Landrat Groote: Wir brauchen gesamtostfriesische Strategie mit mehr Selbstbewusstsein

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LEER Seit fast sechs Jahren ist er der Chef der Kreisverwaltung und prägt die Entwicklung des Landkreises Leer maßgeblich mit: Matthias Groote. Der 48-jährige Familienvater, der von 2005 bis 2016 für die SPD im Europäischen Parlament saß, spricht in der Rubrik „auf einen Tee mit…“ über seine Erfolge und Herausforderungen, über den Streit mit der Stadt über die erhöhte Kreisumlage und was er machen würde, wenn er einen Tag Bundeskanzler sein könnte. Klare Kante geht der Diplom-Wirtschaftsingenieur bei der Frage, ob es ihn nach Hannover in die Landesregierung zieht. Landrat zu sein, sei die schönste Aufgabe, die er sich denken könne, und wer über einen Wechsel ins Kabinett nach der Wahl im Oktober spekuliere, „der irrt“. Zudem nennt er es einen Skandal, dass die Friesenbrücke er zehn Jahre nach der Zerstörung wiederhergestellt sein wird.

Landrat zu sein, ist für mich…

… die schönste Aufgabe, die ich mir denken kann.

Die größte Herausforderung seit der Übernahme des Amtes ist für mich…

… die Corona-Pandemie. Es mussten außergewöhnliche Dinge geregelt werden, beispielsweise erhebliche Eingriffe in den Alltag der Menschen, wo der Staat normalerweise nichts zu suchen hat. Das war nicht einfach, aber ich glaube dennoch, dass wir insgesamt einen guten Job gemacht haben.

Mein größter Erfolg bisheriger Erfolg als Landrat ist……

… der Breitbandausbau und das Voranbringen der Digitalisierung. Zudem freue ich mich, dass es gelungen ist, die Kreisfinanzen wieder in den Griff zu bekommen – jedenfalls bis jetzt, denn wir wissen nicht, was bei der Weltlage noch auf uns zukommen wird.

Meine größte Fehlleistung als Landrat ist….

… sicherlich, dass ich immer zu viel auf einmal will. Und dann dauern die angeschobenen Projekte manchmal einfach zu lange.

Wenn jemand sagt „Der Groote kann am besten sich selbst darstellen, aber dann wird es auch weniger“, dann …

… nehme ich das gelassen zu Kenntnis.

Die größte Herausforderung für unseren Landkreis ist in den nächsten Jahren…

… das Thema Energie mit den Folgen der Preisentwicklung und die demografische Krise, die uns nach und nach immer mehr betreffen wird. Daraus ergeben sich viele Fragen. Angefangen damit, wie wir genug Fachkräfte für unsere Region gewinnen. Wir sind aber viele Themen – z.B. das Stipendienprogramm für die Ärzteversorgung – früh angegangen und ich mir sicher, dass wir uns insgesamt gut aufstellen.

Wenn ich unser Krisenmanagement bei Corona und Flüchtlingen kritisch betrachte, dann…

… hätte ich mit dem Wissen von heute bestimmt einiges anders gemacht. Wir haben im Kreishaus als Team nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Mit Blick auf die Ukraine sage ich auch: Wir wissen noch nicht, was im Winter auf uns zukommt. Wir haben durch den Krieg bereits heute mehr Flüchtlinge bei uns im Kreis als 2015. Es ist gut, dass viele Menschen in unserem Landkreis engagiert mit anpacken, aber es ist noch nicht vorbei.

Die Tatsache, dass die Fertigstellung der Friesenbrücke erst fast zehn Jahre nach der Beschädigung erfolgt, ist für mich…

… ein Skandal. Wir sind einfach zu langsam in Deutschland. Es kann nicht sein, dass eine so wichtige Infrastruktur so lange unterbrochen ist. Wir haben viel zu viele Genehmigungsprozesse, wo viel zu lange abgewogen wird. Das gilt selbst für die kleinsten Projekte, beispielsweise einen Fahrradweg. Es muss alles auf den Prüfstand gestellt werden durch eine unabhängige Kommission. Wir müssen dringend dafür sorgen, dass Projekte in unserem Land nicht mehr eine Ewigkeit dauern. Wir brauchen mehr Tempo.

Der Streit mit der Stadt Leer um die erhöhte Kreisumlage ist aus meiner Sicht…

… eine Konsequenz, die die Kündigung der Vereinbarung zu den Kindertagesstätten nach sich zieht. Das werden wir professionell miteinander klären. Da bin ich sehr gelassen.

Bei der Förderung des Ehrenamtes als Kit der Gesellschaft werden wir als Landkreis…

… diese Förderung weiterentwickeln. Ich denke, wir sind deutschlandweit einer der führenden Kreise, was dieses Thema angeht. Das soll so bleiben.

 Die SPD ist meine politische Heimat, weil…

ich sie mir vor 26 Jahre aus Überzeugung ausgesucht habe. Das war und ist eine gute Entscheidung.

 Wenn ich mir noch ein großes Projekt für die Region wünschen könnte, dann…

… wünsche ich mir, dass es uns über Kreisgrenzen hinweg gelingt, die Vorteile der Region besser und vor allem auch gemeinsam zu vermarkten. Wir sind manches Mal zu bescheiden. Mehr Selbstbewusstsein und mehr Zusammenarbeit, beispielsweise eine gemeinsame Wirtschaftsförderung, sind für die Zukunft erforderlich. Wir brauchen in vielen Fragen eine gesamtostfriesische Strategie. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, viel stärker zusammenzuarbeiten.

Wenn jemand sagt, dass Landrat Groote nach der Landtagswahl in ein bedeutendes Amt nach Hannover geht und Mitglieder der Landesregierung wird, dann antworte ich…

… der irrt.

Mein Lebensmotto ist…

„Anner Lü sind ok Lü“, d.h. seinem Gegenüber immer mit Respekt zu begegnen und sich in seine Position hineinzudenken.

Mein Lieblingsplatz im Kreis Leer ist…

Ich habe zwei: die Bohrinsel in Dyksterhusen und der Holter Hammrich.

Ich kann mich so richtig aufregen über…

… Hassreden und Hetze im Netz.

Ich kann mich so richtig freuen, wenn

… Menschen gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Ein aktuelles Beispiel ist für mich das Freilichttheater in Hatshausen/Ayenwolde. Was dort von Freiwilligen auf die Bühne gebracht wird, wie es gelingt, ein geschichtliches Thema zum Mitfühlen zu inszenieren, ist einfach klasse.

Für meinen Lieblingsverein Werder Bremen wünsche ich mir, dass …

… wir den Klassenerhalt schaffen und dass es nicht zu dramatisch wird Richtung Saisonende.

Wenn ich einen Tag lang Bundeskanzler sein könnte, dann würde ich gerne…

… eine Kommission bilden, um Infrastrukturprojekte und eine damit verbundene bessere Gesetzgebung voranzubringen. Wahrscheinlich reicht dafür aber nicht ein Tag aus.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann…

… wünsche ich mir Frieden in der Ukraine, mehr Klimaschutz, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen, und einen respektvolleren Umgang der Menschen miteinander – sowohl in der digitalen als auch in der realen Welt.

Seit November 2016 verantwortet er als Landrat maßgeblich die Entwicklung im Kreis Leer: Matthias Groote (SPD)

Foto: Landkreis Leer

Holger HartwigLandrat Groote: Wir brauchen gesamtostfriesische Strategie mit mehr Selbstbewusstsein