Vier Investoren stellen Politik ihre Konzepte für neues Stadtquartier
LEER Es ist eines der wenigen größeren Grundstücke, das im Eigentum der Stadt Leer ist. Nachdem entschieden wurde, auf der Fläche Am Bahndamm nicht selbst zu investieren, ist die Stadt jetzt bei der Suche nach dem besten Investoren-Konzept einen Schritt weitergekommen. Vier Interessenten stellten ihre Überlegungen für ein neues Quartier vor – mit einem eindeutigen Favoriten, den die Stadtverwaltung der Politik in interner Sitzung ermittelt hat: Die Erica-und-Bruno-Peter-Roelofs-Stiftung soll den Zuschlag bekommen. Bis Mitte April sollen die Fraktionen nun im Rat beraten und dann wird im Verwaltungsausschuss beschlossen, wer das Areal kaufen darf.
Stadtbaurat Rainer Kleylein-Klein bestätigte auf Anfrage, dass die Verwaltung eine Rangliste der vier Bewerber vorgelegt hat. „Die vier Bewerber für die Fläche verfolgen ganz unterschiedliche Ansätze. Die Politik wollte, dass die Verwaltung eine Bewertung der Konzepte vornimmt. Das haben wir gemacht.“ Welches Konzept der Favorit der Verwaltung ist, dazu wollte sich Kleylein-Klein nicht äußern.
Nach Informationen von HARTWIG am SONNTAG ist das Konzept der Erica-und-Bruno-Peter-Roelofs-Stiftung aus Leer mit einem doppelten Plus bewertet worden, gefolgt von der Investorengemeinschaft Bauverein Leer/ Real Immobilien und EOC Immobilien. Am wenigsten Zustimmung erhielt die Bebauungsidee des Bauunternehmens Walter Baumann GmbH, die für eine nicht näher benannte Investorengruppe aus dem Landkreis Aurich und Leer auf dem Gelände bauen will.
Nachfolgend eine kurze Beschreibung, was die vier Bewerber auf der gut 10.000 Quadratmeter Fläche, für die die Stadt mindestens 35 Euro – der Bodenrichtwert, den der Gutachterausschuss für dieses „baureife Land“ festgelegt hat, liegt aktuell bei 75 Euro je Quadratmeter – bauen wollen:
Der Favorit: „Gemeinsam in Heisfelde“
Die beste Note von der Verwaltung hat in internen Unterlagen das Konzept der Erica-und-Bruno-Peter-Roelofs-Stiftung mit Sitz Leer bekommen. Die bisher weitgehend unbekannte Stiftung ist am 13. August 2021 durch das Amt für regionale Landesentwicklung Weser-Ems in Oldenburg anerkannt worden. Zweck der Stiftung ist die „Förderung gemeinnütziger Museen und die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen“.
Die Verwaltung sieht in generationsübergreifendem Ansatz der Stiftung unter dem Titel „Gemeinsam in Heisfelde“ eine „hohe städtebauliche Qualität, eine hohe Aufenthaltsqualität und soziale Durchmischung. Die Pläne der Stiftung sehen den Bau von 44 Sozial- und 16 freifinanzierten Wohnungen sowie einer Pflege-Wohngemeinschaft mit zehn Plätzen vor. Die Baukörper sind fünf Mehrfamilienhäuser und acht Reihenhäuser am südlichen Grundstückstrand. Im Konzept sind Gemeinschaftsbereiche vorgesehen, z.B. Spielplatz, Bouleplatz, Grünanlagen mit Aufenthaltsqualität und als Highlight ein „Forum“ als Gemeinschaftseinrichtung. Die Bestandbäume sind berücksichtigt worden. Die Baukörper passen sich der Grundstücksform an. Durch eine Bündelung der Kfz-Stellplätze wirkt das Quartier „geordnet und strukturiert“, wie die Stadtverwaltung festgestellt hat. Das Quartier soll klimaneutral sein und, zur Abschirmung gegen die Bahnlinie, soll eine begrünte Schallschutzwand gebaut werden. Neben dem Gesamtkonzept hat diese Lösung zwei weitere positive Aspekte für die Stadt: Die Stiftung will die Sozialwohnungen über die 30-jährige Bindungsfrist hinaus zu vergünstigten Sozialkonditionen anbieten und zudem für das Grundstück 45 Euro pro Quadratmeter zahlen. Hintergrund ist, dass die Stiftung keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt.
