Fast unbemerkt hat die traditionsreiche Leeraner SPD ihre Struktur verändert. Bisher gab es bei den Genossen – anders als bei konkurrierenden Parteien – vier Ortsvereine und keine Dachorganisation für die Kreisstadt. Seit wenigen Wochen ist das nun anders. Die Ortsvereine Leer, Bingum Heisfelde-Nüttermoor und Loga haben einen Stadtverband aus der Taufe gehoben. Nicht ganz freiwillig, aber um so mehr überlegt und mit Blick auf die Zukunft. Für viele Vereine und Verbände in der Stadt dürften die Sozialdemokraten damit – ungewollt – zum notwendigen Vorbild in den kommenden Jahren werden.
Zunächst der Blick auf die SPD. Den Vorsitz des neuen Stadtverbandes, dessen Satzung die Vertreter der Ortsvereine über ein Jahr vorbereitet haben, hat mit Remmer Hein ein erfahrener Parteistratege übernommen. Neben der Arbeit als Landesgeschäftsführer der Sozialdemokraten in Hannover bringt der Rentner vor allem eines mit: Er hat keinerlei politische Karrieregedanken mehr im Hinterkopf und wird ruhig und mit Bedacht dafür sorgen, dass der Stadtverband weder zum Zankapfel noch zum Papiertiger wird. Die Aufgaben des neuen Verbandes sind einfach zu benennen: Aktivitäten der Partei für die gesamte Stadt koordinieren, die anstehenden Wahlen mit den Kandidatenlisten „koordinieren“ und – einfach ausgedrückt – vorausschauen „den Laden zusammen zu halten“. Dass der Stadtverband in absehbarer Zeit das Ende der Ortsvereine bedeuten könnte, wird von allen Beteiligten (noch) eindeutig verneint. Sie sollen die starke Basis bleiben.
Allerdings: Die Auflösung des Ortsvereines Logabirum vor einigen Jahre hat gezeigt, dass die SPD auch vor Mitgliederrückgang und vor allem „Ehrenamtlichenschwund“ nicht gefeit ist. Das hat sie mit nahezu fast allen Vereinen und Verbänden, die in der Stadt aktiv sind, gemeinsam. Derzeit sind die OV der SPD – vor allem der in der Kernstadt – mit vielen jungen Menschen gut aufgestellt. Aber auch ihnen fehlt es, wie bei fast allen Parteien und Vereinen, an Migranten. Denn: Die Zusammensetzung der Bevölkerung hat sich seit drei Jahrzehnten massiv verändert. Dabei zeigt sich dann auch, dass „Vereinsmeierei“ und verbindliches Ehrenamt wohl tendenziell „typisch deutsch“ sind. Bis auf vereinzelte Ausnahmen gibt es keine Vorstandsmitglieder im Kreis Leer, die einen anderen Ursprung haben. Bei den Aktivitäten der Stabsstelle Ehrenamt beim Landkreis Leer ist es so, dass nicht erfasst wird, ob zumeist die Menschen mit der Muttersprache Deutsch die Angebote annehmen. Insofern gibt es dazu keine Statistiken und es bleibt beim „Bauchgefühl“. Fest steht hingegen: Wenn bei den Vereinen und Parteien die Integration von Migranten nicht besser bzw. häufiger gelingt, wird es auf Dauer eine unlösbare Aufgabe werden, die vorhandenen Strukturen allesamt „am Laufen“ zu halten. Die größte Aufgabe eines Vereinsvorsitzenden ist es bereits seit Jahren, immer wieder junge Menschen für eine dauerhafte Mitarbeit zu motivieren. Weil das so schwierig ist, wird der Alterdurschnitt – Ausnahmen bestätigen die Regel – der Ehrenamtlichen dadurch immer höher.
Nun ist es äußerst unbeliebt, „geliebte“ Vereins-, aber auch Feuerwehr- oder sonstige Strukturen – zu hinterfragen. Doch: Es bedarf keiner Hellsichtigkeit, um zu wissen, dass früher oder später die jahrzehntelange so geschätzte Vielfalt erhalten bleiben kann. Zudem ist auch feststellbar, dass am Beispiel Leer nur noch die „Alten“ das Bewusstsein haben, aus den Stadtteilen Hohegaste, Loga oder Heisfelde zu kommen. Sie sind früher selbstverständlich in ihrem Quartier in die Vereine und Verbände eingetreten und geblieben. Heute hingegen – Beispiel Fußball – wird zunehmend saisonweise das Trikot gewechselt. Je nachdem, wo es gerade besser „passt“.
Weniger Mitglieder und weniger Ehrenamtliche bedeutet künftig weniger funktionierende Strukturen. Insofern macht die SPD es richtig. Sie agiert aus der Stärke und nicht dem Mangel heraus. Sie bereitet sich durch durchdachte Vorgehensweise und Satzungen aber auch darauf vor, dass die Zahl der Mitstreiter deutlich sinkt, wenn nicht ein Integrations-Motivations-Wunder passiert. Für andere Strukturen darf die SPD durchaus beispielgebend sein. Ohne ein „Muss“ lässt sich besser agieren. Ganz abgesehen davon: Die SPD agiert nun bei Themen, die die gesamte Stadt betreffen, ab sofort mit einer Stimme. Wäre eine stadtweite Organisationsform beispielsweise bei den Sportvereinen bei zentralen Themen der Fall, würde es sicherlich lange einen Allwettersportplatz geben. Aber vielleicht wird die Entwicklung der Sportstätten dann ja bald mal zu einem übergreifenden Thema des neuen SPD-Stadtverbands…