DIE KOLUMNE: „Hurra, hurra, die Schule brennt…“ – aber hoffentlich nicht die Friesenschule in Leer

Artikel teilen

„Unsere Kinder sind unsere Zukunft. Deshalb brauchen wir eine gute Bildung und gute Schulen“ – dieser Satz ist so im Wahlprogramm und in der Agenda eines Politikers auf allen Zuständigkeitsebenen zu finden. Auch für den Kreis Leer gilt er. Dort hat der Kreistag bereits vor Jahren ein viel positiv beachtetes, millionenschweres und auf ein Jahrzehnt angelegtes Sanierungskonzept der Schulen auf den Weg gebracht. Das liest sich bis heute gut. Doch dann kommt ein mutiger Leeraner Schulleiter mit einem „Brandbrief“ um die Ecke und zeigt auf, wie die Situation sich tatsächlich darstellt: Bauliche Mängel an vielen Stellen, die Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität und die Sicherheit haben. Er zeigte auf, wie aus Sicht eines Menschen, der nah dran ist, katastrophal langsam, kompliziert und am Ende auch verantwortungslos (nicht) agiert wird.

Sicherheit der Schüler gefährdet

Worum geht es bei dem, was der Direktor der Friesenschule, Thomas von Garrel, in seinem Brief als „Spitze des Eisberges“ beschrieben hat? Stichwort Sicherheit: Bei vorgeschriebenen Alarmübungen können seit Jahren nicht alle Klassen alarmiert werden, weil die Klingelanlage marode und defekt ist und eine Sprecheinrichtung nicht existiert. Die Verständigung erfolge stattdessen über „Morsezeichen“. Desweiteren seien die vorgeschriebenen zweiten Fluchtwege nicht funktionsfähig. So sind in der zweiten Etage zwar vor Jahren Fluchttüren in die Außenwände eingebaut worden. Diese sind aber nicht zu öffnen und es fehlen die notwendigen Außentreppen. Mehrfach hat von Garrel das – wie er in seinem Brief schreibt – diese Sicherheitmängel beim Gebäudemanagement der Kreisverwaltung angemahnt.

Unterrichtsqualität leidet

Stichwort Unterrichtsqualität: Der Schulleiter berichtet, dass seit drei Jahren ein Spezialschrank zur Aufbewahrung von Gasflaschen im Vorbereitungsraum der Chemie zwar vorhanden ist, aber nicht angeschlossen wurde. So könne seit drei Jahren der Chemieunterricht nur in Teilen stattfinden. Ebenso muss der Sportunterricht leiden. Der Abtrennvorhang der Turnhalle ist – davon wissen auch die Plytenbergschule und die Sportvereine, die die Halle nutzen, ein Lied zu singen – einem halben Jahr defekt. Deswegen wurde die Halle für den Betrieb gesperrt. Erst als vor einigen Wochen der Verein Fortuna Logabirum ein großes Basketball-Turnier veranstaltet hat, wurde die immer noch defekte Trennwand durch eine Firma an der Decke hochgebunden und die Sperrung aufgehoben. Jedoch ist die Turnhalle in diesem Zustand für die Schulen nur zur Hälfte nutzbar. Wie zu vernehmen ist, wird es wohl noch mindestens ein halbes Jahr so bleiben, da nun erst die Ausschreibung für eine neue Trennwand erfolgen muss. Stichwort Digitalisierung: Zwar gibt es die durch Bundesmittel bereitgestellten iPads in der Schule, aber ein von der Kreisverwaltung angeschaffter Spezialschrank, in dem die Geräte sortiert und gesichert gelagert werden sollten, funktioniert seit Jahren nicht. Wie übrigens auch an anderen Kreisschulen. Kurzum: Eine Mischung aus Gefahr für Leib und Leben und Verlust an Unterrichtsqualität charakterisieren die Zustände an der Friesenschule.

