LEER Die Entsorgung von Abfällen betrifft alle Menschen im Kreis Leer. Ab dem nächsten Jahr müssen sie sich umgewöhnen. Papier wird nicht mehr in Säcke „gedrückt“, sondern es wartet die Blaue Tonne. Was sich sonst noch ändern könnte, wie die Strategie für die kommenden Jahre aussehen wird und wo wie investiert wird – nachfolgend lesen Sie die Antworten des Landkreises Leer bzw. seines Tochterunternehmens ALL und dessen Betriebsleiter Klaus Anneken auf eine Vielzahl an Fragen.
Was werden die zentralen Herausforderungen für die Abfallbeseitigung für die Haushalte und Unternehmen in den kommenden Jahren (z.B. wie lange laufen die Verträge für die Abnahme des Restmülls mit Partner?)
Wir haben eine bis 2030 laufende Zweckvereinbarung für die Restabfallentsorgung mit dem Abfallwirtschaftsbetrieb der Grafschaft Bentheim geschlossen. Dadurch ist eine langfristige Entsorgungssicherheit gegeben. Die Gewinnung von Rohstoffen aus Abfällen ist sicher die zentrale Aufgabe der Entsorgungswirtschaft.
In dem Beteiligungsbericht 2021 heißt es: „Die strategischen Ziele des Eigenbetriebs sind im Abfallwirtschaftskonzept für den Landkreis Leer 2017-2021 festgehalten“. Sind diese strategischen Ziele zwischenzeitlich fortgeschrieben worden? Wenn ja, wie lauten diese und wie sind diese begründet?
Das neue Abfallwirtschaftskonzept gilt von 2022 bis 2026 und tritt nach Beratungen 2022 in Kraft. Der Entwurf mit den vorgeschlagenen Zielvorstellungen und Maßnahmen wurde in der letzten Betriebsausschuss-Sitzung nur vorgestellt. Danach haben die Ausschussmitglieder bis zur nächsten Sitzung Zeit, sich mit den Inhalten des Abfallwirtschaftskonzeptes zu beschäftigen und diese in den Fraktionen zu beraten. Eine Aussprache über den Entwurf ist für die nächste Sitzung des Betriebsausschusses Abfallwirtschaft, die Ende Januar 2022 terminiert wird, vorgesehen. Danach erfolgt ein Beteiligungsverfahren. Wir gehen von einer Beschlussfassung im Mai 2022 aus.
Im Beteiligungsbericht des Kreises für 2021 sind für das Jahr 2019 erstmals ein Überschuss ausgewiesen, nachdem Jahre zuvor immer ein Minus als Jahresergebnis stand. Wie ist das positive Ergebnis von etwa 2,8 Mio. Euro zu erklären?
Es handelt sich dabei um ein Ergebnis, das fast ausschließlich durch die Bewertung des Barwertes für die Rückstellung der Nachsorgekosten entstanden ist. Für zukünftige Betriebskosten für die Nachsorge der Deponie wurden Rückstellungen gebildet, die durch Gutachter bewertet werden.
Wie ist das positive Ergebnis zu rechtfertigen mit Blick darauf, dass Müllentsorgung eine kommunale (kostendeckende) Aufgabe ist?
Grundsätzlich verfahren wir auch danach. Da jährliche Plan-Abweichungen – z.B. durch unvorhergesehene Kosten- oder Erlössteigerungen natürlich vorkommen -, gibt es die Möglichkeit, Entgeltausgleichsrückstellungen zu bilden und aufzulösen. Dadurch führen Veränderungen im Ergebnis nicht gleich zu Veränderungen der Entgelte, die an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden.
Wie stellt sich die wirtschaftliche Lage im Jahr 2020 dar (Jahresabschluss) und was wird für 2021 als Jahresergebnis erwartet?
Der Jahresabschluss für 2020 schließt mit einem Verlust von etwa 2 Mio. Euro ab. Dieser kann vollständig aus der Gewinnrücklage für Nachsorge gedeckt werden und wirkt sich somit nicht auf die Abfallgebühren für die privaten Haushalte aus. Zum voraussichtlichen Jahresergebnis in diesem Jahr können zum jetzigen Zeitpunkt noch keine verlässlichen Aussagen getroffen werden, weil das Ergebnis – wie in den Jahren 2019 und 2020 – entscheidend von der Barwertberechnung der Nachsorgekosten abhängt.
Mit Beginn des Jahres 2021 ist die Gebührenordnung neu gefasst worden und der Grundbetrag in diesem Zusammenhang gesenkt worden, während die Preise für Restmüllsäcke erhöht wurden.
Wie haben sich diese Änderungen auf die Einnahmen des ALL ausgewirkt?
Die Einnahmen sind insgesamt gesunken.
Haben die erhöhten Preise für die Restmüllsäcke bei den Verbrauchern Veränderungen im Verhalten bewirkt?
Ja. Die Verbraucher trennen ihre Abfälle besser, was sich an höheren Mengen bei Papier, Grünabfall und Leichtverpackungen (Gelber Sack) zeigt.
Was gibt es darüber hinaus für Erkenntnis im Zusammenhang mit der veränderten Gebührenordnung?
Die zum 1. Januar 2021 eingeführte Gebühr für die Abholung von Sperrmüll hat zu einer drastischen Reduzierung der eingesammelten Sperrmüllmenge geführt und damit auch zu deutlich geringeren Kosten.
Ist eine weitere Anpassung und wenn ja vorgesehen? Oder kann eine Preisstabilität für die kommenden Jahren zugsichert werden?
Im nächsten Jahr steht eine neue Gebührenkalkulation für die Jahre ab 2023 an, aus der sich mögliche Anpassungen ergeben können.
