Heute ist ein besonderer Tag. Heute ist es genau 31 Jahre her, als ich das erste Mal mein Kürzel HH in einer Zeitung lesen konnte. Ich hatte mich ja schon als kleiner Junge entschieden, Journalist werden zu wollen, aber der erste Schritt kostet dann doch Mut. Die Fußballmannschaft, die ich mit meinem Vater beim SC 04 gemeinsam trainiere, hat gerade das Halbfinale im Kreispokal 2:0 gegen SV Wymeer/Boen gewonnen und steht im Endspiel. „Das muss in die Zeitung“, denke ich und da der SC 04 aktuell keinen Pressewart hat, stellt sich mir die Frage, wer einen Bericht für das „Leeraner Anzeigenblatt“ aus dem Hause der Ostfriesen-Zeitung schreiben soll. Also frage ich beim Vorstand um Erlaubnis (mein Vater ist 2. Vorsitzender), organisiere mir von meiner Mutter die Olympia-Schreibmaschine und jede Menge Blätter DIN-A4-Papier. Los geht´s…
Schon bald kann ich die Zettel, die zerknüddelt hinter mir liegen, nicht mehr zählen. Ich nehme X-Anläufe, bis der kleine Artikel über dieses Fußballspiel der F-Jugend dann einigermaßen so ist, wie ich ihn mir vorstelle. Dann ab damit in den Umschlag, mit dem Fahrrad in die Logabirumer Straße, um rechtzeitig bis zum Redaktionsschluss zu liefern. Und dann beginnen die Tage des Wartens…
Drei Tage später ist es dann im Mai 1985 soweit. Die Zeitung ist im Briefkasten angekommen. Ist der Artikel überhaupt erschienen? Was wurde geändert? Und steht HH unter dem Text? Ich bin mächtig nervös – und dann der Moment, auf den ich gehofft hatte: Jeder Buchstabe ist so abgedruckt, wie ich ihn getippt habe. Und hh steht tatsächlich auch drunter… Mein erster Artikel ist veröffentlicht. Ich bin stolz wie Bolle …
Mein Wunsch, Redakteur zu werden, steht ab diesem Tag definitiv fest. Es folgen noch viele Spielberichte und Artikel über den SC 04 Leer, bevor ich ein Jahr später dann auch als freier Mitarbeiter der Zeitungen in der Region die ersten Berichte im Auftrag erstelle.
Begleitet wird meine Tätigkeit als „Schreiberling“ noch eine Weile durch viel Skepsis im Elternhaus. Heute verstehe ich das, damals eher nicht. Der Blick in mein damaliges Zeugnis begründet die Fragezeichen meiner Eltern. Das Fach Deutsch ist aus Tradition knapp an einer 5 vorbei, in Mathe ist es umgekehrt. Da steht eine 2, manchmal sogar auch eine 1. Rechnen gut, Rechtschreibung und Grammatik … darüber schweigen wir lieber. Es soll noch etwas dauern, bis die – ja durchaus berechtigte Skepsis – weicht. Dafür sorgt Ende 1987 der Redaktionsleiter des General-Anzeigers. Ich bin zum Vorstellungsgespräch in Rhauderfehn, als mich Albrecht Schreiber (der Name passt) fragt, wie ich denn – ich hatte da noch keinen Führerschein – aus Leer angereist sei. Nachdem ich erzähle, dass meine Mutter im Auto wartet, meint er: „Na, dann holen wir die doch jetzt mal hinzu.“ Oh je, was wird das denn, denke ich. Nach einer kurzen Begrüßung fragt Herr Schreiber: „Was halten Sie denn davon, dass Ihr Sohn Journalist werden will?“ Mir rutscht das Herz in die Hose. Meine Mutter ist bekannt dafür, dass sie sagt, was sie denkt. Das macht sie auch in dieser Situation. Sie formuliert es zwar freundlich, aber Herrn Schreiber versteht, dass da mehr als Skepsis vorherrscht. Und wie wird der Redaktionsleiter reagieren? Er macht eine Pause, die mir wie eine Ewigkeit vorkommt, bevor er dann sagt: „Liebe Frau Hartwig, schreiben als Journalist kann man nicht lernen. Entweder man hat´s oder man hat es nicht. Und für das, was ich von Ihrem Sohn gelesen habe, kann ich sagen: Er hat´s. Machen Sie sich keine Sorgen. Der geht seinen Weg.“ Ich bekomme die Zusage für das Praktikum in den Sommerferien (dann habe ich auch den Führerschein, meinen VW Käfer und kann allein hinfahren). Und vor allem ist seit diesem Tag die Skepsis bei meinen Eltern verflogen. Bis zum Abitur – das schaffe ich 1989 gerade so – ändern sich auch die Noten. Mathe glatt 5, Deutsch fast 1. Manchmal läuft es halt anders, als es zu erwarten ist, wenn der Wille Berge versetzt. Das habe ich danach übrigens auch bei so manchem freien Mitarbeiter oder Volontär erlebt, der für meine Redaktionen geschrieben hat. Manch einer hat keine guten Schulnoten, aber den Wunsch und Willen. Die, die „brennen“, die mit offenen Augen durch die Welt gehen, die schreiben die besten Geschichten.
Bis heute sind nach dem ersten Fußballbericht zigtausend weitere Berichte, Interviews, Reportagen und Kommentare gefolgt. Schreiben ist für mich immer die Leidenschaft geblieben. Schreiben ist pure Erholung. Wenn ich schreiben „darf“, geht es mir gut. So wie jetzt beim Verfassen dieser Journalistenerinnerungen.
Heute schmunzele ich übrigens über den Schreibstil meines allerersten Artikels. Und wenn ich ehrlich bin: Ich hätte den Text so nicht veröffentlicht. Aber gut, dass der Redakteur das damals anders gesehen hat. Wer weiß, was sonst aus mir geworden wäre 😉
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