„Shanty-Chor-Sound? Unkontrollierte Mehrstimmigkeit“

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„Auf einen Tee mit …“ – Jan Bronn, Vorsitzender und Leiter des Bingumer Shanty Chores

JEMGUM/BINGUM In einigen Tagen liegt es 30 Jahre zurück, dass sich eine handvoll Männer in Bingum trafen, um eine Idee in die Tat umzusetzen: die Gründung eines Shanty-Chores. Einer der Gründungsmänner ist Jan Bronn. Er ist auch seit 29 Jahren der Leiter des Bingumer Shanty Chores und seit sieben Jahren Vorsitzender des Chores. In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht der 75-Jährige Jemgumer über die Anfänge des Chores, die Überraschung mit dem Jodler im Chor und wann er „seinem“ Chor nicht so ganz die Wahrheit sagt. Zudem macht Bronn deutlich, warum keine Notenkenntnisse für das Mitsingen erforderlich sind und sagt selbstbewusst: „Wer meint, dass er nicht singen kann, der lernt es bei uns.“

30 Jahre Bingumer Shanty Chor – dazu fällt mir ein, dass …

… das für mich der Wechsel aus der Musikszene mit Auftritten bei Hochzeiten und anderen Ereignissen mit einer Band zu der Leitung eines Shanty-Chores ein angenehmer Übergang war. Ich habe damals von der beabsichtigen Gründung des Chores gelesen und dann ging es ziemlich schnell. Mit meiner Gitarre habe ich die ersten Lieder am Gründungsabend begleitet. Was dann in den drei Jahrzehnten aus unseren Anfängen geworden ist, ist einfach toll. Wir haben Freude und sind sehr zufrieden.

Als Leiter eines Chores kommt es darauf an, …

… Harmonie im Gesang, aber auch im Miteinander zu bewahren. Alle sollen Freude an der Musik haben und sich vertragen können. Menschen mit ihren Charakteren sind manchmal schon eine Herausforderung.

Neben der Chorleitung auch Vorsitzender des Vereins zu sein ist…  

… vielleicht etwas zwangsläufig. Es wurde vor sieben Jahren ein Vorsitzender gesucht und es musste jemand machen. Da lag es nahe, dass ich neben der musikalischen Verantwortung und Organisation auch die Verwaltung des Vereins übernommen habe.

Unser Repertoire setzt sich zusammen bei unseren Auftritten aus …

… aus meiner Erfahrung, was Menschen gerne hören wollen. Wir haben bei unseren Auftritten keine vorgefertige Liederliste aus unseren 150 Liedern, die jede Menge Shantys und Seasongs beinhalten.Meistens entscheiden wir spontan, was zum Publikum passt.

Unsere schönsten Auftritte in den drei Jahrzehnten waren …

… sicherlich in erster Linie die auswertigen Besuche in der Partnerstadt Elblag in Polen. Einmal haben wir auch in Saarlouis bei großer Veranstaltung vor über 1000 Leute in der Halle oder in München in einer Biergartenhalle gesungen. Da haben wir uns als Ostfriesen gut verkauft, weil wir sogar einen Sänger dabeihatten, der jodeln konnte. Das hat alle dort überrascht.

Wenn bei uns eine schief singt, dann…

… habe ich dafür als Antwort: „Wir singen im typischen Shanty-Chor-Sound. Da herrscht eine unkontrollierte Mehrstimmigkeit“. Wir wollen Freude haben. Da passen strenge Vorgaben mit Stimmlagen nicht. Ich bin da nicht knallhart, denn meistens reguliert sich das durch das Singen in der Gruppe. Bei den Vorsängern, die als Einzelstimme auftreten, ist das natürlich etwas anders.

Wenn ich an unseren Auftritt in der NDR-Sendung „Gruß von Bord“ im Dezember im Leeraner Kulturspeicher denke, dann…

… freue ich mich darauf. Früher war es spannender. Da haben die Redakteure spontan eine halbe Stunde vor der Sendung die Lieder mit mir ausgewählt. Das war spannend. Heute wird das weit vor der Sendung festgelegt. Wir müssen und dann minutiös daran halten, was wir ja sonst so nicht gewohnt sind.

Wenn mir jemand sagt, dass er nicht singen kann, dann antworte ich

… das kannst Du bei uns lernen. Es gibt keinen Menschen, der nicht singen kann. Wer Lust hat, der sollte sich bei und dazustellen und einfach mitsingen – nicht allzu laut, das wäre schon gut. Ich bin immer wieder erstaunt, was wir gemeinsam stimmlich schaffen.

Wer keine Noten kann, der kann bei uns …

… auf jeden Fall mitmachen. Das ist keine Pflicht. Es ist sogar manches Mal nicht einfach, Noten für Shanty-Lieder zu bekommen.

Wenn ich mir für unseren Chor etwas wünsche, dann …

… wünsche ich mir, dass es uns weiterhin so gut gelingt, Musiker zu finden, die uns musikalisch begleiten. Das wird immer schwieriger. Wir sind froh, dass wir mit vier Akkordeons gut bestückt sind. Das soll bitte so bleiben.

Mein Lebensmotto ist…

 … immer zu lernen, im fortgeschrittenen Alter etwas langsamer zu agieren und nicht mehr alles selbst zu machen. Das hört sich leicht an, ist aber gar nicht so einfach für mich.

 Ich habe das letzte Mal gelogen, als…

Das muss ich mir jetzt gut überlegen, ob ich das sagen darf. Ich flunkere schon mal vor einem Auftritt, in dem ich dem Chor sage, dass es sicher Kaffee und Kuchen oder etwas zu essen gibt. Das stimmt auch fast immer, aber manchmal weiß ich das nicht vorher. Da bei uns neben dem Singen auch das Miteinander wichtig ist, ist die gemeinsame Zeit neben den Auftritten für viele Sänger ebenso wichtig.

Mein Lieblingsplatz ist…

… mein Zuhause in Jemgum.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… Ungerechtigkeiten.

Ich kann mich so richtig freuen über, …

 … einen tollen Auftritt, bei dem wir und das Publikum Spaß hatten.

Ich sollte mal wieder…

 … an die Küste fahren und Fisch essen – am liebsten Schwarzbrot mit Granat (Krabben) und Spiegelei.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann…

… in erster Linie Gesundheit für meine Familie, die Mitglieder im Chor und mich, viele neue Lieder – gerne auch mal die Version eines beliebten Schlagers – und dass unser Chor noch viele Jahre in der jetzigen Form existiert.

Leitet seit 29 Jahren den Bingumer Shanty Chor und ist seit sieben Jahren auch Vereinsvorsitzender: Jan Bronn.

Foto: privat

Holger Hartwig„Shanty-Chor-Sound? Unkontrollierte Mehrstimmigkeit“