Von Holger Hartwig*
Sie wird immer mehr zum Thema in den Medien: die KI. Aktuell wird viel darüber berichtet, wie diese KI Texte verfasst zu allen Themen, die das Leben auf dieser Welt so hergibt. Ob die KI also auch Texte für „Leichter Leben“ schreiben könnte? Wohl kaum, denn was das „Leichter Leben“ betrifft, stellt sich die Frage, wofür die Abkürzung KI am Ende steht. „Künstliche Intelligenz“ oder doch „Keine Intelligenz“?
Natürlich gibt es mittlerweile viele Lebensbereiche, in denen mit der Weiterentwicklung der digitalen Technik Systeme und Automatismen entwickelt wurden, mit denen der Alltag komfortabler und leichter wird. Alle diese Systeme haben aber eines gemeinsam: Sie nehmen dem Nutzer einen Teil des eigenen, logischen Denkens ab. Sorgt also immer mehr „Künstliche Intelligenz“ im Altag dafür, dass der Mensch immer weniger eigene Intelligenz benötigt?
Nehmen wir als Beispiel das Wohnen der Zukunft. Bisher mussten Sie für Ihre Wohnung komplett selbst „sorgen“. Heizen, Lüften, Saubermachen – wer mitdachte, der hatte keinen Schimmel, eine angenehme Raumtemperatur und es lag kein Staub auf den Möbeln. Künftig – es ist nicht die Frage ob, sondern nur wann – werden viele Sensoren in ihrem Heim die Aufsicht übernehmen, und Ihnen mitteilen, was Sie wann zu tun hätten. Gerade jetzt, in Zeiten, in denen viel über Klimawandel und Energiesparen gesprochen wird, macht der Gesetzgeber in dieser Hinsicht immer mehr Tempo. Bisher mussten Sie für Ihre Ernährung selbst sorgen, d.h. darauf achten, dass der Kühlschrank ausreichend gefüllt war und die Lebensmittel darin nicht abgelaufen sind. Der Kühlschrank der Zukunft wird Ihnen das abnehmen. Durch „Einkaufsabos“ bei dem Händler ihrer Wahl werden die Kosten für Butter, Wurst, Eier und Käse mit günstigeren Preisen versehen, und Sie bekommen Bescheid, was genau Sie wann zu welchem Preis kaufen sollen. Erste Ansätze dafür gibt es ja bereits. Es würden sich viele weitere Beispiele finden – auch oder vor allem bei der Frage, wie und welche Informationen aus der Politik bzw. der Welt Sie wann und wie „zugespielt“ bekommen. Auch hier zeigen Google, Facebook und Co. bereits in Ansätzen, wie „passgenau“ das Denken und die Interessen der „Konsumenten“ bedient werden. Kurzum: Mit der Künstlichen Intelligenz wird das Leben, aber auch die Steuerung des menschlichen Handelns und Denkens, immer mehr übernommen.
Ist doch gut, all´ das macht doch das Leben sorgloser und befreiter. Stimmt. Nur: Die Geschwindigkeit und die Vielfalt, mit der die Künstliche Intelligenz in alle Lebensbereiche vordringt, ist noch lange nicht ausgereizt. Bisher gibt es auch keine Ansätze, ein „Tempolimit“ oder – um bei dem Beispiel zu bleiben – „Fahrverbotszonen“ für den Einsatz der KI zu schaffen. Volle Kraft voraus, das ist das Motto.
Was bedeutet es, wenn durch die vielen kleinen intelligenten praktischen Lebenshelfer der Mensch immer weniger selbst denken und handeln muss? Was macht es mit dem Menschen, wenn dadurch bei zentralen Alltagsthemen die Eigenverantwortung sinkt? Die Anforderung an die eigene Intelligenz bzw. die Notwendigkeit des Einsatzes dieser sowie der eigenen geistigen Fähigkeiten wird sich immer weiter reduzieren. Gleichbedeutend ist das auch damit, dass die Masse der Menschen durch die KI-Systeme „geführt“ – oder manipuliert? – werden kann. Und alles funktioniert nur so lange, wie die Systeme ausreichend mit Strom versorgt werden.
Mit Blick auf das „Leichter Leben“ stellt sich heute unabhängig von dem Thema KI die Frage: Leben eigentlich die Menschen „er“leichterter, die selbstbestimmt und eigenverantwortlich agieren können, oder die, die sich in Zwängen und Abhängigkeiten bewegen – ganz gleich, ob es um finanzielle oder technische Aspekte geht?
Die Antwort ist eindeutig: „Leichter Leben“ lässt sich besser ohne Zwänge und Abhängigkeiten. Deshalb ist es so wichtig, bei allen technischen Lösungen immer die Frage zu stellen: Was macht die „Künstliche Intelligenz“ mit meinem Denken und Handeln? Was für Auswirkungen hat sie langfristig auf meine persönliche Intelligenz bzw. meine geistigen und körperlichen Fähigkeiten? Diese Frage gilt es besonders auch für die Kinder zu stellen, die mit dieser neuen KI aufwachsen. Überlegen Sie einmal, was Computer, Handy und Playstation mit vielen Kindern bereits in den zurückliegenden 30 Jahren gemacht haben? Über Generationen war es völlig normal, an der frischen Luft zu sein und sich dann dabei dann auch irgendwelche Spiele selbst auszudenken. Und heute? Wie oft kommt von Kindern, wenn sie keine Technik mit Spielen etc. zur Verfügung haben die Frage „Was soll ich machen?“ Kreativität ist auch ein Baustein von Intelligenz.
Fazit: Nur, wenn die „Künstliche Intelligenz“ nicht bedeutet, dass die eigene Intelligenz und Fähigkeiten auf der Strecke bleiben, wird die KI einen dauerhaften Nutzen haben. Ansonsten wird aus den Erleichterungen nichts anderes als Abhängigkeit und „Verdummung“.
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er unterstützt Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.