Letztes Konzert des Vereins Junger Kaufleute in der Saison 2022/23 – Französischen Streichquartett „Quatuor Ébène“ zu Gast in Leer
Von Barbara Fischer*
LEER Es war das bemerkenswerte Finale einer bemerkenswerten Saison. Mit dem Gastspiel des französischen Streichquartetts „Quatuor Ébène“ setzte der Verein junger Kaufleute einer ohnehin hochkarätigen Konzertreihe noch einen weiteren Glanzpunkt auf. Dabei war man angesichts des Programmes eher skeptisch ob eines „angenehmen“ Finales. Dubugnon? Nie gehört, aber immerhin mit Bach-Anlehnung. Ligeti? Sehr modern. Mit Schumann wenigstens etwas Gescheites.
Wie schön, dass man zuweilen gleich von mehreren Überraschungen überrascht wird. Da wären zu allererst natürlich die Musiker mit Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure (Violine), Marie Chilemme (Viola) und (in Vertretung von Raphael Merlin) Matthijs Broersma (Violoncello), die eine Lehrstunde in der Kunst perfekten Zusammenspiels ablieferten. Und über die handwerkliche Extraklasse hinaus dem Publikum einen Kammermusikabend bescherten, der dieser Gattung sicherlich neue Anhänger gewonnen hat. Denn wie die Vier mit wachen Ohren den Werken lauschten, oft eher zurückhaltend und behutsam, beinahe vorsichtig mit leichtem, flexiblem Bogenstrich durchsichtige, „behütete Klänge“ schufen, gaben sie dem Gehörten einen warmen, humanen Anstrich mit auf den Weg. Selbst zupackende subito forte-Einwürfe oder Prestosätze lebten von der Fähigkeit, sie sofort zurücknehmen zu können oder in der Lautstärke die Feinheiten nicht zuzudröhnen. Feinheiten und tolle Kleinigkeiten gab es denn an diesem Abend viele zu hören, sei es als Komponisteneinfälle oder deren Umsetzung in Klang.
Aussagekräftige Interpretationen, die zudem noch so frisch daher kamen, dass es durchweg interessant, inspirierend und spannend blieb: diese Qualitäten honorierte das Publikum durch große Aufmerksamkeit und viel Applaus. Darf sich Komponist nennen, wer die Werke eines anderen nach „well-known“- Kriterien aussucht und geschickt zu einer Suite aneinanderreiht? Wohl doch eher ein Arrangeur hat Richard Dubugnon eine seelenschmeichelnde Abfolge von Versatzstücken aus Chorälen, Kantaten und Orchestermusik des Thomaskantors kreiert, die leicht und mit Wiedererkennenswert anzuhören war und bewies, dass Bach auch als „Patchwork-Bach“ gut funktioniert. Der musikalischen Kreativität György Ligetis hingegen schienen keine Grenzen gesetzt, weder durch Formenlehre noch in der eigenen Phantasie. In seinem Streichquartett Nr. 1 „Métamorphoses nocturnes“ überschlagen sich sehr effektvoll Tempi, Rhythmen, Harmonien, Emotionen, Eindrücke und Ausbrüche.
Das buchstäbliche Spiel mit diversen Techniken, Klängen, Brüchen, Farben, aber auch subtilem Humor war so recht etwas für die ansteckende Musizierfreude der Künstler. Schumanns Quartett a-Moll schließlich vereinte alles: die Bachsche choralhafte Sanglichkeit mit dem bei Ligeti so eindrücklich erprobten Formenreichtum in bewährter „Quatuor Ébène“-Manier und durch die schönen „Stimmen“ der kostbaren alten Instrumente zusätzlich geadelt.
Fotos: Fabian Engel /VJK
* Hinweis: Diese Konzertkritik wird auf Hartwig am Sonntag veröffentlicht in Kooperation mit dem Verein Junger Kaufleute. Informationen zu dem Verein unter www.vjk-leer.de