Die Stadt Leer wird 200 Jahr alt – und keiner bekommt es mit. Dieser Eindruck lässt sich seit Beginn des Jubiläumsjahres 2023 gewinnen. Lediglich ein Logo, dass die Ledastadt durch das Jahr begleiten wird, ist vorgestellt worden. Doch der Eindruck täuscht. Hinter den Kulissen geht bereits „die Post ab, damit das Fest nicht zum „Papiertiger“ wird – und das mit einem kleinen Budget von nur um die 50.000 Euro. Vorausgesetzt, der Haushalt der Stadt für das laufenden Jahr wird politisch so beschlossen und dann auch durch den Landkreis als Aufsichtsbehörde „freigegeben“. Und dennoch scheint das Jubiläum zu einem Erfolg werden zu können. Warum?
Wie schon 2008, als der Gallimarkt 500 Jahre alt wurde und unter anderem ein großer historischer Umzug begeisterte, sind es die Bürger und Vereine, die Lust auf Feiern und Aktivitäten haben. In einer Zeit, in der alle Vereine und Institutionen nach der Corona-Pandemie erst wieder richtig ans Laufen kommen müssen, haben die Vereine in der Stadtverwaltung für die erste große Überraschung gesorgt. Auf ein Schreiben nach dem Motto „Seid Ihr beim Stadtjubiläum mit dabei?“ ist eine Resonanz gekommen, wie sie selbst die größten Optimisten im Leeraner Rathaus nicht erwartet hatten. Die Kreativität aus der Bürgerschaft ist dabei spürbar – und die Planungen sind angelaufen. Neben den Klassikern – Konzerte, Ausstellungen, Tagen der offenen Tür und Veranstaltungen jeder Art im gesamten Stadtgebiet – stehen bisher Rekordversuche, digitale Rallyes oder ein Jubiläumsbrotverkauf auf der Aktivitätenliste. Immer im Mittelpunkt dabei die Zahl 200. Konzentrieren werden sich die Attraktivitäten auf den Zeitraum 11. Juli bis 1. August – davor und danach ist auch vieles vorgesehen.
Die Konzentration auf diesen Zeitraum ist kein Zufall. Am 11. Juli 1823 wurde die Urkunde überreicht, am 1. August trat das Stadtrecht in Kraft. „Absender“ dieser Urkunde (Foto) war übrigens Georg IV., König des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Irland und damals auch Regent über das Königreich Hannover, zu dem auch Ostfriesland gehörte. Ob deshalb auch eine Einladung aus dem Rathaus an das britische Königshaus erfolgt ist? Eher nicht, es wird wohl bei Gästen aus der Partnerstadt Trowbridge bleiben und die Schirmherrschaft über das Jubiläumsjahr liegt beim heutigen Niedersachsen-„Oberhaupt“, Stephan Weil.
Wie die Geschichtsschreibung festhält, wurde das Stadtrechte allerdings durch die Bürger der Stadt wenig euphorisch begrüßt. Es dauert einiger Zeit, bis klar wurde, dass der Zuwachs an Eigenständigkeit für das Wohl und Wachsen der Stadt an Leda und Ems ein Segen war. Heute mag man sich gar nicht vorstellen, dass die selbst ernannte Einkaufsstadt Nummer 1 in Ostfriesland nur ein „Dorf“ geblieben wäre.
Zurück ins Jahr 2023. Die Vereine und Institutionen, die auch ansonsten für die Stadt ein Segen sind, erweisen sich wieder als zuverlässig. Wie es mit der Wirtschaft der Stadt aussieht, ist hingegen noch offen. Die Unternehmen werden in Kürze aus dem Rathaus Post bekommen. Tenor ebenfalls: Mitmachen oder zumindest mit Sponsoring oder Werbung der Stadtparty Rückenwind verleihen. In Zeiten, wo es immer schwieriger wird, gutes Personal in Leer zu halten oder nach Leer zu holen, dürfte auch hier eine rege Resonanz zu erwarten sein. Möglichkeiten, sich finanziell oder mit Aktivitäten einzubringen, gibt es genug.
Fest steht: Es wird jetzt an vielen Stellen Tempo zur Vorbereitung aufgenommen. Die Arbeitsgruppe im Rathaus bereitet eine Ausstellung im Rathaussaal, ein großes klassisches Open-Air-Konzert, eine Festschrift, ein Programmheft, Flyer, Abreißkalender oder – auch das gehört heute dazu – eine Zeitreise-App, bei der sich Stadtansichten von heute mit einer einfachen „Wischbewegung“ auf dem Handy der Wirklichkeit in alter Zeit vergleichen lassen, sind in der Umsetzung. Damit es ein großes Fest der Leeraner für die Leeraner wird, an das in 200 Jahren gerne erinnert wird, muss noch einiges aus der Bevölkerung und Wirtschaft kommen – und das wird es auch getreu dem Bürgermeister-Motto „Leer kann mehr“.