Das Sonntagsthema: Alle Jahre wieder ein neues Netzwerk für die Geldbeschaffung

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Die Strukturkonferenz Ostfriesland war der Startschuss, Ems-Dollart-Region, Neue Hanse Interregio, Regionale Innovationsstrategie (RIS), Wachstumsregion Emsachse, Chancenregion JadeBay folgten. Wenn es um Netzwerke über kommunale, landes und internationale Grenzen hinweg geht, dann sind in den vergangenen Jahrzehnten mit stetiger Regelmäßigkeit der Fantasie keine Grenzen gesetzt gewesen. Die politischen Akteure schafften es, immer wieder neue Netzwerke aus der Taufe zu heben. Dabei ging es in steter Regelmäßigkeit immer nur um eines: Fördergelder erhalten, vorzugsweise aus Töpfen der Europäischen Region (EU).

In den kommenden Wochen nun wird das neueste „Netzwerk-Baby“ aus der Taufe gehoben. Dieses Mal motiviert durch die Landesregierung in Hannover, die bis 2027 in 14 neu geschaffenen Zukunftsregionen mehr als 95 Millionen Euro aus EU-Töpfen unters Volk bringen will. Besonders innovativ sind die Anforderungen an die Zukunftsregionen nicht. „Gefördert wird die regionale Zusammenarbeit, eine klare thematische Fokussierung sowie die Einbeziehung von Wirtschafts- und Sozialpartnern und von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren“ – wahrscheinlich ein Passus, der aus einem Konzept der 1990er Jahre per Copy & Paste eingesetzt wurde.

Sei´s drum. Wenn Fördermittel in die Region kommen sollen, muss man „dabei sein“. Insofern werden die Beratungen, ab Montag bis zum 9. März in den Gremien des Kreistages Leer zu einem Beteiligungsbeschluss führen, nur Alibi-Charakter haben. Und was meinen Sie, wie die Region heißen wird, an der sich der Kreis beteiligen soll? Man sollte es kaum glauben: „Zukunftsregion Ostfriesland“. Das ist der zutreffende Name für die Kooperation, die die Stadt Emden sowie die Landkreise Leer, Aurich und Wittmund eingehen wollen. Wittmund geht übrigens bei der Fokussierung auf EU-Töpfe sogar auf „Nummer sicher“ und wird weiterhin auch als Mitglied der Zukunftsregion JadeBay mit Wilhelmshaven, Friesland und Wesermarsch auftreten.

Was ist also vorgesehen, um – wie das Ministerium in Hannover formuliert – langfristig attraktive Lebensverhältnisse in allen Teilen Niedersachsens sicherzustellen? Erst einmal muss die Zukunftsregion Ostfriesland in Vorleistung gehen. Zwar gibt es eine Pauschale von 80.000 Euro für die Konzepterstellung, doch muss aus den Bürostuben wieder eine neue Konzeption erarbeitet werden. Wenn dann das Konzept anerkannt wird, dann kann der Rubel rollen. Zur Umsetzung von Einzelprojekten sind bis 2027 für Ostfriesland maximal fünf Millionen Euro vorgesehen. Die Förderquote beträgt – so schreibt der Kreis Leer in einer Sitzungsvorlage – nach jetzigem Stand 40 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten, so dass in Gänze ein Betrag in Höhe von 12,5 Mio. Euro angestoßen werden könnte.

Und gleich mitgeregelt ist auch die Frage der Bürokratie: Zur Umsetzung des Konzeptes gibt das Ministerium aus Hannover zwingend ein Regionalmanagement vor. Kosten pro Jahr: 150.000 Euro. Dieses soll – so ist es angedacht – in Aurich angesiedelt werden. Auch hier kommen 70 Prozent der Kosten aus Fördermitteln und den Rest zahlen die Kreise und die Stadt Emden. Macht für den Kreis Leer stand heute pro Jahr 11.250 Euro.

Diesen jährlichen Aufwand könnte man als Kleingeld ansehen im Vergleich zu den Fördergeldern, die eingeworben werden könnten. Aber mal ganz ehrlich: Warum fällt der Politik – angefangen von der EU über Bund und Land – nichts Besseres ein, als für Förderszenarien erst einmal wieder Struktur-Netzwerkvorgaben zu machen? Ist es denn nicht mittlerweile in Ostfriesland zur Selbstverständlichkeit geworden, dass über die kommunalen Grenzen hinweg gedacht wird? Was müssen das nun für erkenntnisreiche neue Konzepte sein, die da mit Berateragenturen auf den Weg gebracht werden? Ist es nicht vielmehr die natürliche Aufgabe von Institutionen in der Region, zukunftsorientiert und regionsübergreifend Ideen und Perspektiven zu entwickeln? Reichen die bisherigen Behörden, Verbände; Kammern und Vereine immer noch nicht aus?

Offenbar nicht. Politik muss immer wohl wieder neue Konstrukte mit neuen Namen und neuen Konstellationen entwickeln. Nur dann scheint es sich interessant, fortschrittlich und zukunftsorientiert anzuhören. Dabei ist die Aufgabe immer gleich geblieben in den vergangenen Jahrzehnten: Gute Ideen haben, passende Partner zusammenführen, Geldgeber überzeugen und dann Loslegen. Und die Erfahrung zeigt: Wenn es an etwas fehlt, dann an entschlossenen Akteuren und nicht selten an Geld. Aber eben nicht (mehr) an Netzwerken.

Was soll`s. Immerhin klingt Zukunftsregion Ostfriesland mal wirklich gut und fasst zudem eine historisch gewachsene Struktur begrifflich und räumlich zusammen. Und wenn´s dann Geld in die Region bringt, ist es besser, als wenn die Fördersummen nur in den Rest Niedersachsens wandern. Es möge bloß niemand erwarten, dass die „normalen Menschen“ den Überblick behalten.

Holger HartwigDas Sonntagsthema: Alle Jahre wieder ein neues Netzwerk für die Geldbeschaffung