„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Mario Rauch, Vorstand beim SV Borussia Leer
LEER Er ist seit vielen Jahrzehnten im Leeraner Fußball in unterschiedlichen Funktionen aktiv und lenkt seit vielen Jahren die Geschicke des SV Borussia Leer im Vorstand mit: Mario Rauch. In unserer Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht der 46-Jährige, der als Projektmanager bei der Ems Dollart Region (EDR) arbeitet, unter anderem über das Selbstverständnis seines Sportvereins, das Borussen-Inklusionsteam, die Zukunft des Jugendfußballs in Leer und die Vergangenheit seines Clubs, der 1981 als Box-Club Ringfrei Leer startete.
Beim SV Borussia Leer engagiere ich mich, weil …
… ich in diesem Verein viele Menschen, die sich wie ich mit Herzblut engagieren und uneigennützig für die gemeinsame Sache zusammenarbeiten – und das auf Grundlage einer klaren gesellschaftlichen Positionierung, was den Verein besonders macht.
Die größte Herausforderung für unseren Verein ist …
… wie für viele kleine Vereine auch, immer ausreichend ehrenamtliche Mitstreiter zu finden. Die, die sich engagieren, machen meist sehr viel. Es gibt viele Menschen, die uns auch gerne unterstützen würden, aber am Ende nicht die Zeit für ein Engagement finden.
Wenn ich das Borussia-Selbstverständnis in wenigen Worten zusammenfassen soll, dann sage ich, dass …
… unser Verein ein eindeutiges Profil mit einer Vorliebe für Fußballromantik und echte Fußballkultur. Der Klub steht dabei nicht nur für den Sport, sondern auch für gesellschaftliches und soziales Engagement – und das mit klarer Kante und ohne Aufweichung wie es leider in anderen Vereinen oder auch beim DFB bei gesellschaftlichen Themen zu oft der Fall ist.
Wenn ich auf die Zeit angesprochen werde, als Borussia noch der BC Box-Club Ringfrei Leer war, dann…
… (lacht) erinnere ich mich an die Zeiten, als ich Kind war, und es hieß: Da kommen die Boxer. Der Verein hatte viele Jahre keinen guten Ruf. Manchmal werden wir heute noch mit dem damals nicht so guten Image in Verbindung gebracht. Es war seinerzeit auch nicht so schlimm, wie es oft gesehen wurde. Der BC Ringfrei ist ein Teil unserer Borussia-Geschichte. Das, was damals teilweise Schwierigkeiten machte, ist heute längst überwunden.
Unsere Inklusionsmannschaft ist…
… ein super Team mit einem sehr guten Trainer. Es ist eine Freude zu erleben, wie gut es im Miteinander funktioniert. Wir hatten uns im Vorfeld vergleichbare Mannschaften in größeren Städten angesehen und uns wurde gesagt, dass es lange dauern kann, genug Spielerinnen und Spieler für eine solche Mannschaft zu finden. Bei uns ging das alles sehr schnell. Dieses Team ist ein Gewinn für den gesamten Verein, es ist im Vereinseben voll integriert.
Mit der alternativen Fußball-WM wollten wir…
… ein klares Zeichen für Menschenrechte setzen – und auch gegen die Kommerzialisierung und „Eventisierung“ des Fußballs. Wir haben die Aktionen langfristig geplant und waren bundesweit der erste Verein, der neben Fanclubs Mitglied der Initiative „Boycott Qatar“ wurde. Das hat uns auch bundesweit viel Aufmerksamkeit gebracht. Es geht uns nicht nur um diese WM, sondern um die Entwicklung des Fußballs insgesamt, in dem Fans immer mehr als Kunden betrachtet werden.
Mit Borussia-Fanartikeln mit den Aufschriften „nazifrei“ oder „no racism“ wollen wir…
… Zeichen setzen. Das gehört für uns dazu, wir machen keine halben Sachen oder Alibi-Aktionen. Es ist wichtig, dass gesellschaftliche Probleme benannt werden. Bei uns im Verein hat diese deutliche Haltung einen hohen Wert.
Das eSports-Team ist in unserem Verein…
… eine Ideenschmiede. Wir waren da Pioniere in Ostfriesland und haben auch den ersten Ligabetrieb erfunden. Wir machen in diesem Bereich weiter, auch wenn der große eSports-Hype nach dem Lockdown vorüber zu sein scheint. Während der Corona-Pandemie war eSports aber auch die Möglichkeit, mit befreundeten Vereinen in ganz Europa in Kontakt zu bleiben.
Wer sagt, dass eSport kein Sport ist, dem antworte ich, dass …
… ich das einerseits nachvollziehen kann, aber ich versuche dann auch aufzuzeigen, wieviel Training und Zeit aufgewendet wird, um mit Konzentration Spiele zu gewinnen.
