Verein Junger Kaufleute: Amantis-Trio zu Gast im Theater an der Blinke
Von Barbara Fischer*
LEER Nicht versäumen, bitte: In vier Sätzen von Bonn nach Wien inklusive Stadtbummel durch die Gassen unter fachkundiger Führung und obligatorischem Kaffeehaus-Besuch. Zu buchen beim Amatis Trio oder beim Verein junger Kaufleute in Leer. Empfohlen wird ebenso die Teilnahme an einem Ausflug an den Fuß der Schweizer Alpen vom selbigen Veranstalter, wie auch das Top-Erlebnis einer überwältigenden Werk-Expressivität zum Abschluss dieses außerordentlichen Kurztrips.
Das Theater an der Blinke hätte daher etwas besser besetzt sein können; ein Teil der Gäste war vielleicht enttäuscht, den Sänger und Rezitator Thomas Quasthoff nicht erleben zu können, da dieser krankheitsbedingt absagen musste. Einem anderen Teil mag das eigentlich geplante Programm mit Musik aus den 1920ern sowie Feldpostbriefen aus dem Ersten Weltkrieg unbequem oder auch belastend gewesen sein.
Das Amatis Trio jedoch „pur“, mit einem zwar völlig anders gelagerten, doch nicht minder ansprechendem oder aufwühlenden Programm hören zu können, entpuppte sich als großer Glücksgriff. „It’s a joy“, so fasste Cellist Samuel Shepherd das Beethovensche Klaviertrio Es-Dur op. 1, Nr.1 zusammen, das mit Wohlklang und einer Fülle kleiner und kleinster Motive aufwartet. Nicht nur für das Publikum besaß das Werk hohen Unterhaltungswert, auch die drei Musiker (neben Samuel Shepherd auch Lea Hausmann, Violine und Mengjie Han, Klavier) beguckten, bestaunten die unzähligen „Figürchen“ mit Genuss und Charme, lächelten sie gleichsam an, kosteten das gemeinsame Spiel mit ihnen mit kunstvollem Humor und großer Freude aus, ein Gang durch eine klingende Wunderkammer. Auch das „Vallée d’Obermann“, eine Erzählung in Tönen von Franz Liszt ist reich an Besonderheiten, doch bei weitem nicht so heiter und unbeschwert wie das vorher Gehörte. Düsternis, Affekte und Effekte, eine (ebenfalls) ideenreiche Klangsprache, mentaler Tiefgang mit inneren Zwistigkeiten forderten eine gestalterische Interpretation mit langen Bögen, die den Fortgang der Geschichte bis zu ihrem abrupten Abbruch spannungsvoll gewährleisteten.
Das Amatis Trio wechselte mühelos vom Kabinett in eine Galerie und ließ ein opulentes Hell-Dunkel-Gemälde mit reichlich Dramatik entstehen. Vom Einzelbild quasi zum Zyklus: ihre Wandlungsfähigkeit, aber auch das Können, ein Abendprogramm in kontinuierlichem Crescendo nicht nur zu konzipieren, sondern musikalisch immer breiter werdend mit Leben und Inhalt zu füllen, bewiesen die Künstler mit Mendelssohns Klaviertrio Nr. 2 C-Moll. Geschlossenheit, perfekte Balance, absolute Gleichberechtigung, gegenseitige Achtung und gemeinsame Achtsamkeit für die Mendelssohnsche Sprache zwischen Kantilenen, Expressivität und eindrucksvollem Gehalt wie dem Choral im letzten Satz sorgten für große Begeisterung beim Publikum. Jeder applaudierte „für zwei“, um dieses großartige Erlebnis entsprechend zu würdigen. Verzicht auf das eine, doch Gewinn statt Verlust: das Amatis Trio machte es möglich.
* Hinweis: Diese Konzertkritik wird auf Hartwig am Sonntag veröffentlicht in Kooperation mit dem Verein Junger Kaufleute. Informationen zu dem Verein unter www.vjk-leer.de