Der Null-zu-Null-Bericht

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Es ist über 30 Jahre her – und deshalb kann ich heute mal beschreiben, wie Ende der 1980er und im Jahr 1990 bei der kleinen Sonntagszeitung in Leer, bei der meine Laufbahn als Volontär begann, die aktuelle Sportberichterstattung aus der Fußball-Bundesliga realisiert wurde.

Nachrichtenagenturen, die durch Anzeigen finanzierte Zeitungen beliefern, gibt es noch nicht. Auch die Live-Übertragung oder gar die Konferenz am Bundesliga-Samstag ist noch nicht erfunden. Die einzige Informationsquelle, die aktuell über die Duelle in der höchsten deutschen Fußballklasse berichtet, ist der Radiosender NDR 2. Dort wird jeden Samstag in der zweiten Halbzeit live in drei der Stadien geschaltet.

Nun möchten wir neben einer Ergebnisecke mit Resultaten aus dem Jugendfußball auch gerne aktuell über die Bundesliga berichten. Es gibt also nur eine Möglichkeit: Radio hören und parallel die Berichte schreiben, um schon kurz nach Spielschluss fertig zu sein (so wie beispielhaft aus dem März 1990 – siehe Foto). Dabei ist es wichtig, die richtigen Spiele auszuwählen, damit auch über den Äther Informationen kommen. Die Nordclubs – Werder Bremen und der HSV, welch´ goldene Zeiten – und die Spitzenspiele sind da meistens angesagt. Fast immer klappt das gut. Die Planungen während der laufenden Spiele umzuwerfen, ist schwer, denn zu aller Partien müssen vor dem Spieltag ja auch Fotos „besorgt“ werden. Natürlich Motive, die nicht aktuell gemacht sind. Da hilft es, ein gutes Archiv an Sportzeitungen zu haben, aus denen dann rechtzeitig die Motive ausgewählt werden…

Es ist also einer dieser Sonnabende, der wieder einmal das schnelle Schreiben erfordert. Radio hören, zwischen drei Texten hin und her springen, dabei in die Tasten hauen und schon kurz nach Abpfiff auf den „Senden an die Technik“-Knopf drücken – meist klappt das. In Erinnerung ist mir ein Spieltag, bei dem Werder Bremen bei Waldhof Mannheim antreten muss. Normalerweise berichtet der NDR. Doch an diesem Spieltag warte ich vergebens auf die Live-Schaltung in das Ruhrstadion. Mit fortschreitender Spieldauer werde ich nervös. Wie soll ich bitte einen großen dreispaltigen Text schreiben, wenn es keine Infos von vor Ort gibt? Das „Drama“ nimmt seinen Lauf. Kein Wort kommt Mannheim. Nicht einmal eine Zusammenfassung wird kurz nach Ende gesendet. Und dann auch noch der Supergau: Das Spiel wird nach 90 Minuten beim Stand von 0:0 abgepfiffen. Nicht einmal Torschützen gibt es, auch keine rote Karte oder sonstige Vorkommnisse. Ein trostloses Unentschieden. Und nun? Kreativität ist gefragt. Irgendwie müssen die 90 Zeilen ja gefüllt werden. Also tief im Hirn buddeln, was es an historischen Informationen zu den Vereinen gibt, ob es verletzte Spieler gibt oder sonst irgendetwas. Und dann in zehn Minuten den Bericht schreiben. Aus heutiger Sicht kaum noch vorstellbar. Irgendwie gelingt es. Keiner merkt, dass dieser Bericht sowas von weit weg von der Realität oder irgendwelcher Recherche ist. Es ist gut gegangen…

Gelernt habe ich an diesem Tag eine Menge: Erstens: Selbst, wenn Du fast nichts hast – einen Bericht kannst Du daraus immer irgendwie machen. Zweitens: Die beste Vorbereitung nützt nichts, wenn die Umstände dann andere sind. Drittens: In der Sportberichterstattung kann mich nichts mehr erschüttern. Die drei Erkenntnisse werden mir später das eine oder andere Mal nützlich sein, um ruhig zu bleiben, wenn im lokalen Fußball Informationen auch Mangelware sind.

PS: Als ich einige Jahre später wieder für einen Verlag arbeite, der aktuelle Sporberichte veröffentlicht, ist eine der ersten Aktionen, mit dem Sportinformationsdienst (sid) über eine Zusammenarbeit zu sprechen. Die Zeiten haben sich geändert. Der Verlag musste mehr investieren, als in die Rundfunkgebühren – und die Berichte waren mit Live-Infos angereichert. Trotzdem: Fußballberichte „made by radio“ – irgendwie hatten sie doch was. Und es ging jeden Samstag darum, noch eine Minute eher mit den drei Berichten fertig zu sein. Manchmal glaube ich es heute nicht, dass mein „Rekord“ etwa neun Minuten nach Abpfiff war. Aber es ist dabei so, wie bei allen anderen Berichten: Wenn Du wenig Zeit hast, werden sie besser, als wenn du stundenlag überlegst, wie es am besten ist. Gilt übrigens auch für Kolumnen und Kommentare. An die „Kiste“ setzen und loslegen. Und bis heute ist Schreiben einfach „Erholung“…


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