„Stadiensammler“ zu sein, ist für mich…
… eine Leidenschaft seit vielen Jahrzehnten. Fußballstadien zu besuchen, ist ein guter Anlass, an Orte zu reisen, die man wahrscheinlich sonst nie kennenlernen würde. Ein Fußballspiel repräsentiert auch immer ein Stück Kultur einer Stadt oder eines Landes. Ich habe inzwischen über 1.500 Spiele gesehen – von bedeutenden Finalspielen bis zu kuriosen Duellen in der 4. Liga Maltas.
Wenn ich an den Jugendfußball in der Stadt Leer denke, dann…
… mache ich mir Sorgen, da es immer öfter vorkommt, dass wir trotz des Zusammenschlusses mehrerer Vereine im Jugendförderverein Schwierigkeiten haben, auf lange Sicht ausreichend Spieler zu finden. Die Alternativen für junge Menschen sind heute riesengroß. Wir bleiben weiter am Ball, aber müssen uns schon Gedanken machen, wie wir den Fußballsport auf lange Sicht für Nachwuchsspieler attraktiv halten.
Wenn ich einen jungen Menschen für Fußball begeistern will…
… gibt es für mich zwei Sichtweisen: aktiv oder als Fan. Als Fan nehme ich ihn mit zum Spiel. Da ist den gesamten Tag rund um das Stadion mit Fankultur etc. viel los. Wenn es um das Kicken geht, versuche ich aufzuzeigen, wie wertvoll Teamgeist und die Freude am Spiel sind.
Mit unserem Groundhopping-Service auf unserer Internet-Seite wollen wir…
…eine weitere Info-Nische zu besetzen, damit nicht nur die großen Stadien und Fußballplätze für Groundhopper präsent sind, sondern auch unsere Plätze in Leer und Ostfriesland.
Unsere Rabauken-Fußballschule gemeinsam mit St. Pauli ist…
… ein sehr großer Erfolg. Sie war bisher fast immer ausgebucht. Der Kontakt zum FC St. Pauli entstand über private Bekanntschaften. So wurden wir Partnerverein und freuen uns, dass wir Jahr für Jahr auch viele Kinder und Jugendliche auf unserer Anlage am Bahndamm begrüßen können, die uns vielleicht sonst nie kennengelernt hätten.
Wenn ich an den DFB denke, dann…
… sehe ich einen Verband mit verquasten Strukturen, der es vor Jahren verpasst hat, für Fortschritt zu sorgen und der leider in vielen Bereichen Alibi-Aktionen macht, statt durch echtes Engagement aufzufallen. Der DFB hat den Kontakt zur Basis verloren und den kann man nicht durch irgendwelche Kampagnen für Amateure wiederherstellen. Der Verband begreift in vielen Bereichen die Sorgen und Gedanken an der Basis nicht.
Der Job des Schiedsrichters ist für mich…
… interessant. Ich habe das einmal aus Spaß gemacht. Ich bewundere jeden, der das macht. Ich weiß nicht, ob ich der Richtige wäre, weil ich mir zu vieles zu Herzen nehmen. Mir hat mal ein erfahrener Schiedsrichter gesagt: Gute Schiedsrichter haben eine besondere Körperfunktion – sie können in vielen Momenten die Ohren zuklappen.
.Mein Lebensmotto ist…
Ich bin kein Freund von Kalendersprüchen. Aber es gibt ein schönes Zitat von Bernd Begemann: „In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung.“
Ich habe das letzte Mal gelogen, als…
…ich gestern zu meinem Nachbarn gesagt habe, dass es mich nicht wirklich stört, dass er ab und zu lautstark Musik von Helene Fischer hört.
Ich kann mich so richtig aufregen über…
… Ungerechtigkeit und Dummheit.
Ich kann mich so richtig freuen über…
… die kleinen menschlichen Erlebnisse, die ich im Verein erleben darf. Privat freue ich mich über Tage, an denen ich einmal keinen Termin im Kalender stehen habe.
Mein Lieblingsplatz ist…
… im Sommer mein eigener Garten.
Mein größter Fehler ist, dass …
… ich manchmal zu harmoniebedürftig und deshalb zu nachgiebig bin.
Wenn ich einen Tag lang Bundeskanzler wäre, dann würde ich…
…mich intensiv um einen Freispruch unserer Freundinnen und Freunde der Iuventa-Crew bemühen.
Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mi …
… Gesundheit für mich und mein Umfeld. Alles andere ergibt sich.
Mario Rauch ist eine „Gesicht des Fußballs“ in der Stadt Leer. Seit vielen Jahren gestaltet er als Vorstand die Arbeit und das gesellschaftliche Engagement des SV Borussia Leer aktiv mit und hat als „Stadiensammler“ 1.500 internationale Fußballspiele besucht.
Foto: privat