„Eine Rolle im Friesland-Krimi? Der wissende Bibliothekar als Opfer“

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„Auf einen Tee mit …“ – Heute mit Bernhard Bökenkamp, Leiter der Stadtbibliothek Leer

LEER Seit 24 Jahren ist er eines der Gesichter, dass die Leeraner mit den Aktivitäten der Stadtbibliothek verbinden. Nun hat Bernhard Bökenkamp die Leitung der Bibliothek in der Leeraner Altstadt übernommen. Der 57-Jährige spricht in der Rubrik „Auf einen Tee mit …“ über seine Ziele als Leiter, die Faszination Buch, eine Rolle im Friesland-Krimi und eine geplante E-Bike-Tankstelle. Zudem erklärt er, warum ein Buch von Hermann Hesse sein persönlicher Favorit ist.

An Büchern fasziniert mich …

… die Möglichkeit der Entspannung und die Chance auf Wissen. Trotz E-Book-Trend und Wikipedia bevorzuge ich persönlich noch das gebundene Buch, zum Genießen, zum Nachschlagen, kurz: zum Erfahren der gesamten Welt.

Im „zweiten Anlauf“ die Leitung der Stadtbibliothek zu übernehmen, daran reizt mich …

… die neuen Aufgaben, die unerwartet auf mich zugekommen ist, als zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit eine Leitung gesucht wurde. Es ist für mich für die letzten zehn Jahre meines Berufslebens eine neue Herausforderung, nun in erster Reihe der Mitarbeitenden zu stehen und viel mehr Zeit zu benötigen, um mir z.B. Gedanken zur Zukunft der Bibliothek zu machen, Veranstaltungen zu planen und Netzwerke zu pflegen. Ich freue mich, dazu zu lernen und bin dankbar für den großen Rückhalt, den ich hier im Team der Bibliothek oder aus dem Rathaus erhalte.

Eine gute Stadtbibliothek zeichnet aus, dass …

… sie ein Raum für jeden ist. Jeder darf kommen, sich bei uns aufhalten, auch ohne etwas konsumieren zu müssen. Dabei ist beispielsweise auch die Nutzung des Internets und ruhiger Arbeitsplätze kostenfrei möglich. Eine Bibliothek ist ein lebendiger Ort mit spannenden Angeboten für alle Generationen und Interessensgebiete. Vormittags besuchen uns Kindergärten und Schulklassen, abends finden des Öfteren Veranstaltungen statt, auch in Kooperation mit anderen Kulturanbietern. Wir sind ein Raum für Wissen, Kultur und Unterhaltung, der lebt mit Möglichkeiten für die Kleinsten, ebenso wie für Senioren, aber auch für Menschen, die wohnungslos sind.

Meine ersten Akzente sind …

Das kann ich schwer beantworten. Ich bin aktuell dabei, mit meinem Team in den nächsten Monaten alle Angebote zu gestalten, bis wir personell im kommenden Jahr wieder besser aufgestellt sind. Langfristig werden wir sicherlich auch unser Angebot an neue Wünsche anpassen.

Eine E-Bike-Tankstelle vor der Bibliothek ist aus meiner Sicht …

… wünschenswert und sehr sinnvoll. Wir haben viele Gäste, die mit dem Fahrrad kommen und eine solche Tankstelle würde den Besuchen noch etwas attraktiver machen. Es fehlen uns Kfz-Parkplätze vor dem Haus, so dass es gut ist, wenn die Gäste per Rad kommen. Wir sind aktuell in Detailüberlegungen, aber ich bin mir sicher, dass es gut in die Zeit passt. Ich hoffe, wir können es kostenfrei gestalten – vielleicht mit einem Sponsor.

Bücher in einem alten Speicher am Hafen zu präsentieren, ist …

… eine tolle Sache. Allein unsere Leseecke – das ist einfach schön. Mit Blick auf den Hafen und einem Tee oder Kaffee in der Hand lässt es sich gut in Zeitschriften oder Büchern blättern. Wir bekommen sehr viel positive Resonanz u.a. von Touristen, die unser Haus mit der Bibliothek in ihrem Heimatort vergleichen. Dieser Ort und die Bücher passen optimal zusammen.

Kinder etwas vorzulesen ist aus meiner Sicht …

… sehr wichtig. Ich mag das selbst sehr gerne und lese auch vertretungsweise beim 14-tägigen Bilderbuchkino, bei Grundschul- oder in Kindergartenbesuchen vor. Kindern vorzulesen, dient u.a. der Entwicklung des Gehirns und sorgt für Wissen und Kreativität. Über das Vorlesen kommen viele Kinder dazu, auch selbst zu lesen.

Etwa 150 plattdeutsche Bücher im Angebot zu haben, ist aus meiner Sicht …

… selbstverständlich. Wir sind in Ostfriesland. Auch wenn ich die Sprache selbst nicht sprechen kann, ist es wichtig, Plattdeutsch weiter zu fördern. Zum Beispiel werden wir in naher Zukunft eine Ecke mit allen Büchern der Leeraner Dichterin Wilhelmine Siefkes präsentieren, ein großes Portrait von ihr hängt schon.

