„Ministerin zu werden, war mir nicht wichtig“

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Auf einen Tee mit…: Heute mit Meta Janssen-Kucz, Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages

BORKUM/HANNOVER Sie ist seit fast 30 Jahren das prominente Gesicht der „Grünen“ im Kreis Leer und in Ostfriesland: Meta Janssen-Kucz. Die 61-Jährige, die auf Borkum lebt, ver-tritt die Region über 20 Jahre im Niedersächsischen Landtag und ist seit 2017 Vizepräsiden-tin des Parlaments in Hannover. In der Rubrik „Auf einen Tee mit…“ spricht Janssen-Kucz, die in ihrer Freizeit gerne mit dem Rad unterwegs ist, unter anderem über das LNG-Terminal in Wilhelmshaven, warum sie nie Ministerin wurde und ihre Oma Meti ihr Vorbild ist und wieso sie auf ihre erste Rede, die sie im Landtag hielt, von dem damaligen Minister-präsidenten Christian Wulff (CDU) angesprochen wurde.

An meine erste Rede im Landtag erinnere ich mich, weil…
… es einen Zwischenruf von Hedwig Pruin aus Ihrhove gab. Die Christdemokratin hatte wohl beabsichtigt, mich damit in der aktuellen Stunde zur Ems, Sperrwerk und Flussvertiefung aus dem Konzept zu bringen. Ich habe auf Plattdeutsch sehr bestimmend geantwortet, dass sie ruhig sein sollte. Da war dann absolute Ruhe im Plenarsaal, obwohl viele das Plattdeut-sche nicht verstanden haben. Vom Präsidenten hieß es: Hätten Sie das auf Hochdeutsch so gesagt, hätte ich einen Ordnungsruf aussprechen müssen. Der damalige Ministerpräsident Wulff meinte später zu mir: Was haben Sie zu Frau Pruin gesagt? Wie haben Sie es ge-schafft, Frau Pruin damit ruhig zu bekommen? Sehr schnell hatten wir beide dann aber ei-nen guten Draht, der bis heute besteht.

Wer mir vor zwei Jahren gesagt hätte, dass meine Partei die Lieferung von Waffen für ei-nen Krieg unterstützt, die Laufzeit von Kernkraftwerken verlängert oder Energie in Katar einkauft, dem hätte ich gesagt…
… dass das so mit den Grünen nicht passieren wird. Aber: Es war genauso unvorstellbar, dass es einen Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine geben wird und wir Europäer da-rauf reagieren müssen. Mit einem Diktator wie Putin kann man leider momentan keine friedliche Lösung finden, da er nur die Sprache eines stärkeren Gegenübers versteht. Wir dürfen nicht den gleichen Fehler machen, wie damals die Nationen, die geglaubt hatten, Hitler zu besänftigen und von einem Krieg abzuhalten. Wir müssen als Politik trotzdem wei-ter sehr sorgsam agieren und unsere Entscheidungen abwägen. Wir dürfen uns auch nicht von den Medien und einzelnen Abgeordneten treiben lassen. Wütend macht mich mit Blick auf Niedersachsen, dass wir als einstiges Energieland Nummer eins bei den erneuerbaren Energien durch Bundes- und Landespolitik der Großen Koalitionen ins Hintertreffen gekom-men sind. Man hätte konsequenter und schneller die Erneuerbaren Energien ausbauen und gesetzliche Hürden abbauen müssen, dann wären wir 2023 schon sehr viel unabhängiger von fossilen Energien gewesen. Jetzt haben wir einen Kraftakt vor uns und kämpfen mit ho-hen Energiepreisen aus den fossilen Energien und einer Inflation.

Als umweltpolitische Sprecherin zu erleben, dass in WHV im Schnelldurchgang ein LNG-Terminal samt Leitung quer durch die Heimatregion errichtet wird, ist…
… aus umweltpolitischer Sicht mit dem schnellen reduzierten Genehmigungsverfahren eine absolute Herausforderung. Ich werde die Umsetzung mit Blick auf die Einleitung von Biozi-den in die Jade und das Wattenmeer sehr genau begleiten. Es kommt auf das Monitoring an und es muss ggf. nachjustiert werden. Ich passe auf, was dort passiert, denn ich halte das Verfahren, was dort scheinbar aus Kostengründen zum Einsatz kommt, für den falschen Weg. Für falsch halte ich auch die unverhältnismäßige lange Laufzeitgenehmigung, denn mit der Genehmigung bis 2043 zementieren wir eine fossile Energieversorgung in Deutsch-land. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und das Klimagesetz auf Bundesebene umzu-setzen, wäre eine klare zeitliche Befristung richtig gewesen.

An der Aufgabe als Vizepräsidenten des Landtages mag ich vor allem …
… die Begegnungen und das Kennenlernen von Organisationen und Einrichtungen, die in Niedersachsen in unterschiedlichsten Formen – haupt- und ehrenamtlich – tätig sind. Ich erinnere mich an einen Besuch als mit dem Präsidium als Vizepräsidentin im Kanton Bern in der Schweiz, der eine Partnerschaft mit Niedersachsen unterhält. Dort herrscht eine interes-sante und spannende politische Bürgerbeteiligungskultur, von den dortigen Sahnestücken können wir uns eine Scheibe abschneiden und Bürger besser an Entscheidungen beteiligen.

