Sie ist ziemlich genau vor einem Jahr mit großen Erwartungen gestartet: Die Wasserstoffinitiative Ostfriesland, an der sich der Kreis Leer neben den Kreisen Aurich, Wittmund, der Stadt Emden, der IHK für Ostfriesland und Papenburg und Mariko GmbH, das Maritime Kompetenzzentrum in Leer, beteiligen. Allerdings: Seit dem Start der H2-Initiative am 23. Mai 2022 ist es öffentlich weitgehend ruhig geblieben. Unter Aktuelles im Internet steht nichts Neues, obwohl es in der Medieninfo seinerzeit vielversprechend im Abschlusssatz hieß: „…sowohl die Erwartungen als auch die Motivation sind auf allen Seiten hoch“. Also alles nur ein Lippenbekenntnis im großen Stil?
Dabei ist die regionsweite Initiative, die federführend durch den Kreis Aurich koordiniert wird, vor einem Jahr mit großem Rückenwind gestartet: Ostfriesland wurde als eine von bundesweit nur 14 HyStarter-Wasserstoffregionen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) identifiziert und wurde dann durch das Fachbüro Spilett new technologies GmbH ein Jahr lang fachlich und organisatorisch bei der Entwicklung eines regionalzugeschnittenen Wasserstoffkonzepts und bei der Bildung eines Netzwerks für lokale Wasserstoffakteure begleitet. Was sagen nun die Beteiligten zu dem Fortschritt mit Blick auf die Technologie, die die Energiewende maßgeblich ermöglichen könnte. Der Kreis Leer will sich mit Blick auf die Arbeit nicht „aus dem Fenster lehnen“. Die Geschäftsstelle sei erst Ende 2022 besetzt worden „und deshalb ist es zu früh, eine Bewertung der Arbeit vorzunehmen“. Immerhin: Man hat in Leer einiges in die Hand genommen. Wichtige Akzente habe die Veranstaltung von zwei grenzübergreifenden Wasserstoffkonferenzen in Leer und Emmen 2022 und 2023 gesetzt, zudem seien unter anderem eine Wasserstofftankstelle auf Borkum und eine Brennstoffzelle im Maritimen Technikum realisiert worden. Dies sei allerdings nicht unter dem Dach der Ostfriesland-Initiative, sondern durch das Mariko realisiert worden. Ab 2024 sollen im Kreisgebiet zudem fünf Wasserstoffbusse zum Einsatz kommen, die sieben Jahre finanziell gefördert werden. Ob das ausreichend ist, die Region zum H2-Vorreiter zu machen? Warten wir es ab.
Bleibt die Frage, wie der federführende Kreis Aurich die Situation einschätzt. Aus dem dortigen Kreishaus wird über die Geschäftsführerin der Initiative, Birte Ricklefs, informiert, dass „die Akteure nicht nur reden, sondern in die Umsetzung gehen“. Es herrsche in der Region „großer Umsetzungswille“, „die Anzahl der Themen und Projektideen sowie die kontinuierliche aktive Beteiligung der Akteure spreche für sich“. Aufgrund fehlenden Personals – die Geschäftsstelle startete im September 2022 und ist erst seit Mai voll besetzt – sei diese Motivation nicht dargestellt worden, weil „der Netzwerkaufbau, die Themenfindung und die schnelle Umsetzung von Themen“ priorisiert wurde. Das klingt alles gut – dennoch sollten sich die Landräte und anderen verantwortlichen Politiker der Region einmal fragen, ob es bei diesem zentralen Zukunftsthema nicht fatal ist, eine Geschäftsstelle mit einer – engagierten – Leiterin mit reduzierter Stundenzahl auszustatten. Vollgas für ein Thema – und viele Unternehmer aus der Region sind in der Tat mit Herzblut dabei – sieht anders aus. Zumal jeder halbwegs interessierte Beobachter aktueller Themen weiß, dass das Thema H2 und damit der Kampf um Förderprojekte und -gelder bundesweit gehypt wird. So viele Zukunftsthemen, bei denen Ostfriesland in der Kombination von Windkraft, Gaskavernen zur Speicherung von H2 und mit der EWE als Unternehmen in weitgehend kommunaler Eigentümerschaft ideale Startvoraussetzungen hat, gibt es ansonsten wahrlich nicht.
Was ist denn nun konkret nach einem Jahr Initiative herausgekommen? Netzwerke und Austausch in diversen Arbeitsgruppen, Tagungen etc. funktionieren. Projektideen sind auf den Weg gebracht – geclustert in die Bereiche „Mobilität und maritime Anwendungen“, „Produktion und Speicherung“ und „Standortenergieversorgung“. Die ersten Wasserstofftankstellen sind in Arbeit, Elektrolyseure in Emden auf dem Weg und kleinere Projekte am Start. Zudem wird 2024 die 4. Hydrogen Cross Border-Conference in Aurich für Aufsehen sorgen.
Viel Konkretes, was über Miteinanderreden hinausgeht, ist das alles (noch) nicht. Bleibt die Hoffnung, dass der anstehende Juni für den großen Wumms sorgt. Dann wird das H2- bzw. „HyStarter-Konzept“ für Ostfriesland vorgestellt. Mal sehen, ob das, was die vielen Netzwerke erarbeitet haben, dann mit voller Power realisiert wird und dabei die Menschen der Region mitgenommen werden. So wie beispielsweise an der schleswig-holsteinischen Westküste. Denn da weiß fast jedes Schulkind und jeder Politiker, Arbeitnehmer oder Firmenchef, dass H2 einer der zentralen Bausteine für die erfolgreiche Energie- und Industriewende ist.