Von Holger Hartwig*
„Der, die, das. Wer, wie, was. Wieso, weshalb, warum. Wer nicht fragt, bleibt dumm! 1000 tolle Sachen gibt es überall zu sehen, manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen“ – diese Zeile aus dem Sesamstraßen-Lied dürfte jeder kennen. Und für jedes Kind ist es selbstverständlich, aus Neugierde Fragen zu stellen.
Je älter und erfahrener ein Mensch wird, um so weniger ist es für ihn selbstverständlich, Fragen zu stellen. „Man“ weiß schließlich Bescheid. Und noch viel heftiger: „Man“ kennt sich ja – „man“ hat ja seine Erfahrungen im Miteinander gemacht. Und genau dieses Denken ist für das menschliche Zusammenleben, im Job oder in der Freizeit gestalten sehr oft der Auftakt für einen Teufelskreis. Denn anstatt den anderen zu fragen, was er warum gerade wie macht oder eben auch nicht oder statt den anderen zu fragen, was er mit seiner Aussage wirklich sagen wollte, wird ein (oft unbewusster) Prozess im eigenen Kopf in Gang gesetzt. Es wird zwischen den beiden „Ohren“ philosophiert, es wird bewertet, verurteilt und dann auch meistens entsprechend reagiert. Das Sesamstraßenlied bringt es dann auf den Punkt: Wer nicht fragt, bleibt dumm! Nein, im Erwachsenenalter ist es sogar noch schlimmer: Wer nicht bzw. nie fragt, sondern sich mit seinen Gedanken verselbstständigt und die anderen Menschen bewertet, der „zerlegt“ auf Dauer im großen Stil seine zwischenmenschlichen Beziehungen.
Fragen zu stellen, sollte in jedem Lebensalter dazugehören wie das Zähneputzen oder das Haare waschen. Warum? Nur wer fragt, der gewinnt neue Erkenntnisse. Wer nicht fragt und stattdessen in einem Gespräch immer selbst redet, der wird nicht schlauer. Denn alles, was aus dem eigenen Mund herauskommt, ist ja – vereinfach ausgedrückt – bereits an Wissen und Gedanken im Kopf vorhanden.
Kurzum: Achten Sie einmal darauf, wie oft Sie im Alltag Sie eine Frage stellen. Sie werden überrascht sein, wie selten Sie die Macht des kinderleichten Sesamstraßen-Prinzips im Miteinander nutzen. Und noch eines: Es kommt bei einer Frage nicht so sehr auf die gewählten Worte und den Satzbau an. Achten Sie einmal darauf, WIE Ihnen eine Frage gestellt wird bzw. WIE Sie selbst eine Frage stellen. Wenn die Stimme des Fragenden oder Ihre Stimme am Satzende nach unten geht, dann mag das zwar grammatikalisch eine Frage sein, de facto ist und bleibt es dennoch eine Aussage. Wer wirklich eine Frage stellt und interessiert an einer Antwort ist, hebt seine Stimme zum Ende hin. Sonst nimmt das Unterbewusstsein auf, dass es eben keine Frage ist sondern eine „gut gemeinte und perfekt getarnte“ Feststellung ist.
PS: Wann wir das Fragen, wie wir es als Kind aus Neugier gemacht haben, „verlernen“? Mein Tipp: Kurioserweise vor allem in der Schule. Zwar ist es (eigentlich) gewünscht, dass dort Fragen gestellt werden. Allerdings werden die Kinder, die regelmäßig Fragen stellen, oftmals hinsichtlich ihrer Verständnisfähigkeiten eher „in Frage gestellt“ als für ihr Interesse gelobt…
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.
Schreiben Sie einen Kommentar: