Leer bietet mehr 2.0: Zurück in die Zukunft für die Innenstadt?

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Die Leerstände nehmen zu. Die „Filialisierung“ der Geschäfte ist seit 30 Jahren deutschlandweit in den Innenstädten unübersehbar. Auch in Leer – wenngleich (noch) nicht in der Dramatik. Lässt sich der Trend umkehren? Kann die Innenstadt von Leer trotz Online-Handel ihre traditionelle Anziehungskraft als Ostfriesland Einkaufsstadt Nummer 1 erhalten? Ja, aber es braucht zügig neue Konzepte, Impulse und Attraktivitäts-Aktivitäten. Nun geht die Stadtverwaltung Leer voran. „Innenstadtforum“ heißt ein neues Format, zu dem im April erstmals eingeladen wird.

Das Rathaus, das – so ist zu vernehmen – in engster Abstimmung mit der Kaufmannschaft, d.h. der Werbegemeinschaft und den Altstadtfreunden agiert – setzt dabei einen bemerkenswerten ersten Akzent. Denn es sind nicht die Geschäftsinhaber, die am 2. April im Rathaus zum Austausch eingeladen sind, sondern die Eigentümer der Immobilien in der Innenstadt. Warum? Sie sind es, die den Wandel der Fußgängerzone als erstes und brutal spüren, wenn sich Geschäftsflächen nicht oder nur noch zu deutlich reduzierten Preisen vermieten lassen. Sie sind es, die – und das ist in allen Kommunen die gleiche Herausforderung – erkennen müssen, dass ein spürbarer Teil ihrer Mieteinnahmen – wie selbstverständlich – für Impulse und Attraktivitäts-Aktivitäten für das Wohnumfeld verwendet wird.

Experte aus Hamburg soll helfen

Zurück zum Innenstadtforum. Bürgermeister Claus-Peter Horst hat einen Experten zum ersten Treffen eingeladen, der Impulse geben soll, wie die langgestreckte Fußgängerzone und die vielen kleinen Geschäfte und Betriebe in der Altstadt langfristig attraktiv bleiben können. Klaus Mensing, Inhaber der Convent Mensing, beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit der Weiterentwicklung von Innenstädten. Wird er eine optimale Lösungsstrategie für die Ledastadt mitbringen? Sicherlich nicht.

Die neue Verantwortung der Eigentümer

Das Forum ist der erste Akzent, um die drei zentralen Akteure – Stadt, Kaufleute und Eigentümer -„aufzuwecken“ und zu gemeinsamen Schlussfolgerungen zu bringen. Eine Erkenntnis wird mit Sicherheit sein: Wir müssen alle mit anpacken, sei es mit planerischen Voraussetzungen für mehr attraktives Wohnen oder die Beschaffung von Fördermitteln für bauliche Veränderungen (Stadt), durch interessante und regelmäßige Events und funktionierende Vernetzung von digitalen und vor Ort-Angeboten (Kaufmannschaft) oder eben mit einer Menge an Euros, die sinnvoll zur Vermarktung der Stadt insgesamt und für eine moderne Innenstadt eingesetzt werden können (Eigentümer).

Alter ASL setzte Akzente

Wie das Trio den Weg hin zu der Innenstadt-Mischung der Zukunft gehen kann? Vielleicht ist es die „Leer bietet mehr 2.0“-Strategie unter der Überschrift „Zurück in die Zukunft“. Wie ein Zusammenspiel aller Akteure der Stadt gut funktionieren kann, hat lange Zeit der Arbeitskreis Stadtmarketing Leer (ASL) bewiesen, nachdem die Politik verstanden hatte, dass der ASL kein „Nebenparlament“ zum Stadtrat war. Viele Jahre waren sich Geschäftsleuten und Vertreter der Vereine einig: Wir müssen gemeinsam etwas machen.  Auch war selbstverständlich, dass die großen Einkaufszentren am Stadtrand „mitgezogen“. Der wesentliche Treiber war damals die Sparkasse Leer-Weener. Das Duo aus Chef Egmont Schieffer und Marketing-Chef Peter Chlebowski hat – in enger Abstimmung mit der Kaufmannschaft – personelle Ressourcen bereitgestellt, um beispielsweise fast im gesamten Sommerhalbjahr Woche für Woche etwas auf die Beine zu stellen. Leer hat damals wirklich mehr geboten, zumal fast alle Vereine, aber auch Handwerksfirmen der Stadt die Innenstadt für ihre Präsentationen nutzten. Das Konzept ASL hatte sicherlich auch Schwächen. Aber: Es war ein Konzept, dass die Akteure der Stadt für ein gemeinsames Ziel erfolgreich zusammengebracht hat.

Wohnen mehr im Fous

Was kann nun das Innenstadtforum bringen? Erstens: Es kann und muss der Startschuss sein, damit – trotz tollem Hafenpanorama und faszinierender Altstadt – wieder mehr und dauerhaft „Leben in die Bude“ kommt. Die Wege, die dann gegangen werden können, sind vielfältig: Braucht es ein modern aufgestelltes Stadtmarketing, wie es andere Städte – mit bezahlten Mitarbeitenden (!) – seit vielen Jahren haben? Wie kann es gelingen, dass sich die „Filialisten“, d.h. die meist konzerngeführten Geschäfte, einbringen? Wie kann ein neues Konzept mit mehr attraktivem Wohnen aussehen, denn Häuser haben ja nicht nur die Erdgeschossfläche? Wie können mehr Veranstaltungen mit Leeranern für Leeraner auf den Weg gebracht werden?

Machen statt nur zu reden

Experte Mensing wird Anfang April darauf keine perfekten Antworten geben, sondern Analysen und auch Idee mitbringen, wie anderswo angepackt wird. Denn eines, so schreibt der Hamburger auf seiner Internet-Seite steht fest: „Es gibt viele gute Konzepte und Ideen – häufig wird nichts daraus, weil es nicht gelingt, die Akteure zu aktivieren, ihre Ideen auch umzusetzen.“ Mal sehen, ob sich bei „Leer bietet mehr 2.0“ viele, darunter vor allem auch „finanzstarke“ Immobilieneigentümer, finden, die – wie in den 1990- und Anfang der 2000er-Jahren – die langfristige Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit mit einem ganz individuellen Leeraner Ansatz mitgestalten.

Holger HartwigLeer bietet mehr 2.0: Zurück in die Zukunft für die Innenstadt?