Ich bin bisher nie Ministerin in der Landesregierung geworden, weil …
… das nicht mein Ansinnen war bzw. es mir nicht wichtig war. Man hat als Ministerin mehr Zwänge und mir war und ist ein Leben neben der Politik stets wichtiger. Meine Arbeitswo-che hat heute schon mehr als 60 Stunden, manchmal sind es über 80. Ich bin mit dem, was ich in den letzten Jahrzehnten anstoßen und auf den Weg bringen konnte, zufrieden.

Wenn ich einen jungen Menschen für Politik begeistern will, dann…
… ist der beste Weg, mich einige Tage zu begleiten und dann festzustellen, ob und für wel-che Themen man brennt.

In diesem Jahr 30 Jahre Mitglied der Grünen zu sein, bedeutet mir …
Das war mir nicht so bewusst, es ist für mich zur Selbstverständlichkeit geworden. Ich bin immer ein konstruktiv kritisches Mitglied der Grünen gewesen. Über die Jahre begreift man, was es bedeutet, eine Partei im Rücken zu haben – und ich mag es bis heute, auch durchaus kontroverse Diskussionen in der Partei zu führen, aber andererseits auch für meine Grünen Positionen zu streiten.

Für den Kreis Leer im Landtag zu sitzen, bedeutet für mich …
Es ist eine Ehre. Ich habe noch immer sehr viel Respekt vor dieser Aufgabe, weil ich seit 20 Jah-ren ja nicht nur für die Themen im Kreis Leer, sondern für ganz Ostfriesland engagiert bin und viele unterschiedliche regionale Themen in der Landeshauptstadt platzieren und voran-bringen konnte

Politik in Hannover und Politik im Kreis Leer auf kommunaler Ebenen unterscheidet sich durch…
… nicht wesentlich. Vor Ort aktiv zu sein, ist eine wichtige Verbindung. Man behält die Bo-denhaftung und erfährt, was die Menschen wirklich bewegt. Aber man lernt auch, dass viele Entscheidungsprozesse auf kommunaler, landes- und bundespolitischer Ebene zu lange dau-ern und für die Bürger nicht immer nachvollziehbar sind.

Über meine Mitstreiter in Hannover aus dem Kreis Leer denke ich, dass …
… wir für die Region bei sehr vielen Themen sehr gut zusammenarbeiten.

2027 – nach dann über 25 Jahren im Landtag – möchte ich sagen können, dass …
… ich viel bewegt habe für die Region und es gelungen ist, einen attraktiven und gesunden Lebensraum für meine Kinder und Enkelkinder zu erhalten und wir die notwendigen ökologi-schen und sozialen Weichenstellungen auf dem richtigen Gleis haben. Für mich steht fest, dass ich immer – unabhängig von Aufgabe und Alter – politisch ehrenamtlich aktiv und an Themen dranbleiben und weiter voranbringen werde.

Den Umstand, dass es in Deutschland Tafeln geben muss, ist …
… für mich sehr erschreckend. Ich weiß noch, wie die ersten Tafeln entstanden sind und wie sehr das Angebot im Kreis Leer belächelt wurde, weil es hieß: Bei uns hat jeder genug. Ak-tuell trifft es mich sehr, dass soziale Themen, wie Armut und Chancengerechtigkeit im Schatten der Energiekrise nicht die notwendige hohe Priorität auf allen politischen Ebenen hat.

Mein größter bisheriger Erfolg ist…
In der Politik ist das meiste eine Teamleistung. Ich freue mich daher, dass es gelungen ist den Masterplan Ems mit Wirtschaft und Umwelt gemeinsam auf den Weg gebracht zu ha-ben, damit der Fluss Ems wieder lebendiger und gesünder wird.

Meine größte bisherige Fehlleistung  ist…
Es gibt garantiert Fehleinschätzungen in der Politik und sich daraus ableitende Fehlent-scheidungen, davor ist keiner gefeit. Aber einer Fehlleistung bin ich mir nicht bewusst.

Mein (politisches) Vorbild ist…
… meine Oma. Sie hat uns sehr früh deutlich gemacht, wie wichtig es ist, auf die Umwelt zu achten und Verantwortung für unsere Mitmenschen zu übernehmen

Mein Lebensmotto ist…
… Ärmel hochkrempeln und einfach machen.

Plattdeutsch ist für mich…
… meine Muttersprache.

Mein Lieblingsplatz im Kreis Leer ist…
Der hat sich verändert. Früher war ich gerne in Leerort am Deich, heute ist mein bzw. unser Lieblingsplatz das Ostland auf Borkum.

Ich kann mich so richtig aufregen über…
… Ungerechtigkeit.

Ich kann mich so richtig freuen über…
… das Scheinen der Sonne und wenn mir der Wind um die Nase weht.

Wenn ich einen Tag lang Bundeskanzlerin sein könnte, dann würde ich gerne…
Das ist so fernab von meiner Lebensrealität, aber an diesem Tag würde es ein Gesetz ge-ben, dass den Ausstieg aus den fossilen Energien (Kohle, Gas, Atom) fest zementiert, damit die politischen Diskussionen ein für alle Mal beendet sind, denn sie behindern den konse-quenten Einsatz für Erneuerbare.

Wenn ich drei Wünsche frei habe, dann wünsche ich mir…
… erstens Frieden in Europa, zweitens Gesundheit und drittens Zeit zum Seele baumeln lassen.

Für die Region seit drei Jahrzehnten politisch aktiv: Meta Janssen-Kucz (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages.
Foto: privat

Holger Hartwig„Ministerin zu werden, war mir nicht wichtig“