Stichwort Deponie in Breinermoor: Welche Investitionen sind dort in den kommenden Jahren geplant? Der Landkreis Leer will auf der Deponie mehr als 500.000 Euro investieren, um eine neue Deponieschwachgasbehandlungsanlage zu bauen und Kondensat-Abscheider zu erneuern. Für die Schwachgasanlage bekommt der Abfallwirtschaftsbetrieb eine Projektförderung von 50 Prozent – maximal ca. 340.000 Euro. Das Geld stammt aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative.
Durch biologische Prozesse innerhalb des Deponiekörpers (also der dort gelagerten Abfälle) bildet sich immer noch Deponiegas, das auch klimaschädliches Methan enthält. Dank verbesserter Technik kann dieses sogenannte Schwachgas besser gesammelt und verwertet werden – und dazu soll die neue Anlage dienen, die in Breinermoor geplant ist. Sie ermöglicht es, das Deponiegas zu verbrennen und daraus Wärme zu gewinnen, mit der dann Gebäude auf dem Gelände des Entsorgungszentrums Breinermoor beheizt werden können. Fertigstellung und Inbetriebnahme sind für das zweite Halbjahr 2022 vorgesehen.
Wir denken seit einiger Zeit darüber nach, den Wertstoffhof Breinermoor zu modernisieren. Alle Wertstoffhöfe im Landkreis sind ein Erfolgsmodell. In diesem Jahr werden wir über 100.000 Anlieferungen auf unseren sechs Höfen zählen können. Wir wollen in Breinermoor darauf reagieren in den nächsten Jahren unseren Kunden einen besseren Service bieten.
Gibt es aktuell bekannte Risiken, die von der Deponie ausgehen und zu berücksichtigen sind?
Das Deponiesickerwasser wird erfasst und in einer speziellen Kläranlage gereinigt. Deponiegas wird erfasst und entweicht nicht in die Atmosphäre. Das alles ist aber lange geübte Praxis und stellt kein Risiko dar.
Ausblick Entsorgung: Ab Januar 2022 werden im Kreisgebiet die Blauen Tonnen für Altpapier verteilt. Laufen die Vorbereitungen wie geplant? Was erwarten Sie mit dem Start der Blauen Tonnen im 2. Quartal?
Ja. Mehr als die Hälfte der ca. 80.000 Behälter wurden bereits in Breinermoor angeliefert und warten dort auf die Verteilung, die Anfang/Mitte Januar beginnt.
Wie wird die weitere Informationspolitik Richtung Bürger aussehen?
Die Bürger werden über Print- und Radiowerbung und über Social Media informiert. Entsorgungsfahrzeuge wurden bereits mit Infoplakaten beklebt und Anfallstellen mit mehreren Wohneinheiten wurden angeschrieben, damit die Anzahl der benötigten Behälter abgestimmt werden kann. Auch über unsere App „MyMüll“ werden die Nutzer informiert. im Rahmen der Auslieferung werden an die Behälter Flyer gehängt mit den wichtigsten Informationen für die Nutzung der Tonne durch die Bürger*innen.
In anderen Region erfolgt die Leerung alle 14 Tage, im Kreis Leer sind 4 Wochen als Zeitraum zwischen den Abholungen vorgesehen. Was machen Haushalte, bei denen die Tonne zu schnell voll ist? Wird es dort eine Evaluierung geben, nachdem der Betrieb läuft? Wird es zusätzliche Sammelcontainer geben (so wie bei Glas?)
I.d.R. findet die Abfuhr der PPK-Behälter in den Kommunen in Deutschland alle 4 Wochen statt, weil das Volumen 240 Liter dafür erfahrungsgemäß ausreicht. Natürlich werden von uns weitere Behälter gestellt, wenn es dafür nachweislich Bedarf gibt. Sammelcontainer sind nicht vorgesehen.
Die Sensibilisierung der Menschen für das Thema Müll hat eine große Bedeutung. Wie diszipliniert trennen die Menschen im Kreis Leer korrekt ihren Müll?
Wir sind sehr zufrieden mit der getrennten Bereitstellung. Untersuchungen in der Vergangenheit haben bestätigt, dass es sehr wenige sogenannte Fehlwürfe gibt. Leider nimmt die Vermüllung der Glascontainerstandorte immer mehr zu. Ein Mitarbeiter des ALL ist täglich unterwegs und sammelt diese Mengen ein. Das ist eine sehr unerfreuliche Entwicklung, weil der Aufwand von allen Entgeltzahlern*innen im Landkreis Leer getragen werden muss.
Wie wird mit Blick auf Kinder und Jugendliche ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema Müll bisher gefördert? Was ist für die Zukunft geplant?
Die Etablierung des Entsorgungszentrum Breinermoor (EZB) als außerschulischer Lernort Das EZB soll als Medium genutzt werden, um abfallwirtschaftliche Zusammenhänge vor Ort praktisch erfahrbar zu machen. Zielgruppen sind in erster Linie Lernende aus Grundschulen und der Sekundarstufe 1. Die Abfallpädagogik soll weiterhin einen Schwerpunkt im Rahmen der Aktivitäten des ALL bilden und ausgebaut werden. Der ALL möchte den Aufbau eines außerschulischen Lernortes am Entsorgungszentrum Breinermoor initiieren. Die bestehenden Anlagen und Einrichtungen sind dabei einzubeziehen. Neben den bestehenden Einrichtungen soll zusätzlich ein neuer Bereich auf dem Gelände des Entsorgungszentrums geschaffen werden, der speziell als außerschulischer Lernort (ALO) ausgestaltet wird.