Der Ton wird rauer und wenn nicht ein Wunder um die Ecke kommt, dann werden sich die Stadt Leer und der Landkreis Leer in absehbarer Zeit vor dem Verwaltungsgericht wiedersehen. Es geht ums liebe Geld – genauer gesagt um etwa 2,53 Mio. Euro im Jahr 2021 und danach jährlich etwa 3,4 Mio. Euro.Das, was Bürgermeister Claus-Peter Horst (parteilos) an Landrat Matthias Groote (SPD) jetzt geschrieben hat, geht weit über die Auseinandersetzung zwischen den beiden Verwaltungen zum Thema „Kosten der Kinderbetreuung“ hinaus, das der Ursprung für den Zwist ist. Der Vorwurf aus dem Leeraner Rathaus lautet: Der Kreis benutzt die Kreisumlage zur unzulässigen Überschussbildung – und das auf Kosten aller Kommunen.
Die Anhebung des Kreisumlagesatzes auf allgemein 52 Prozent sowie der gesplittete Satz nur für die Stadt von 58,06 Prozent sind nach Ansicht der Stadt rechtswidrig. Der Kreis wälze die Fehlbeträge Kinderbetreuung durch fehlende Zahlungen vom Land Niedersachsen in unzulässiger Weise auf die kreisangehörigen Gemeinden ab.
Stadt: Verteilungssymmetrie nicht mehr gegeben
Die Begründung von Bürgermeister Horst und seinem Erster Stadtrat, Detlef Holz, umfasst zehn Seiten. Die Verteilungssymmetrie „ist nicht mehr gegeben“, heit es aus dem Rathaus. Denn während der Kreis seine Verschuldung signifikant reduzieren konnte, sei im selben Zeitraum die Verschuldung der kreisangehörigen Kommunen und vor allem der Stadt Leer stark angewachsen. Zahlen untermauern dies: Der Kreis reduzierte seine Verbindlichkeiten seit 2014 um ein Drittel auf aktuell 91 Mio. Euro, während die Verschuldung der Gemeinden um 20 Mio. Euro und die der Stadt sogar um 55 Mio. wuchsen. Die Entschuldung des Kreises sei dabei nicht etwa durch geringere Investitionen zustande gekommen, sondern seit 2011 summa summarum durch Überschüsse aus der laufenden Tätigkeit von über 150 Millionen Euro generiert worden. Allein die Umlage-Zahlungen der Kommunen an den Kreis seien von ursprünglich 59 Mio. auf dieses Jahr 109 Mio. Euro gestiegen. Diese Entwicklung erfolge „zu Lasten der kreisangehörigen Kommunen “, so Bürgermeister Horst. Mit vielen zitierten Paragrafen wird die Sichtweise des Verstoßes gegen geltendes Recht durch den Kreis untermauert.
Die Stadt ist entschlossen. Die Auseinandersetzung, das hat Bürgermeister Horst auf Anfrage bestätigt, wird in letzter Konsequenz vor dem Verwaltungsgericht landen. Dabei sieht die Stadt bei dem Konflikt nicht nur den Kreis in der (finanziellen) Schuld. Vielmehr wird herausgestellt, dass das Land für Kosten für die Kinderbetreuung zuständig sei. Unmissverständlich stellt die Stadt die Frage, welche Schritte der Kreis bisher unternommen hat, „um die unzureichende Finanzmittelausstattung durch das Land in verschiedenen Bereichen zu beseitigen“. Zudem will das Rathaus wissen, ob die Landesfinanzierung im Bereich des ALG II auskömmlich ist und ob „der Kreis zuletzt kreisfremde Ausgaben finanziert hat“. Was hinter der Anspielung auf die kreisfremden Ausgaben steckt, kann im Moment nur vermutet werden.
Kreis Aurich will Kindergärten komplett übernehmen
Was die drohende juristische Auseinandersetzung bedeutet? Weit mehr als die nur Frage, wie es mit den Kosten für die Kinderbetreuung weitergeht. Denn der Vorstoß macht deutlich, dass es in den kommunalen Kassen zu Verschiebungen kommt. Die Kreise können über die Umlagen ihre Entschuldung vorantreiben – die kreiseigenen Kommunen müssen die Umlage zahlen, ob sie wollen oder nicht. Dabei ist die Verpflichtung zu einer gleichmäßigen und gerechten Aufteilung der „verfügbaren Finanzmittel auf die verschiedenen Ebenen“ ist durch unterschiedliche Gerichte deutschlandweit mehrfach festgestellt worden. Im Kreis Aurich scheint man die Situation anders als Landrat Groote zu bewerten. Dort wird einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen. Anfang der Woche hat der Kreis verkündet, alle Kindergärten im Kreisgebiet vollständig in die eigene Verantwortung zu übernehmen. Inklusive der Übernahme aller millionenschweren Kosten. In Aurich ist man sich wohl bewusst, dass dieser Schritt das kleinere Übel darstellt.
Stadt Leer spart so oder so Millionen
Denn: Gewinnt die Stadt die Klage, dürfte die gesamte Struktur der kommunalen Lastenverteilung durch bundesweit auf den Prüfstand kommen. Ob das Prinzip der einseitig durch die Kreise festgelegten Höhe der Kreisumlage dann bleibt, ist fraglich. So oder so: Die Stadt Leer hat schon jetzt gewonnen, wird auf jeden Fall Millionen einsparen, selbst wenn sie die erhöhte Kreisumlage am Ende doch zahlen muss. Allerdings: Es wäre gefährlich, wenn das gerade erst etwas bessere Zusammenspiel zwischen Kreishaus und Stadtverwaltung – sprich von Landrat und Neu-Bürgermeister Horst – durch die Klage massiv geschädigt wird. Denn es gibt viele Baustellen in der Kreisstadt, die nur gemeinsam gemeistert werden können – und nur das sichert, dass auch langfristig überhaupt ausreichend eingenommenes Steuergeld aus Leer an den Kreis gezahlt werden kann.
Schreibe einen Kommentar