Der Alltag bringt für jeden Menschen immer wieder Aufgaben, Sorgen, Ängste mit sich, die auf die unterschiedlichste Weise zu einer Belastung werden. Klar, Sorgen und Probleme kennen ein unterschiedliches Ausmaß, unterscheiden sich in der Wirkung und können von „Das belastet mich im Moment und ärgert mich“ bis hin zu „Es ist existenziell“ reichen.
Im vertrauensvollen Miteinander gehört es bei Menschen dann dazu, dass sie mit ihrer/m Liebste/n, dem Freund oder dem guten Berater bzw. Coach offen und direkt auszutauschen. Erwartet wird eine emotionale Unterstützung, eine Hilfestellung oder ein Ratschlag, der eine Lösung bringen kann. Wenn´s funktioniert – bestens.
Allerdings wartet im Alltag sehr häufig eine große Falle: der Hang, die Sorge oder ein Problem des anderen Menschen in eine Relation zu setzen. Gemeint ist damit, dass sich natürlich immer ein „größeres“, „komplexeres“, „existenzielleres“ Problem finden lässt. Ein Vergleich, der Mut machen soll, dass „das, was Dich gerade so viel beschäftigt, die Angst macht und Kraft kostet, doch gar nicht so schlimm ist“. Mag sein, doch in den meisten Lebenssituationen hilft das nicht weiter.
Warum? Sorgen, Ängste und Problem sind emotional getrieben. Emotionen kennen keine Hierarchie oder die Fähigkeit, sich sofort in Relation zu anderen Dingen des Lebens setzen zu lassen. Zu (ver)urteilen, dass die Emotion des anderen ja gar nicht so bedeutsam und der Sache nicht angemessen ist, wird schnell zu einer Eskalation der Situation führen. Kurzum: Das Miteinander funktioniert nur dann vertrauensvoll und partnerschaftlich, wenn das Thema bzw. die Emotion, die einer der Beteiligten hat, als solches angenommen und ernst genommen wird.
Was gemeint ist, wird am einfachsten beim Blick auf die Eltern-Kind-Beziehung deutlich. Wenn ein Kind zu seinen Eltern mit einem Problem aus seiner Lebenswelt, z.B. Kindergarten oder Spielplatz, kommt, dann ist das für das Kind ohne wenn und aber wichtig. Das Kind sucht Hilfe und hofft auf Unterstützung. Verantwortungsvolle Eltern nehmen sich dem Kind an, hören zu, nehmen die Sorgen ernst und helfen dabei, eine kindgerechte Antwort zu finden. Sie unterstützen. Dem Kind geht es besser, die Situation entschärft sich. Lebensfreude, Mut und Energie kehren beim Kind zurück. Mit Neugier geht es weiter durchs Leben.
Nun stellen Sie sich die Eltern-Kind-Situation ein zweites Mal vor. Jetzt setzten die Eltern das Problem oder die Emotion des Kindes sofort in Relation zu ihren eigenen Herausforderungen. Sie hierarchisieren das Problem des Kindes, in diesem Fall sogar verschlimmernd in die „Erwachsenenwelt“. Die Eltern werden dem Kind dann sehr klar aufzeigen, dass „das doch gar kein Drama ist“. Was meinen Sie? Wie wird sich das Kind fühlen? Wird das Kind auch das nächste Mal wieder mit seinen Sorgen zu seinen Eltern kommen? Oder wird es sich allein gelassen und nicht ernst genommen fühlen?
So, wie es bei dem Beispiel des Kindes für jeden Erwachsenen nachvollziehbar ist, dass eine Hierarchisierung der „größte Mist“ ist, müsste es auch klar sein, wenn es um Konstellationen in der Erwachsenebene ist. Kurzum: Wer wirklich als Partner, Freund oder Coach agieren will, der verzichtet auf jegliche Bewertung der Dimension des Problems. Er ist einfach da, hört zu, unterstützt und zeigt Wege auf. Dann wird es niemals das Gefühl geben, dass sich jemand falsch verstanden, nicht gehört oder allein gelassen fühl. Und aus dem großen Problem wird vielleicht auch ein „Problemchen“, das sich ganz fix lösen ließ.
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.