Von Holger Hartwig*
„Wie geht es Dir?“ – diese Frage bekommt wohl jeder mehrfach am Tag gestellt. Sehr gerne wird die kürzeste aller Antworten „genommen“: „Gut!“. Dann geht es schnell zum nächsten Thema. Spannend wird es, wenn die Antwort so ausfällt, wie die Lage gerade tatsächlich ist. Dann zeigt sich, ob die Frage eine klassische Gesprächsfloskel oder interessiert und ernst gemeint war. Sehr oft können die Fragenden mit einer ehrlichen Antwort wenig anfangen und wenn beispielsweise gleich zum Thema Wetter gewechselt wird und Sie wissen, wie sich das Gegenteil von ehrlichem Interesse anfühlt.
Wie ist es denn tatsächlich, wenn die Frage kommt, wie es einem geht? Kann jemand sagen „Mir geht es gut“. Ja, kann er oder sie, denn es ist eine Frage der inneren Haltung. Im Prinzip geht es einem immer gut. Es gibt fast nichts, was ein Mensch nicht für sich zum Positiven anpacken, verändern und gestalten kann. Einzige Ausnahme ist eine Krankheit – da braucht es vor allem medizinische Unterstützung, Medikamente und die Heilungskräfte des eigenen Körpers.
Eine gute Möglichkeit, dass es einem insgesamt gut geht, ist der Gedanke „Irgendwas ist immer“, sozusagen der „Joker“ für die innere Haltung. Denn: Jeder Mensch hat fast immer irgendetwas, was nicht optimal ist oder nicht so gut läuft. Wer das Gegenteil behauptet und sagt, dass es ihm/ihr so richtig gut geht, der möge den Moment bzw. den Tag richtig genießen.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Sich auf das, was gerade nicht so top ist, fokussieren und das Dramatisieren – oder mit dem „Joker-Gedanken“ dafür sorgen, dass mit dieser inneren Haltung und der Einstellung zum Tag mehr Gelassenheit, Freude und positiven Gestaltungswillen möglich ist. Und auf die Frage „Wie geht es Dir?“ dann die ehrliche Antwort geben: „Du weißt ja: Irgendwas ist immer“. Dann kann ihr Gesprächspartner entscheiden, ob er direkt im Anschluss fragt: „Was hast Du denn? Kann ich Dir helfen?“ oder das Thema wechselt. Sie jedenfalls bleiben ehrlich.
Eine interessante Form des „Joker-Gedankens“, dass immer irgendetwas ist, haben übrigens die Ostfriesen. „Nützt je nix“, heißt es kurz und knapp auf Plattdeutsch. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es immer etwas gibt, was die Stimmung oder Situation trüben kann, sich das aber nun einmal nicht ändern lässt. „Nützt je nix, dat is nu man so“ ist Ausdruck einer innere Haltung, Situationen anzunehmen, nicht zu jammern und das Beste daraus zu machen. Eine Haltung, mit der die Herausforderungen des Tages, die so oder so kommen gelassener angegangen werden können. Und sei es die manchmal im ersten Moment erkennbare Alibi-Frage „Wie geht es Dir?“. Auch da gilt: Nützt je nix, es gibt halt Menschen, die oberflächlich sind und in Wirklichkeit gar nicht wirklich wissen wollen, wie es einem geht.
PS: Nützt je nix – dazu hatte in der Corona-Zeit der Pastor der Gemeinde St. Ansgari in Hage bei Norden, Ingo Wiegmann, eine kleine Andacht, sein „Wort der Woche“, gehalten. Sehen- und hörenswert – hier der Link:
https://www.youtube.com/watch?v=AfjgimWju2w
* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er unterstützt Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.