Vom Muss

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Von Holger Hartwig*

Es gibt ein Wort, das fast jeder Mensch automatisch in seinem Wortschatz hat: MUSS. Wie oft höre ich am Tag von anderen „Ich muss noch…“ oder wenn es blöd läuft „Du musst noch…“ Wenn dieses Wort mit den vier Buchstaben in meine Richtung fällt, dann reagiere ich mittlerweile allergisch. Ich MUSS gar nichts – außer irgendwann sterben, das steht unwiderruflich fest. Eine Binsenweisheit. Ansonsten hat mich das Leben gelehrt, dass ich ganz allein entscheiden DARF, was ich wann wie und wo und überhaupt mache.

Aber warum verwenden sehr viele Menschen das Wort muss? Wieso empfinden sie, dass sie so vieles in ihrem Leben müssen? Meist fängt das bereits im Kleinkindalter an, wenn die Eltern Anweisungen mit dem Muss-Befehl geben. In der Schule gibt es dann auch meist dieses Wort, statt mehr darauf zu achten, dass es auch toll sein kann, etwas Neues lernen oder machen zu dürfen. Überlegen Sie mal, wie das im Erwachsenenalter ist: Je besser eine Sache schmackhaft gemacht wird, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie bei einem Produkt oder einer Dienstleistung zugreifen. Wenn in der Werbung gesagt wird: Das müssen Sie haben… dann kaufen Sie das bestimmt nicht oder selten mit größter Freude.

Oder wie oft höre ich den Satz: Ich muss ja zur Arbeit. Ja, für viele ist das Muss mit der Arbeit und dem Geld verdienen eine Belastung. Aber ist es auch noch eine Belastung, wenn sie sich im Job wohlfühlen, weil sie anerkannt werden, das Umfeld stimmt oder die Entlohnung? Wohl kaum. Also wenn Sie feststellen, dass Sie zur Arbeit müssen, dann dürfen sie ab diesem Moment darüber nachdenken, ob es eine Alternative gibt. Sie dürfen an ihrem Weg zu mehr Zufriedenheit „arbeiten“ – und Sie werden einen Weg finden, damit es Ihnen besser geht und Sie zufriedener werden.

Denken wir einmal weiter: Was passiert denn, wenn Sie ab sofort die Worte „ich muss“ immer durch „ich darf“ ersetzen? Konsequent, in mündlicher und schriftlicher Form. Jeden Tag. Es wird sich etwas ändern.

Ich habe vor einigen Jahren damit angefangen, das MUSS im Denken und Handeln zu ersetzen. Heute stelle ich fest: Je öfter es mir gelingt, Dinge, egal aus welchem Bereich meines Lebens, nicht mehr zu müssen, sondern sie tun zu dürfen, desto gelassener bin ich geworden. Auch – und gerade dann – wenn unvorhergesehene Dinge passieren, die sorgfältig geschmiedete Pläne durchkreuzen.

Für mich fühlt es sich gut an, zu wissen: Ich darf mein Leben leben. Ich darf für mich verantwortungsvoll entscheiden. Ich darf mich so verändern, wie ich es möchte. Ich darf dafür sorgen, dass es mir gut geht und ich zufrieden bin. Und meistens ist das auch für die Menschen, die mich „ertragen müssen ;-)“, viel leichter, mit mir umzugehen, weil ich ausgeglichener bin.

Und Sie? Dürfen Sie auch schon oder müssen Sie noch?

* Der Autor ist Systemischer Coach, Kommunikationspsychologe (FH) und Heilpraktiker für Psychotherapie. Er coacht Menschen bei Herausforderungen, die das Leben privat oder beruflich mit sich bringt.


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