Schule ein Unternehmen? Dann wäre sie längst „dicht“

Erklärende Begründungen für die Missstände, die seit Jahren immer wieder benannt wurden, wird es seitens der Verwaltung sicherlich ausreichend geben. Der „Begründungs-Brei“ wird – wie in diesen Zeiten fast immer – eine Mischung aus Worten wie Personalmangel, fehlende finanzielle Mittel, zu wenig Fachhandwerker, Lieferkettenprobleme, ausstehende Genehmigungen etc. enthalten. Am Ende bleibt die Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, die bei einem Unternehmen dazu führen würde, dass erstens die zuständigen Aufsichtsbehörden wie Gewerbeaufsicht, Unfallkassen und Arbeitsschutz sowie Berufsgenossenschaften den Betrieb längst stillgelegt hätten und zweitens aufgrund fehlender Qualität die Auftragslage eingebrochen wäre. Aber eine Schule ist ja eben kein Unternehmen…

Ob der Leeraner Schulleiter mit seinen Themen ein Einzelfall ist? Es ist zu befürchten, dass er es nicht ist. von Garrel stellt sich wiederholt seiner Verantwortung. Vor Jahren monierte er einen gesundheitsgefährdenden Schimmelbefall in der Turnhalle am Pastorenkamp. Erst als er die Schulbehörde einschaltet und ein Gutachter seine Einschätzung bestätigte, wurde die Halle gesperrt und saniert. Zuvor wurde er – so ist überliefert – mit anderen Begründungen „abgespeist“ und die Gesundheitsgefahr heruntergespielt. Sein Glück ist, dass er sozusagen nur Mieter des Gebäudes ist und disziplinarisch nicht der Führung im Kreishaus unterstellt ist. Außer einer Einladung zu einem – nennen wir es mal – „ernstem Gespräch“ ob seines öffentlich gewordenen „Brandbriefes“ kann ihm nicht viel passieren. Verdient hätte er es stattdessen gehabt, bei der Begehung, die durch die Kreisverwaltung nun vor einigen Tagen an der Schule stattgefunden haben soll, auf jeden Fall dabei zu sein. Denn: Er kennt als Hausherr sein „Haus“ wohl am besten. Nun kann er abwarten, was die Ergebnisse sind. Dabei gilt dann wieder das Motto „Wer schreibt, der bleibt“. Das beherrschen Ämter bekanntlich am besten.

Eltern und Schüler agieren nicht

Was im Falle der Friesenschule auch erschreckt: Weder Eltern- noch Schülervertretungen trotz der jahrelang bekannten Probleme wurden aktiv. Sie liegen damit aber gesellschaftlich voll im Trend: Die Mischung aus Desinteresse, „Kannst-eh-nix-machen“-Denken und Angst vor Ärger ist in vielen Bereichen zu spüren. Die „Quittung“ für dieses kritiklose, distanzierte und auf sich fixierte Verhalten wird die Gesellschaft in den nächsten Jahren noch an ganz vielen Stellen zu spüren bekommen, sei es durch unzufriedene „Protestwahlen“, die nichts besser machen, oder durch die Zunahme von Problemen und Konflikten, weil zu viel „weggeschaut“ wird. Es wird Zeit, dass es wieder mehr Menschen wie den Schulleiter gibt. Menschen, die Probleme erkennen und benennen und nicht lockerlassen, bis es Lösungen gibt.

Die Rolle des neuen Baurats

Ach ja, und dann ist da ja auch noch eine interessante Personalie im Zusammenhang mit dem „Brandbrief“ des Schulleiters. Wer ist beim Landkreis für das Gebäudemanagement und damit auch für die Friesenschule unter Führung der Baudezernentin Jenny Daun und letztlich auch Landrat Matthias Groote (SPD) verantwortlich? Jens Lüning. Der hat vor wenigen Tagen einen Karrieresprung geschafft. Er wird der neue Leeraner Stadtbaurat – voraussichtlich ab Beginn 2025. Da bleibt es zu hoffen, dass sich der 50-Jährige in neuem Umfeld als Macher präsentiert. Einer, der als Führungskraft in der ersten Reihe mehr als bisher kommunikativ ist und trotz Kritik so lange am Ball bleibt und Probleme ohne den Rückzug auf verwaltungstypische Begründungen aktiv anpackt und aus dem Weg räumt. Die anstehende Schulbauoffensive in der Kreisstadt ist da nur ein Beispiel, bei dem Lüning positive Akzente setzen kann.

Holger HartwigDIE KOLUMNE: „Hurra, hurra, die Schule brennt…“ – aber hoffentlich nicht die Friesenschule in Leer