Selbstbewusstsein oder selbst bewusst sein?

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Von Holger Hartwig*

„Der hat aber ein gesundes Selbstbewusstsein“ – wenn wir diesen Satz sagen oder hören, dann verbinden wir damit ein überzeugendes und meist meinungsstarkes Auftreten eines Menschen – im Alltag, im Beruf oder – wenn es sein soll – auch auf der Bühne. Dieser Mensch weiß sich zu präsentieren bzw. zu „verkaufen“. Viele andere können das nicht. Sie haben kein „Selbstbewusstsein“, halten sich und ihre Meinungen lieber zurück.

Wofür steht das Wort „Selbstbewusstseins“ aber tatsächlich. So, wie es heute meist verwendet wird, wird es (zu) wenig mit dem Ursprung verbunden. Selbstbewusstsein bedeutet sich selbst bewusst zu sein. Und bedeutet weit mehr, als gegenüber anderen „stark“ aufzutreten oder sich präsentieren zu können.

In Coachings erzählen mir Menschen immer wieder, dass es ihnen an Selbstbewusstsein mangelt. Und was kommt, wenn ich nachfrage? Sie schätzen sich selbst so ein, dass sie lieber einen Kompromiss eingehen, statt ihre Ansichten und Wünsche mit Nachdruck zu vertreten bzw. sich „unterbuttern zu lassen“. „Ich war als Kind schon…“ oder „Andere können das viel besser…“ – sind nur zwei typische „Glaubenssätze“, die dann das Verhalten desjenigen nachhaltig prägen.

Bei der Frage im Coaching, wie denn jeder für sich sein Selbstbewusstsein „verbessern“ kann, kommt dann immer wieder als Antwort der Hinweis auf mehr eigene Erfolge bzw. die lobende, wertschätzende Anerkennung von außen. Und dann beginnt das gemeinsame „Arbeiten“. Denn Selbstbewusstsein kommt nicht von Dritten bzw. ist kein Ausdruck von Wahrnehmung durch andere. Selbstbewusstsein beginnt mit der Fähigkeit, sich selbst genauer ansehen zu wollen und damit sich selbst bewusster zu werden. Das ist harte Arbeit, die während des gesamten Lebens geleistet werden kann. Dabei hilft die Beantwortung von Fragen an sich: Was gehört zu mir? Was schätze ich an mir? Was macht mich in meinem Handeln aus? Wie unterstütze ich Menschen, die mir etwas bedeuten? Ganz nebenbei wird bei diesem „Sich selbst bewusst“ werden auch deutlich, wo eigene Schwächen liegen. Diese auch zu kennen, ist mindestens genauso wichtig, wie sich seiner Stärken bewusst zu sein.

Selbstbewusstsein zu haben bedeutet: Ich weiß, wer ich bin. Ich (er)kenne mich. Ich bin mir selbst bewusst. Und wer sich selbst bewusst ist, der erreicht im Leben viel (mehr). Und dann steht das Selbstbewusstsein am Ende für das, wie es die Gesellschaft gerne „oberflächlich“ definiere.

Ach ja, anstelle von Selbstbewusstsein kann auch das Wort Selbstwertgefühl stehen. Auch hier gilt: Jeder kann selbst seinen Wert fühlen – wenn er dann den Blick auf sich selbst frei von Scheuklappen zulässt…

Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.


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