zusammenhang mit der Ansiedlung der Firma TenneT standen und bei einer Nichtzustimmung das Aus für das Investitionsvorhaben bedeutet hätten
- zum Zeitpunkt der Recherche und Veröffentlichung der Kolumne der Weisungsbeschluss des Verwaltungsausschusses der Stadt Leer nachweislich Bestand hatte
- die geänderten Vertragsentwürfe nachweislich erst nach Dienstschluss am Freitag, 13. Dezember 2024, bei der Stadt Leer eingegangen sind (Dienstschluss entspricht in diesem Fall dem Zeitpunkt des Endes der Recherchen)
- der Weisungsbeschluss erst nach Kenntnisnahme der Vertragsänderungen und nach Abschluss der darauffolgenden abschließenden Beratungen bei der Stadt Leer am Montag, 16. Dezember 2024 – und damit zwei Tage nach der besagten Erstveröffentlichungen – nicht mehr Bestand hatte
- die Kommunikationen zu den Inhalten der Vertragsentwürfe zwischen dem Landrat des Kreises Leer, Matthias Groote in seiner Funktion als Geschäftsführer und Vertreter des Gesellschafters (Kreis Leer), dem Bürgermeister der Stadt Leer als Vertreter des zweiten Gesellschafters (Stadt Leer), sowie dem Geschäftsführer der Leer-Nord GmbH, Dieter Schröer, stattgefunden haben und die Bedenken der Stadt nicht ausreichend in die ersten Fassungen der Verträge aufgenommen wurden, so dass der besagte Weisungsbeschluss dadurch erforderlich wurde, um die Interessen der Stadt Leer zu wahren,
- der derzeitige Geschäftsführer der Leer-Nord GmbH, Dieter Schröer, im ersten Quartal 2025 aus seinem Amt ausscheidet
Mit Blick auf die Inhalte und Formulierungen in der Kolumne ist festzustellen:
- Nicht korrekt war die Formulierung „Verträge mit der Firma TenneT“. Korrekt hätte es lauten müssen: „Verträge im direkten Zusammenhang mit der Ansiedlung der Firma TenneT“.
- Nicht korrekt war die Formulierung, dass die Verträge, die Grundlage für den Weisungsbeschluss waren, durch den Landkreis Leer entwickelt wurden. Korrekt hätte es heißen müssen: „Die Verträge wurden durch einen Notar im Auftrag der Leer-Nord GmbH nach inhaltlichen Vorgaben der Geschäftsführung der Leer-Nord GmbH, namentlich durch Landrat Matthias Groote und Dieter Schröer, entwickelt.“
- Nicht korrekt war die Altersangabe des ausscheidenden Geschäftsführers Dieter Schröer. Er ist 75 Jahre alt und nicht – wie in der Kolumne veröffentlicht wurde – 73 Jahre.
Die nicht korrekten Formulierungen bedauere ich als Autor der Kolumne sehr.
Der Vorwurf des Landkreises, dass es sich um eine „nicht ausreichende journalistische Sorgfaltspflicht“ meinerseits handelte, ist aus meiner Sicht unbegründet. Warum? Es handelte sich um die Recherche zu einem Weisungsbeschluss, der durch die Politik der Stadt Leer beschlossen wurde.
Diesen Fakt sowie auch weitere Sachverhalte zu dem Thema hat der Bürgermeister der Stadt Leer, Claus-Peter Horst, sowohl in der Recherche am 13. Dezember 2024 als auch in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 14. Januar 2025 schriftlich bestätigt. Ebenso ist nachgewiesen, dass die Faktenlage – Nichtzustimmung zu Verträgen – bis zwei Tage nach der Erstveröffentlichung am 14. Dezember im Portal der Nordwest-Zeitung, d.h. bis zum 16. Dezember 2024. gegeben gewesen ist.
Grundsätzlich bestand bei dieser Gesamtthematik – und das ist keine Seltenheit bei einer derartigen Recherche – der Umstand, dass sich die Beteiligten mit Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht zu Inhalten von Sitzungen und Verträgen nicht im Detail äußern. Inwieweit also der Kreis Leer auf eine Anfrage während der Recherche auskunftsbereit gewesen wäre, wie er sich im Nachgang darstellt, bleibt Spekulation. Aus Sicht des Autors war der recherchierte Gesamtsachverhalt, dass es einen Weisungsbeschluss zur Thematik von Verträgen, die voraussetzend mit Blick auf die Infrastruktur für die Großansiedlung sind, durch den Bürgermeister der Stadt Leer ausreichend bestätigt.
Abschließend ist mir als Autor, der auch Bürger des Kreises ist, wichtig, deutlich zu machen: Es ist gut, wichtig und richtig ist, dass für die erforderlichen Verträge, um die es in der Kolumne ging, doch noch kurz vor und rechtzeitig vor der anstehenden Gesellschafterversammlung am Montag, 16.12.24, Einvernehmen erzielt werden konnte.
Allerdings bleiben die Fragen:
Was hat in der Kommunikation und dem Miteinander der Gesellschafter – vertreten durch Landrat Groote als Geschäftsführer ist – und der Stadt Leer – vertreten durch Bürgermeister Horst – nicht funktioniert?
Wurden die Bedenken der Stadt zu den aufgesetzten Vertragsentwürfen dermaßen nicht ernst genommen, so dass die Stadt Leer sich gezwungen sah, als den ihr noch einzig möglichen Schritt der Verhinderung dieser für die Stadt nachteiligen Verträge den Weisungsbeschluss zu fassen, der die klarste Haltung einer deutlichen Ablehnung der Vertragsentwürfe und damit auch der Vorstellungen des zweiten Gesellschafters (Landkreis Leer) war?
Bei der Beantwortung dieser Fragen ist aus meiner Sicht – und dieses unabhängig von den o. g. drei nicht korrekten Formulierungen – weiterhin die Gesamtaussage der Kolumne als Schlussfolgerung keinesfalls abwegig: Es wurde nicht rechtzeitig gut kommuniziert bzw. der Landrat als Geschäftsführer und Vertreter des zweiten Gesellschafters scheint die Bedenken der Stadt nicht ausreichend und zeitnah für einvernehmliche Lösungen gewürdigt zu haben.
Und weiterhin gilt auch bei diesem Gesamtsachverhalt der alte Grundsatz:
Ein guter Redakteur verantwortet nicht die Sache selbst. Er berichtet aus einer kritischen Distanz unabhängig über das, für das andere durch ihr Handeln die Verantwortung tragen, und ordnet ggf. die Gesamtsituation ein.
Holger Hartwig