Beste Alternative: 100 Prozent soziale Wohnungen
Die zweitbeste Bewertung hat das gemeinsame Konzept des Bauverein Leer und Real Immobilien erhalten. Die gemeinsame Idee der Genossenschaft und des Unternehmens aus Moormerland verspricht, alle 96 geplanten Wohnungen mit einer gedeckelten Sozialmiete zu bauen. Aus Sicht der Verwaltung ist es ein „städtebaulich gutes Konzept“, das umsetzbar erscheint, bei dem allerdings Nachbesserungen mit Blick auf Erschließung und Freiraumgestaltung erforderlich sein könnten. Insgesamt sollen 39 Ein-, 31 Zwei-, 22 Drei- und 4 Vier-Personen-Wohnungen entstehen. Bis auf vier Maisonette-Wohnungen seien alle Wohnungen barrierefrei, sieben im Riegelgebäude sogar behindertengerecht. Markant ist bei dem Konzept ein zweigeschossiger Riegelbau an der östlichen Grundstücksgrenze, die auf etwa 150 Metern als Abgrenzung zur Bahnstrecke dienen soll. Im hinteren Bereich des Grundstücks sollen neun weitere Häuser mit insgesamt 36 Wohnungen entstehen. Die Klimaneutralität soll durch Photovoltaik, Batteriespeicher Wärmepumpen oder Infrarot-Platten erreicht werden.
EOC: Keine klassische Sozialmiete
Technische Lösungen mit Blick auf die Klimaneutralität des Quartiers bestimmt den Entwurf des dritten Interessenten EOC Immobilien. Diese Investoren sind der Überzeugung, dass sozialer Wohnungsbau, der die Netto-Kaltmiete deckelt, in Zeiten von hohen Energiepreisen eine Mogelpackung ist. Das Unternehmen – es will jeweils sechs Mehrfamilienhäuser entlang des Bahndammes und im Innern und darüber hinaus Doppelhäuser bauen – setzt auf eine neue Generation von energieautarken Häusern, die allerdings ohne Fördermittel realisiert werden müsste. Ziel ist es, eine langfristige Pauschalmiete mit Energie-Flatrate festzulegen, um so die Anforderung der Stadt an das Quartier, 60 Prozent geförderte Wohnungen mit gedeckelten Kaltmieten über eine andere Lösung zu gewährleisten. Aus Sicht der Verwaltung wirft das vorliegende Konzept allerdings Fragen auf, vor allem mit Blick auf Aspekte wie Lärmschutz und die Verkehre im Quartier.
Konzept 4 mit vielen offenen Fragen
Das Konzept der Walter Baumann GmbH, die für eine Investorengruppe agiert, hat die Bauexperten im Rathaus am wenigsten überzeugt. Bei den geplanten sechs Mehrfamilienhäuser mit Sattelgeschoss sowie fünf Mehrfamilienhäuser mit Satteldach am westlichen Rand (insgesamt 44 Wohnungen, davon 70 Prozent gefördert, alle mit Luft-Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen) seien einige Aspekte, die bei der Ausschreibung des Areals benannt worden, nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Bebauung wird als sehr kompakt betrachtet. Für den Fall, dass die Politik den Zuschlag an diesen Interessenten vergibt kann – so hieß es aus der Politik im Anschluss an die nichtöffentliche Sitzung – eine grundsätzliche Überarbeitung aus Sicht der Verwaltung nicht ausgeschlossen werden. Diese klare Positionierung der Verwaltung hat – so hat die Recherche in der Leeraner Politik ergeben – zwischenzeitlich zu einer Reaktion geführt. Das Unternehmen hat demnach die Stadtverwaltung angeschrieben und zum einen die eigenen Planungen ergänzt, zum anderen die Überlegungen der übrigen Interessenten kritisiert, die Vorgaben nicht berücksichtigt hätten.