Von Holger Hartwig* Kennen Sie es, dass Sie ein Gefühl haben, das…? Sicherlich. Damit meinen Sie im Regelfall, eine Emotion zu beschreiben. Ein Gefühl zu haben, gehört zum Alltag dazu. Wie oft hören oder sagen wird den Ausspruch „Ich habe das Gefühl, dass…“. Meist wird mit dem Wort „Gefühl“ dann beim Empfänger der Botschaft eine emotionale Situation bzw. Reaktion verbunden. Ein Klassiker für einen schüchternen Menschen ist der Satz: „Ich habe das Gefühl, dass ich mich in Dich verliebt habe.“ Gefühl steht also meist für eine Empfindung. Es wird gleichgesetzt mit Emotionen wie Angst, Lust, Freude, Ärger. Doch aufgepasst. Ein Gefühl zu haben, ist meist alles andere als eine spontane Emotion. Wenn jemand sagt „Ich habe das Gefühl, dass…“, dann hat dieser Mensch zumeist schon lange Zeit darüber nachgedacht, sich ein Bild verschafft und agiert. Er agiert dann – auch sprachlich – gezielt und durchdacht. Oder meinen Sie, dass es bei einem Chef eine Emotion ist, wenn er gegenüber einem Mitarbeitenden sagt: „Ich habe das Gefühl, dass Ihre Leistungen nachlassen…“. Warum verbinden wir das Wort Gefühl mit einem spontanen Empfinden oder einer Emotion? Weil es praktisch ist, dieses Wort zu verwenden. Es ist sympathischer als zu sagen „Ich weiß, dass…“ oder „Ich bin überzeugt…“. Mit der Gefühl-Formulierung wird nicht gleich mit der Tür ins Haus gefallen, dem Gesprächspartner vermittelt es den Eindruck, dass es ja eine spontane Regung ist… Nur sagen manche Menschen recht spontan auch gerne „das fühlt ich gut an“. Passt das mit dem durchdachten Gefühl zusammen? Ja, denn damit meinen sie eher, dass sie die Situation als angenehm „spüren“ bzw. „erleben“. Denn wenn wir eine aktuelle Empfindung ausdrücken, dann leben wir von unserem Gespür. Dieses Gespür führt dann zu einer Emotion. So, wie das Gespür für eine Situation bei manchen Menschen spontan eine Gänsehaust auslöst… Mein Tipp: Immer genau darauf achten, ob es Gespür (für sich und die aktuelle Situation) oder Gefühl ist, was sie ausdrücken wollen bzw. was Ihnen gegenüber ausgedrückt wird. Und wenn es das „Gefühl“ ist, was Ihnen begegnet, denn immer alle Sinne einschalten. Dann da steckt meist mehr dahinter… * Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt. Schreiben Sie einen Kommentar:
Die Gefahr des Gefühls
25. Juli 2021