Aufgeschnappt – 20. Februar 2022

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Von dem Debakel der CDU-Kreischefin

Ist es nur eine faustdicke Überraschung oder eine brutale „Abstrafung“? Auf jeden Fall wird der gestrige Tag für die CDU im Kreis Leer Folgen nach sich ziehen. Die Kreisvorsitzende der Partei, Melanie Nonte (Hesel), hat bei der hybriden Nominierung der CDU-Kandidatur im Wahlkreis 84 (Gemeinden Borkum, Bunde, Jemgum, Moormerland, Weener und Westoverledingen ) eine deutliche Schlappe erlitten. Sie, die immerhin auch Mitglied des Präsidiums der CDU in Niedersachsen ist, erhielt die Zustimmung von lediglich 36 der 148 abgegebenen Stimmen.

Anstelle von Melanie Nonte schicken die Christdemokraten nun die „Senkrechtstarterin“ aus Westoverledingen, die Vorsitzende des dortigen Gemeindeverbandes, Silke Kuhlemann, ins Rennen um das Mandat in Hannover. Tatjana Meier-Keil hatte ihre Bewerbung vor wenigen Tagen erst zurückzogen. Steckt hinter dem katastrophalen Ergebnis der Kreischefin ein Lagerkampf? In der CDU ist jedenfalls hinter den Kulissen gerade mal wieder „der Bär los“. Damit kennt sich die Partei ja auch bestens aus. Was das gestrige Ergebnis für die Kreis-CDU am Ende bedeutet? Abwarten.

In der Geschichte der Partei hat es so eine Situation schob einmal sehr ähnlich gegeben, als eine Nominierungsniederlage den Kreisverband „durchrüttelte“. In den 1990er Jahren war es Hermann Lachmund aus Warsingsfehn, der nach vielen Jahren intensiver Parteiarbeit für den Landtag antreten wollte. Wie „Kai aus der Kiste“ tauchte damals Gitta Connemann als Gegenkandidaten auf und setzte sich gegen Lachmund im Rathaussaal der Samtgemeinde Jümme in Filsum durch. Lachmund war dann sehr schnell politisch Geschichte. Connemann – sie wird von Parteikennern eher dem „Lager“ der gestern unterlegenen Nonte zugeordnet, was natürlich nie jemand öffentlich sagen wird – gewann zwar dann auch nicht das Mandat für Hannover, wurde aber schon bald Kreisvorsitzende, bis sie später zurücktrat und erst zur Nominierung der Nachfolge von Rudolf Seiters für den Bundestag wieder aus der Versenkung „auftauchte“. Kurzum: Die CDU im Kreis Leer – da wird es nie langweilig. Sie ist immer für eine Überraschung gut und nichts ist unmöglich. Man darf gespannt also sein, welche Geschichten die Partei als nächstes liefert – und wie dann das Duell Kuhlemann vor allem gegen den oder die junge(n) Nachfolger(in) von Johanne Modder in der SPD ausgeht…

Von Trend-Diskussionen

In der Stadt Leer will die SPD/Linke nun also mit einem Bürgerwindpark dafür sorgen, dass Leeranerinnen und Leeraner dem Thema Windenergie mehr Positives und vor allem auch Mitverdienste abgewinnen können. Ein schönes Thema – passt ja voll in die aktuellen Trend-Themen. Allerdings: Die wichtigste Grundlage für das Aufstellen einer Windkraftanlage ist ein genehmigungsfähiger Standort. Dafür braucht es entsprechende beplanbare Flächen. Und mit freien Flächen hat es die Stadt bekanntermaßen nicht so – siehe fehlende Gewerbeflächen. Und beim Blick auf mögliche Standorte für einen Bürgerwindkraftanlagen-Park hilft ein schneller Blick in den städtischen Flächennutzungsplan. Und siehe da: Darin ist stadtweit kein weiteres Areal für derartige „Spargel mit rotem Kopf“ ausgewiesen. Was das bedeutet? Selbst wenn alles zusammenpasst (es gibt eine geeignete Fläche, der Grundstückseigentümer will verkaufen oder sich beteiligen), ist es bis zur Realisierung ein weiter Weg. Denn als erstes müsste in einem durchaus etwas aufwendigem und zeitintensiven Verfahren der Flächennutzungsplan geändert werden. Und danach folgen weitere Schritte, bei denen auch betroffene Anlieger gehört werden müssen. Deshalb: Viel Glück bei den weiteren Überlegungen – aber bitte ehrlich sein bei all dem klimafreundlichen politischen Rückenwind in diesen Tagen: Es gibt im Kreisgebiet weit mehr Potenzialflächen, als es in Leer jemals sinnvolle Areale geben wird…

