Net as sien voader….

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Von Holger Hartwig*

„Net as sien voader“ oder „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ – das sind zwei Sätze, die gerne gesprochen werden, wenn es um Väter und Söhne (aber auch Mütter bzw . „Moder“ ) geht.  Und meist sagen Söhne und Töchter dann: „Dabei wollte ich bloß nicht so werden wie mein Vater (meine Mutter)!“ und versuchen deutlich zu machen, dass das so ja nicht sein kann…

Dabei geht es bei diesem Satz meist gar nicht um Äußerlichkeiten oder Körperhaltung. Das wird so vererbt und es gibt kaum eine Chance, der Ähnlichkeit zu entkommen. Es geht um das Verhalten und auch das Denken. Denn selbst, wenn die Jahre der Pubertät oder der Jugend durch Protest und Anderssein gekennzeichnet waren – die Prägung durch „Glaubenssätze“, das heißt Handeln nach tief im Unterbewusstsein eingeprägten Prinzipien und Überzeugungen hat trotzdem stattgefunden. Und das gefährliche dabei: Diese Glaubenssätze und das damit verbundene Verhalten werden von Generation zu Generation „weitergetragen“, so lange sie einem nicht bewusst werden.

In einem persönlichen Coaching eines Mittvierzigers war es kürzlich die Frage, wann es Momente im Leben gab, in denen Zufriedenheit und „Gänsehautmomente“ gegeben hat. Die knappe Antwort: „Das kenne ich nicht. Es geht immer gleich weiter.“ Sich freuen, einen Moment genießen – Fehlanzeige.  Es war dem Mann nie so bewusst geworden, dass das so ist und dass er von einer Aufgabe, einer Lebenssituation, zur nächsten hastete. Rastlos. Immer weiter sollte es gehen. Er machte deutlich, dass er sich die Momente des Glücks und der Zufriedenheit durchaus wünsche und fragte, wie das sein könne, dass er diese Gefühle nicht kennt. Es reichte ein Blick in die Kinderheit und Jugend. Erste Frage: Was hat Ihr Vater (der immer ein Vorbild ist , ob man es will oder nicht) beruflich gemacht? Antwort: Lehrer. Zweite Frage: Und wie war das, wenn Sie mit guten Noten nach Hause gekommen sind? Gab es Lob, Anerkennung oder Freude? Antwort: „Nein, da hieß es immer nur: das geht noch besser.“ Und was bedeutete das für den Lebensweg: Nichts ist gut genug, es muss immer weiter gehen, bloß nicht zufrieden sein. Nach einer kurzen Pause fragte ich dann: Und wie ist es mit Ihren Kindern? Lobt der Papa da und zeigt seine Freude und Zufriedenheit? Sie können sich die Antwort denken… Als dem Vater klar wurde, wie die Zusammenhänge sind, hat er viel dafür getan, dass das, was er selbst gerne gehabt hätte, für ihn im Umgang normal wurde – und dann hat er über seine Kinder Freude und Zufriedenheit erlebt…

Oder nehmen wir ein zweites Beispiel in der Partnerberatung. Irgendwie läuft es nicht mehr so zwischen Mann und Frau. Es fehlt die Nähe. Der eine wünscht sich mehr Umarmungen, der andere vermisst das nicht. Irgendwie hat man sich arrangiert über die Jahre, doch so ganz lassen sich die Bedürfnisse nicht unterdrücken. Also auch hier die Frage: Und wie war das bei Ihren Eltern? Sind die eher Arm in Arm und Küsschen hier und Küsschen da unterwegs gewesen oder gab es das nur selten? Bei allen Beratungen bei diesem Thema immer das gleiche Ergebnis: Der eine oder die eine hat die Eltern herzlich und mit Wärme und Nähe erlebt, der andere eher weniger. Erst als beiden diese Zusammenhänge klar wurden, begriffen sie, dass das Verhalten bzw. das Bedürfnis des anderen weniger mit ihnen beiden, sondern mehr mit der unbewussten Prägung durch die Eltern. Aus der Frage, was sich der andere dabei denkt, wurde das Verständnis und die Suche nach einem gemeinsamen Weg.

Es sind im Leben diese Glaubenssätze, die weitergetragen werden und unser Verhalten unbewusst prägen. Und das erstaunliche: Jeder Mensch trägt davon mehr in sich, als er vermutet. Sich dieser Prägungen bewusst zu werden, ist eine spannende Reise zu sich selbst. Immer mit der Möglichkeit, die Dinge so weiter „laufen zu lassen“ und „net as dien voader“ immer wieder zu hören, oder neue Wege einzuschlagen.

Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.


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