In der kommenden Woche ist es so weit: Der Kreistag Leer beschließt über die Förderung von Balkon-Kraftwerken im Kreis Leer. Mit 60.000 Euro will der Kreis, der ansonsten nicht gerade im Geld „schwimmt“, insgesamt 400 Antragssteller – wer schnell ist, bekommt die Förderung, weitere gehen leer aus – mit jeweils 150 Euro beglücken. Geld, das nicht zurückgezahlt werden muss. Ein Beitrag zur Energiewende und gegen Klimawandel soll es sein. Was im ersten Moment gut zu lesen ist, ist beim genaueren Hinsehen mehr als zweifelhaft. Warum?
Es muss die Frage gestellt werden, ob diese Mini-Kraftwerke, die vor allem für Mieter interessant sind, nur das Gewissen aller Beteiligten beruhigen, von wenig Nutzen sind bzw. ggf. unter Umständen sich sogar gefährlich erweisen können – oder ob sie wirklich der Umwelt und dem Portemonnaie nützen. Beispielhaft sei die Reaktion des Bauverein Leer auf den Hype um Balkon-Kraftwerke. Die Genossenschaft ist der größte Wohnungsvermieter mit Mehrfamilienhäusern im Kreisgebiet und hat bereits vor Monaten eindeutig festgelegt: An ihren Häusern wird es keine PV-Balkon-Kraftwerke geben. Diese Haltung hat keineswegs etwas damit zu tun, dass der Vorstand des Unternehmens nicht alle Maßnahmen ergreifen will, die die Energiewende fördern könnten. Nein, es sind ausschließlich Sachargumente, die gegen diese Anlagen zumeist aus dem Bau- oder gar Supermarkt sprechen. Der Aspekt, dass diese PV-Felder die Gesamtansicht und das Erscheinungsbild der Wohnanlagen nachteilig verändern würden, spielt bei der Entscheidung gegen sie nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr verändern die selbst angebrachten Balkon-Kraftwerke mit ihrer Last die Windangriffsflächen und die Statik der Balkongeländer. Zusätzliche Windgeräusche, die die Nachbarn nerven könnten, sind möglich, ebenso wie die Verschattung des Balkons beim Mieter ein Stockwerk tiefer. Zudem trägt jeder Vermieter auch die Verantwortung, dass keine Gefahren von dem durch den Mieter angebrachten Energie-Lieferanten ausgehen (Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers). Ja und dann gibt es noch einen Aspekt, der ganz heikel ist: Brandschutz. Die Anbringung der PV-Module verhindert eine Anleiterung der Feuerwehr über den zweiten Rettungsweg in einem mehrstöckigen Haus. Es ist also mehr als verständlich, dass der Bauverein „Nein“ sagt. Ebenso auch, dass er keine Zweifel aufkommen lässt, dass alle ohne Genehmigung montierten Anlagen umgehend wieder abzubauen wären. Man kann davon ausgehen, dass andere Vermieter das – aus den gut nachvollziehbaren Gründen – genauso machen werden.
Neben den Risiken lassen sich weitere Aspekte gegen die Kraftwerke anführen. Diese jetzt überall angebotenen PV-Felder haben meist gar keine Speicher-Module zur Speicherung der durch die Sonneneinstrahlung gewonnene Energie. Mit solchen Speicher-Batterien sind die Mini-Kraftwerke um ein Vielfaches teurer, und es würde weit mehr als nur die oft genannten „fünf Jahre“ dauern, bis sich die Ausgaben für die Anschaffung durch reduzierte Stromkosten rechnen würden. Der große Nachteil der Mini-Kraftwerke ohne Speicher, die mit den erlaubten 600 bzw. bald wohl 800 Watt Leistung nur wenige haushaltsübliche Geräte unter Volllast betreiben lassen, ist vielen nicht bekannt: Der Strom muss unmittelbar dann verbraucht werden, wenn die Sonne scheint. Im Klartext: Wer tagsüber nicht zuhause ist bzw. die Geräte nicht gezielt einschaltet, für den reduziert sich der Stromverbrauch und damit die Kostenersparnis um keinen Cent. Das „vergessen“ die Marketing-Broschüren für die Mini-Kraftwerke sehr gerne bei ihrer Kosten-Nutzen-Rechnung zu erwähnen bzw. es wird unrealistisch mit Volllast gerechnet.
Zu guter Letzt lohnt sich in die Regelung über die Vergabe der 400 x 150 Euro des Kreises zu schauen. Wie zu erwarten, ist die – Zitat – „Projektförderung“ im Detail geregelt. Wer das Geld erhalten will, muss einige Dokumente und Nachweise beibringen. Ein Mitarbeitender der Kreisverwaltung muss alles prüfen und die Auszahlung von 150 Euro frei geben – und theoretisch muss der Mitarbeitende auch noch einmal nach drei Jahren prüfen, ob die Anlage – pardon das „Projekt“ – immer noch in Betrieb ist, sonst muss die nicht zurückzahlbare Förderung doch zurück gezahlt werden. Spannend wäre zu wissen, mit wie vielen Euro der Kreis diese Arbeits- und Prüfungsleistungen beziffert.
Fazit: Würde es den Kreispolitikern ernsthaft um Klimaschutz gehen, dann hätten sie das Geld besser genommen und dafür eine größere Photovoltaikanlage irgendwo im Kreisgebiet gebaut. Eine geeignete Fläche hätte sich sicherlich finden lassen. So bleibt ein fader Beigeschmack, wenn im Kreistag zugestimmt wird und dann die 400 von x-tausend Haushalten eine 150 Euro-Finanzspritze für diese „Ich beruhige mal mein Gewissen-Kraftwerke“ erhalten. Es hat was von blankem Populismus.
Diese Förderung gehört weder zu den originären Aufgaben eines Kreises, noch ist sie wirklich zielführend. Geschweige denn stärkt sie die ansonsten so typisch deutschen hohen Sicherheitsregeln von Häusern mit Balkonen. Hoffen wir bloß, dass die freiwilligen Feuerwehren im Kreisgebiet niemals zu einem Feuer gerufen werden, wo alle Balkone die Anleiterung unmöglich machen und die kreisfinanzierten Kraftwerke sich als zusätzliche Gefahrenquelle für ein sich schnell ausbreitende Feuer herausstellen…