DIE KOLUMNE: Ein Jahr Bürgermeister Horst in Leer – was hat’s gebracht?

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Das erste von fünf Jahren ist in wenigen Tagen vorbei. Zeit, eine Bilanz zu ziehen, wie sich der parteilose Leeraner Bürgermeister Claus-Peter Horst „gemacht“ hat. Leer kann mehr – so lautete sein Motto im Wahlkampf. Ist daraus mit ihm an der Spitze Realität geworden? Baustellen gab und gibt es genug. Fangen wir mit der zentralen Aufgabe eines Bürgermeisters an: eine funktionierende Stadtverwaltung. Die war, so wurde im Jahr 2021 deutlich, unter alter Führung einem Trümmerhaufen nahe. Heute ist festzustellen: In und um die Verwaltung ist es deutlich ruhiger geworden.

Natürlich trifft ein Chef auch Entscheidungen, die nicht allen gefallen. Auch geht es nicht immer nur ruhig und ohne Emotionen. Aber: Die Richtung scheint zu stimmen. Die Verwaltungsspitze – Horst Stellvertreter Holtz ist wieder voll im Job, mit Rainer Kleylein-Klein konnte (endlich) ein neuer Baurat gefunden werden – und die Belegschaft zieht an einem Strang. Horst Credo „Wir arbeiten als Team“ scheint zu fruchten. Klagen hinter vorgehaltener Hand, die unter der Vorgängerin kontinuierlich zu vernehmen waren, sind Vergangenheit.

Ebenso wichtig wie Teamarbeit ist für eine Verwaltung, dass die Politik mitzieht statt sich in Querelen und Endlosdebatten teils auch gegen die Verwaltung zu verzetteln. Festzustellen ist: Das Zusammenspiel zwischen Rat und Verwaltung hat sich merklich „stabilisiert“. War es in den Jahren oft an der Tagesordnung, dass öffentlich gegeneinander geschossen wurde, so scheinen die Agierenden nun im „Miteinander-Kommen-Wir-Besser-Voran-Modus“ angekommen zu sein. Über die Fraktionsgrenzen wird dabei der Stil und die Gleichbehandlung durch den Rathauschef gelobt. Es wird bei wichtigen Themen intern gesprochen, gemeinsam nach Lösungen gesucht und – meistens – auch der Mund gehalten, wenn es auf dem Weg zu einer Entscheidung erforderlich ist. Was das bedeutet? Für Journalisten, die über Leer berichten, gab es – hart ausgedrückt – schon mal deutlich bessere Zeiten. Undichte Stellen sind weniger geworden, prickelnde Themen wie Personal- und Parteienreibereien auch. Für Beobachter ist das langweilig, für die Entwicklung einer Stadt zweifelsfrei besser. In der Ruhe liegt bekanntlich viel Kraft.

Eine Ruhe, die Horst in anderer Hinsicht nicht so gerne hat. Er hat vor der Wahl angekündigt, dass die Bürgerinnen und Bürger „mitmischen“ sollen. Corona hat da vieles schwierig gemacht. Die in Kürze anstehenden Workshops zur Innenstadtentwicklung werden der erste Härtetest, ob es Horst durch seine Art gelingt, die Leeraner zum Mitmachen zu aktivieren.

Was hat es ansonsten an greifbaren Entwicklungen gegeben? Für das Gewerbegebiet Benzstraße ist es gelungen, statt 5 über 11 Mio. Euro an Fördermittel zu besorgen. Das ist eine der höchsten Einzelsummen aus Hannover seit Jahren. Es spricht dafür, dass der parteilose Horst gut mit den parteigebundenen Landtagsabgeordneten klar kommt. Das darf so weitergehen. Das große Versprechen, weitere Gewerbe- und Wohnflächen auf den Weg zu bringen, könnte mit dem neuen Quartier in Heisfelde/Eisinghausen eingelöst werden. Auch mit Blick auf den Landkreis positioniert sich die Stadt wieder stärker. Die Klage gegen die erhöhte Kreisumlage ist nur ein Beispiel.

Was hat nicht funktioniert? Im Zuge einer kritisch-journalistischen Distanz gehört diese Frage dazu. Allerdings offenbar wenig – jedenfalls fällt der Politik fast nichts ein. Selbst bei wiederholter Nachfrage ist die grundsätzliche Zufriedenheit über den eingeschlagenen Weg von „CPH“ nicht zu überhören. Einzig ein Punkt ist verbesserungswürdig: die Auswahl und die Kommunikation zu den vielen Terminen. Hier hat der Bürgermeister es etwas an System vermissen lassen und dem einen oder anderen unnötig vor den Kopf gestoßen. Das darf besser werden – und kann es auch, denn niemand wird als Bürgermeister geboren.

Was bringt die Zukunft? Viele Herausforderungen für Bürgermeister, Politik und Verwaltung. Die Folgen des Krieges lassen grüßen. Zwar ist der Haushalt bereits auf den Weg gebracht (auch hier mit einem hohen Maß an sachorientierter Einigkeit) und viele Projekte und Investitionen sind in der Pipeline. Aber: Bauen ist unkalkulierbar teuer geworden, die sozialen Kosten steigen immer weiter. Die Folge: Projekte müssen zurückgestellt werden. Umgesetzt wird, was an Fördermittel gebunden ist, damit diese nicht „verfallen“. Das wird vielen Betroffenen – sei es dem Feuerwehrmann oder dem Schulleitern – nicht gut schmecken. An sozialen Wohnungsbau, der auch angedacht war, ist nicht mehr zu denken. Auch Themen wie der Schuldenabbau stehen weiter hinten auf der Agenda – anders, als es erwünscht und versprochen war. Zudem ist noch nicht abzuschätzen, wie die Bürger der Stadt auf weiter steigende Preise, mögliche Arbeitsplatzverluste etc. reagieren. Themen, wie die Verwaltung das zu zahlende Wohngeld ab 2023 für deutlich mehr Berechtigte organisatorisch in den Griff bekommt, und wie der soziale Frieden in der Stadt insgesamt gesichert werden kann, könnten schon bald dominieren.

Bei allen diesen Themen ist ein starker und souverän agierender Bürgermeister ein wichtiger Faktor. Einer, der nicht oberlehrerhaft wahrgenommen wird – was ab und an der Fall war. Einer, der die Fähigkeit hat, Menschen zuzuhören, Akteure zusammen zu bringen, soziales Engagement zu fördern sowie Krisen zu meistern. Eben ein Bürgermeister, der weit mehr als ein politisch neutraler Verwaltungschef ist. „CPH“ ist mit der Unterstützung seiner Mitarbeitenden im Rathaus und einem zuverlässigen Rat auf einem guten Weg, so ein starker Bürgermeister für alle Leeranerinnen und Leeraner zu werden.

Holger HartwigDIE KOLUMNE: Ein Jahr Bürgermeister Horst in Leer – was hat’s gebracht?