Die Baubranche boomt. Wer heute einen Fachhandwerker braucht, der muss Geduld mitbringen. Unternehmen berichten, dass sie bis zu einem Drittel der möglichen Aufträge wegen fehlendem Personal nicht annehmen und ausführen können. Die Gefahr einer neuen „Schwarzarbeit“ am Bau wächst.
Worum geht es? Ein Fachbetrieb aus dem Kreis Leer berichtet, dass auf dem Markt immer mehr Baustellen aktiv sind, auf denen keine ausgebildeten Fachleute zu finden sind. Er berichtet, dass ein „Bauunternehmer“ erst im nördlichen Emsland, dann im Kreis Leer und nun in der Region Aurich schlüsselfertiges Bauen unter jeweils neuem Namen anbietet und dabei Arbeiten ausführt, zu denen er nicht berechtigt ist, weil er nicht die entsprechenden Qualifikationen in der Handwerksrolle hat. Nur, wer beispielsweise als Dachdecker oder Fliesenleger bei der Handwerkskammer registriert und anerkannt sei, dürfe derartige Arbeiten auch ausführen. Die Qualität der Häuser sei entsprechend – die Bauherrn würden den günstigen Preis für ihr neues Heim in der Folgezeit durch Baumängel doppelt und dreifach bezahlen. Er habe versucht, die Behörden einzuschalten. Ohne Erfolg. Es sei nicht passiert, es sei nicht erkennbar, wer sich für diese „Schwarzarbeit“ zuständig fühlt. Er müsse feststellen, dass die große Nachfrage von Bauherrn zu immer mehr Qualitätsverlust durch unqualifizierte Kräfte führe.
Der erste Anruf geht zur Kreishandwerkerschaft Leer-Wittmund. Dort ist das Problem bekannt. Man wisse von einem Fall, wo es zwei Jahre bis zu einer Entscheidung gedauert habe. Dann sei das Verfahren eingestellt worden. Die Häuser waren lange fertig. Eine Nachfrage bei der Handwerkskammer in Aurich, wo die „Handwerksrolle“ geführt wird, sei sinnvoll. Aus Aurich heißt es: Ja, hier werden alle Fachbetriebe eingetragen. Für Kontrollen etc. sei man nicht zuständig. Das sei nicht die Aufgabe. Nächste Anlaufstelle: der Landkreis Leer mit Gewerbe- und Bauordnungsamt. Antwort von dort: Verweis auf das Gewerbeaufsichtsamt in Emden. Und was sagt man dort? „Wir sind nicht zuständig. Das ist Aufgabe des Zolls. Dahin geben wir Erkenntnisse weiter.“ Anruf beim Hauptzollamt in Oldenburg, das auch für Ostfriesland zuständig ist. Ja, man sei für die Kontrollen auf Baustellen zuständig und prüfe bei Hinweisen auch vorliegende Nachweise und informiere ggf. die Handwerkskammer. Auf weitere Nachfrage heißt es dann: Wenn ein Verstoß festgestellt wird, dann wird dieser an den zuständigen Landkreis weitergegeben, der ein Bußgeldverfahren einleitet. Erneuter Anruf beim Landkreis. Ja, für die Ordnungswidrigkeitsverfahren sei der Kreis zuständig. Die zuständige Mitarbeiterin ist im Zuge der Pandemie derzeit an das Gesundheitsamt abgestellt…
Wer schon einmal als Autofahrer ein Bußgeld bekommen hat, der weiß, was das bedeutet. Es ist ein laufendes Verfahren. Beschwerde einlegen und derweil weiter durch die Gegend fahren, bis eine Entscheidung gefallen ist. Was das bedeutet? Das mit den „Schwarzarbeitern“ gebaute Haus wird längst bezogen sein, bis Konsequenzen gezogen werden. Auf etwaige Baumängel bei Privatbauten inklusive großer Mehrfamilienhäuser mit Eigentumswohnungen wird sowieso von behördlicher Seite nicht geschaut. Das ist in den 1980er Jahren abgeschafft worden. Seitdem werden nur noch gewerbliche Objekte einer Bauabnahme mit Prüfung aller gesetzlichen Vorgaben, z.B. hinsichtlich Verkehrssicherheit, unterzogen.
Für Hausbauer oder -käufer kann der Umstand fehlender Fachkräfte in Zeiten steigender Baupreise nur lauten: Selbst aufpassen, nicht ausschließlich auf den Preis für ein schlüsselfertiges Objekt schauen, sich im Vorfeld alle Nachweise zeigen lassen, wer zu was berechtigt ist, und am besten auch einen externen Fachmann hinzuziehen, der regelmäßig die Baustelle in Augenschein nimmt. Das kann am Ende viel Ärger und Kosten sparen. Unternehmen, die auf Fachkräfte und Qualität setzen, werden damit kein Problem haben. Und wer einen Verstoß feststellt oder vermutet? Direkt an den Zoll wenden und hoffen, das zeitnah etwas passiert, selbst am Ball bleiben und die Kreishandwerkerschaft und die Handwerkskammer mit ins Boot nehmen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
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