Wenn ich den Friesland-Krimi unserer Bibliothek als Polizeiinspektion sehe, dann …

… das ist toll. Vor zehn Jahren hat uns das überrascht, dass wir der Standort der Inspektion werden. Bis heute hat das Auswirkungen. Viele Touristen kommen herein und sind oft überrascht, dass es innen gar nicht wie im Film aussieht. Auch meine Eltern im Schwarzwald kennen jede Folge. Der Friesland-Krimi verbindet.

Wenn ich eine Rolle im Friesland-Krimi spielen dürfte, dann …

… würde ich gerne mich selbst spielen: der „wissende“ Bibliothekar. Ich denke, ich sollte aufgrund meiner schauspielerischen Fähigkeiten aber besser nur ein Komparse sein – oder das Opfer (lacht).

Wenn ich an den Freundeskreis unserer Bibliothek denke, dann …

… ist dieser unbestritten sehr wichtig für uns. Wir bekommen ehrenamtlich bei vielen Aktivitäten Unterstützung und auch finanziell wird u.a. viel Sponsorengeld eingeworben. So konnten wir zuletzt neue Ausweise anschaffen. Ich bin sehr dankbar für inzwischen 18 Jahre ehrenamtliches Engagement!

Wenn ich an die Gebühren für das Ausleihen denke, dann …

… sind diese mit 20 Euro im Jahr sehr attraktiv, wenn man bedenkt, dass ein gebundener Roman zwischen 22 und 26 Euro kostet. Schüler und Studierende zahlen 10 Euro. Das ist nicht viel und ich hoffe, dass das noch lange so bleibt.

Einen Seniorenspielenachmittag anzubieten, ist eine der Aufgaben einer Bibliothek, weil …

… wir uns um alle Altersgruppen kümmern. Speziell für ältere Mitbürger hatten wir früher ein Erzähl-Café. Jetzt laden wir zum gemeinsamen Spielen ein und ich freue mich, dass wir dank der Sponsorengelder des Freundeskreises viele neue Spiele zum Ausprobieren und Ausleihen anschaffen konnten.

Mein Lieblingsbuch ist …

… – das klingt jetzt vielleicht etwas komisch – die gesammelten Gedichte von Hermann Hesse. Der Band steht bei mir im Wohnzimmer und ich nehme ihn häufiger zur Hand, da er sowohl Ratgeber als auch Trostspender in jeder Lebenssituation ist. Der Autor hat mich durch meine Jugend getragen. Ansonsten lese ich alles, auch gerne Comics.

Wenn ich jemandem erklären soll, was ein Studium für Bibliothekswesen ist, dann …

sage ich als erstes: Heute heißt der Studiengang Informationsmanagement und hat sich vollständig verändert. In den 1990er Jahren waren wir die ersten, die mit Computern noch per Telefonhörer für Recherchetrainings ins Internet gegangen sind. In erster Linie haben wir uns damals mit Literatur und Verwaltung beschäftigt und uns darüber hinaus Bibliotheken und die Arbeit für bestimmte Zielgruppen in Deutschland und im Ausland angesehen.

Wenn ich selbst ein Buch schreiben sollte, dann …

… (lacht). Ich lese gerne Krimis und Thriller – warum nicht mal ein Krimi, der in der Bibliothek spielt?

Mein Schlagzeug ist für mich …

… ein angenehmer Ausgleich im Alltag.

Mein Lebensmotto ist …

… „Keine Panic“ (Zitat aus dem Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams). Das ist durchaus oft hilfreich.

Mein Lieblingsplatz in Leer ist …

…  neben meinem Sofa mit einem Buch und Musik die Altstadt. Als ich 1999 in der Weihnachtszeit zum Bewerbungsgespräch nach Leer kam, war ich von der Stadt überwältigt.

Ich kann mich so richtig aufregen über …

… als Radfahrer über rücksichtslose Autofahrer und achtlos weggeworfenen Müll.

Ich kann mich so richtig freuen über …

… viele junge Familien, die vor allem samstags zu uns in die Bibliothek kommen. Es scheint ein kleiner Trend zu sein, dass junge Paare die Wichtigkeit sehen, mit Hilfe der Bibliothek ihre Kinder an das Lesen heranzuführen.

Mein größter Fehler ist …

… manchmal zu perfektionistisch zu sein.

Wenn ich einen Tag lang in meinem Leben ein anderer sein könnte, dann wäre ich gerne …

… früher Schriftsteller geworden. Heute könnte ich mir gut vorstellen, einmal als Musiker auf einer großen Bühne einen Tourneetag zu erleben.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir …

… mehr Zeit zum Lesen, Gesundheit und Frieden.

Seit 2000 arbeitet er in der Leeraner Stadtbibliothek: Bernhard Bökenkamp. Nun hat er seit drei Monaten die Leitung übernommen.

Foto: privat

Holger Hartwig„Eine Rolle im Friesland-Krimi? Der wissende Bibliothekar als Opfer“