Der Wind, der Landrat Matthias Groote um die Ohren weht, wird rauer. Was sich anbahnte, wird zur Realität. Sieben Kommunen aus dem Kreisgebiet kündigen dem Sozialdemokraten endgültig die Freundschaft. Bis Ende dieser Woche haben die Gemeinden Moormerland, Hesel, Jümme, Ostrhauderfehn, Uplengen, Borkum und die Stadt Leer in ihren Gremien den Beschluss gefasst, beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg ein Normenkontrollverfahren gegen den Kreis bzw. die Festsetzung der Kreisumlage einzureichen. Was die Folgen sind? Bekommen die Kommunen vor dem OVG Recht, fliegt dem Landrat die Umlage, der Haushalt 2024 und damit die gesamte Finanz- und Investitionsplanung für den Kreis „um die Ohren“.
Das, was sich da aktuell abspielt, ist ein erschreckendes Signal. Es ist einzigartig in der Geschichte des Kreises. Dabei erwarten die Menschen im Kreisgebiet von ihren gewählten Vertretern und den Mitarbeitenden im Kreishaus und in den Kommunen doch nur eines: Sie alle sollen gemeinsam für die Entwicklung der Region erfolgreich agieren. Stattdessen ist die Kommunikation zwischen Landrat und Bürgermeistern gescheitert, vielleicht sogar jedes Vertrauen aufgebraucht, selbst wenn aktuell eine Vereinbarung zum Thema Kindertagesstätten geschlossen wurde. Alle Versuche der Bürgermeister, den Landrat zum Dialog und zu einer gemeinsamen Lösung zu bewegen, blieben ergebnislos. Bei Geld hört die Freundschaft ja bekanntlich auch auf. Aber: Politiker sollen keine Freunde sein. Sie sollen verantwortungsvoll agieren. Dazu gehört ein funktionierendes Miteinander der „kommunalen Familie“.
Bei dem Normenkontrollverfahren geht es um den Vorwurf, dass der Landrat nicht ausreichend auf die Finanzlagen in den Städten und Gemeinden beachtet hat, sondern nur an sich denkt und die Kommunen über Gebühr belastet. Bei diesem Denken agierte Groote übrigens keineswegs allein. Hinter ihm steht die Mehrheitsgruppe von SPD/Grünen/Die Linke im Kreistag, die die Grootes Kurs beschlossen hat. Was nun in Lüneburg in einigen Monaten – oder vielleicht sogar Jahren – entschieden wird, bleibt abzuwarten. Fest steht: Die Bürgermeister und ihre Gemeindepolitiker dürften sich genau überlegt haben, was sie tun. Wie groß muss die Verzweiflung über ein fehlendes Miteinander sein, dass sie so einen Schritt gehen? Was bedeutet das für das Zusammenspiel, wenn Landrat und Bürgermeister – sogar über die Kommunalwahl 2026 hinaus – weiter an einem Tisch sitzen müssen? Man mag darüber besser (noch) nicht nachdenken.
Zu dem gerichtlichen Aufschlag der sieben Kommunen kommt noch die Klage der Stadt Leer gegen die Festsetzung der erhöhte Kreisumlage im Jahr 2022. Der Kreistag soll am Montag für die Verfahrenskosten eine Rückstellung von über 840.000 Euro beschließen. Auch hier geht es um mehrere Millionen Euro. Im Klartext: Mehr wirtschaftliche Unsicherheit als aktuell kann es bei allen Mitgliedern der kommunalen Familie bald nicht mehr geben.
Sind die Finanzen das einzige Thema des Landrates, bei dem es aktuell brennt? Wohl kaum. Die VHS-Finanzierung scheinen die Bürgermeister allein voranzubringen. Sie wollen in der Mitgliederversammlung der VHS in der kommenden Woche nicht mit leeren Händen dastehen, weil auch hier der Landrat seit Monaten keinen Lösungsweg entwickelt hat.
Auch ein weiterer heftiger Ärger bahnt sich bereits an. Dabei geht es um das – sagen wir mal so – „besondere Demokratieverständnis“ des Landrates. Wie bekannt, haben Verwaltung und Politik einige Arbeitsgruppen (AG) ins Leben gerufen, um zentrale Entwicklungsthemen voranzubringen. Eine davon ist die AG „Campus/EWE“-Gelände. Die hat nun entschieden, ein Fachbüro für die „Planungsphase Null“ zu beauftragen. Sehr gut, denkt man. Allerdings: Das Besondere bei der Vergabe des Auftrages ist das Beschlussergebnis. Dazu muss man muss wissen, wie es zustande gekommen ist. Aus der Verwaltung waren bei diesem Termin gleich sechs Mitglieder plus Landrat dabei, des weiteren Vertreter von Schulen und die Abgesandten der Kreistagsfraktionen. Als dann die Abstimmung anstand, hat ein Teil der Kreishaus-Vertreter für die Mehrheit zur Vergabe an das von ihnen favorisierte Büro gesorgt, weil damit die Vertreter aus Politik und der Schulen überstimmt werden konnten. Im Klartext bedeutet diese Praxis: Der Landrat muss immer nur genug eigene Leute mitbringen, dann bekommt er das Ergebnis, was er sich wünscht. Hätte er als einziger aus der Verwaltung Stimmrecht, wie es das Kommunalrecht für Ausschüsse und Kreistag auch vorsieht, wäre die Abstimmung mit 3:5 verloren gegangen. Nun dürften der Herr Landrat und seine Verwaltung derartige Aufträge ob der Kostensumme auch ohne Beschluss vergeben, aber: Politiker und Schulvertreter so zu „degradieren“, funktioniert nicht. Wenn AG, dann im Miteinander und nicht so. Man darf gespannt sein, wie es mit diesem praktizierten Demokratieverständnis Grootes und der OVG-Klage langfristig gelingt, den Kreis sach- und zielorientiert voran zu bringen.
In Summe sind die Arbeit-, Verhaltens- und vor allem Kommunikationsweisen des Landrates Groote, die nun immer mehr an die Öffentlichkeit gelangen und weitere bedenkliche Beispiele auch mit Blick auf die hausinterne Personalführung liefern, ein Grund zur Sorge. Die Frage lautet im Kern: Hat der Landrat die Lage im Kreis und das Kreishaus noch im Griff?
Die erfahrene Berufspolitiker im Kreistag, Johanne Modder (SPD, mittlerweile nicht mehr im Landtag) und die Grüne Meta Janssen-Kucz – sie sitzt zwar nicht mehr im Kreistag, mischt aber weiter im Hintergrund mit – erkennen mit Sicherheit, was die Stunde geschlagen hat. Es geht bei weitem nicht mehr um ein politisches Ränkespiel zwischen der Opposition und der Mehrheitsgruppe SPD/Grüne/Die Linke mit ihrem Landrat. Die SPD-Grande und die Landtagsvizepräsidenten erkennen, dass es ein „Weiter so“ mit dem Landrat Groote und seinem Verhalten nicht geben kann. Sie wissen, dass ihre Parteifreunde in den Kommunen darauf warten, dass die Zwistigkeiten ein Ende finden. Ob, wann und wie sie und die Kreistagsmehrheit darauf – auch öffentlich – reagieren? Vielleicht ja bereits in der anstehenden Kreistagssitzung.
Foto: Landkreis Leer