Digitaltipp: Die Sturmflut 1962 in Völlen

An diesem Wochenende tobten gleich zwei große Stürme über Norddeutschland – und dabei kamen viele Erinnerungen an die Megaflut im Februar vor 60 Jahre hoch. Damals brach der Emsdeich bei Völlen – und viele andere kamen mit einem blauen Auge davon. Bereits zum 50. Jahrestag des Deichbruches hatte die Gemeinde Westoverledingen bereits eine filmische Dokumentation der Flut erstellt – sehenswert. Hier geht´s zu dem Beitrag bei YouTube:

https://www.youtube.com/watch?v=90W55WVjUeg

Von der Bahn-Odyssee

„Unternehmen Zukunft – Deutsche Bahn“ – diesen Slogan kennen Sie sicherlich. Nun gut, die Stürme am Wochenende haben wieder Herausforderungen mit sich gebracht. Was der Autor dieser Zeilen gestern allerdings erlebt hat, zeigt, wie schnell ein Orkan ein Konzern durcheinander bringt. Es ging um die Rückfahrt von Berlin nach Hamburg. Hier ein Kurzprotokoll Bis 15.20 Uhr war klar: Der Zug um 16.48 Uhr fährt. 15.25 Uhr – nein, es fährt erst der Zug um 19.48 Uhr. Ok, warten am Hauptbahnhof. Gegen 16 Uhr die Info: Fragen Sie um 17.30 Uhr nochmal – „Dann fährt die Bahn oder Sie bekommen einen Gutschein für ein Taxi oder Hotel – bitte bis dahin Geduld haben.“ Ok. 17.30 Uhr erneute Nachfrage: „Nein, keine Gutscheine. Um 18 Uhr fährt ein Bus gegenüber vom Bahnhof los. Am besten Sie warten da“. Also hinaus aus in die Kälte. 18 Uhr – kein Bus, 18.15 Uhr kein Bus. Nachfrage beim Bahnmitarbeiter: „Der Zug um 19.48 soll immer noch fahren laut Plan. Ist das so oder wann kommt denn ein Bus?“ Antwort: „Eigentlich ist er schon da… Aber Züge fahren heute definitiv nicht mehr. In Hamburg ist eine wichtige Eisenbahnbrücke kaputt.“ Ok – wenigstes das ist jetzt klar. Es bleibt also nur der Bus – weil auch für den heutigen Sonntag alles unklar ist. Aber wo bleibt denn nun der Bus? Es ist 18.30 Uhr – es warten mittlerweile etwa 150 Leute – und drei Busse rollen heran. Die Tür öffnet sich und der Fahrer sagt: „Bitte einsteigen, ich bringe Sie nach Hannover!“ Hannover, nicht Hamburg? Protest. Der Fahrer sagt: „Mir ist es egal. Ich fahre auch nach Hamburg. Wir können dann sofort losfahren, wenn ich die Freigabe bekomme.“ Es wird telefoniert und telefoniert. 15 Minuten später die Entscheidung: Nein, die drei Busse, die noch nicht da sind, fahren nach Hamburg, die anderen drei fahren nach Hannover (auch wenn es keine Gäste gibt). Das hat ein Chef entschieden. Es dauert, dann kommen um 18.45 Uhr auch endlich die Busse nach Hamburg. Sie hatten eine eine lange Zeit auf der anderen Seite des Hauptbahnhofes auf Fahrgäste gewartet. Alles nun gut? Sollte man wohl meinen. Nein, denn es ist wieder warten angesagt. Die drei Fahrer der Hamburg-Busse müssen erst die gesetzlich vorgeschriebene Pause von 45 Minuten machen. Also sitzen alle mit Corona-Maske dicht an dicht und warten. Irgendwann geht es dann tatsächlich los. Statt 18 Uhr allerdings etwa halb acht. Immerhin – die Fahrt bis Hamburg-Hauptbahnhof ist gesichert. Der Fahrer hat Humor, die Stimmung ist jetzt gelöst. Alle sind froh, dass die Zeit des Wartens – einige sind zwei Tage in Berlin gewesen und hatten immer wieder gehofft, dass doch noch ein Zug fährt –  ist vobei. Irgendwann gegen Mitternacht freue ich mich auf das warme Bett…

Hoffen wir also, dass mit diesem Wochenende die „Sturmsaison 2021/22“ ein Ende gefunden hat. Ein besonderer Dank geht an alle, die als Helfer, Retter, Busfahrer etc. im Einsatz waren und Ruhe bewahrt haben.

Und ich habe nun auch das erste Mal in meinen Leben Texte in einem Linienbus von Berlin nach Hamburg geschrieben – eng und kuschelig auf den Knien und etwas holprig. Leider nicht alles Zeilen, die ich noch in der Bahn in aller Ruhe schreiben wollte. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Nächste Woche dann bestimmt wieder mehr „Aufgeschnapptes“.

Passen Sie gut auf sich auf, bleiben Sie immer fröhlich und einen schönen Sonntag. Munter holln… HH

Holger HartwigAufgeschnappt – 20. Februar 2022